Mehr Dampf im Treibhaus

Die Energie- und Klimawochenschau: Während es hierzulande zur Abwechslung mal wieder etwas kühler als normal ist, bangen in den USA die Freunde von Wind und Sonne um die Verlängerung ihrer Steuererleichterungen. Derweil steigen die Treibhausgasemissionen schneller als in den Worst-case-Szenarien.

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Laut Kalender war der Sommer am 21. September zu Ende und die Temperaturen sind bereits seit längerem eher herbstlich. Die Mitteilung des Deutschen Wetterdienstes hierzu gehört zwar streng genommen eher in die Rubrik Wetter, hat aber auch ihre klimatologische Seite und soll daher nicht unerwähnt bleiben.

Der September – für die hiesigen Wetterfrösche der erste Herbstmonat – war zu kalt. Mit 12,4 Grad im bundesweiten Mittel lag er 0,9 Grad Celsius unter dem langjährigen Referenzwert. Zuletzt war der September 2007 etwas zu kalt gewesen. Alle nachfolgenden Monate hatten überdurchschnittliche Temperaturen gezeigt. Derweil hat die Europäische Umweltagentur EEA gemeinsam mit der Weltgesundheitsorganisation WHO einen etwas genaueren Blick darauf geworfen, was dem Kontinent in einer wärmeren Welt drohen könnte.

Die besonders gefährdeten Regionen seien die Gebirge, der Mittelmeerraum, die Arktis und die Küstenzonen, heißt es in einer Kurzzusammenfassung des Berichts. Schon jetzt würden die Niederschläge im Norden zunhemen, während in einigen mediterranen Regionen die Niederschlagsmenge in den letzten 100 Jaren um 20 Prozent zurückgegangen sei.

Eine Zusammenfassung der Nachrichtenagentur Reuters spricht davon, dass sich Europa bereits jetzt stärker erwärmt hat. Während die über den ganzen Planeten und jeweils ein Jahr gemittelte Temperatur seit Beginn des 20. Jahrhunderts um etwa 0,8 Grad Celsius gestiegen ist, wurde es zwischen Ural und Atlantik um ein Grad wärmer. Zukünftig sei damit zu rechnen, dass Hitzesommer wie der des Jahres 2003, in dem in Süd- und Westeuropa 70.000 Menschen an den Folgen der hohen Temperaturen starben, häufiger auftreten.

Die Autoren weisen unter anderem auch auf die Unwägbarkeiten beim Meeresspiegelanstieg hin. Dieser ist einerseits eine Folge der durch Erwärmung verursachten Ausdehnung des Wassers, andererseits des Abschmelzens der auf Land liegenden Gletscher. Derzeit steigt der Meeresspiegel um 3,1 Millimeter pro Jahr, was bereits eine Beschleunigung gegenüber früheren Jahrzehnten ist. In 100 Jahren würde bei dem Tempo der Meeresspiegel um 31 Zentimeter klettern. Vollkommen unklar ist jedoch, ob die Gletscher in Zukunft nicht schneller schrumpfen.

Schlimmer als befürchtet

Wie die Dinge derzeit stehen, spricht einiges dafür. Vergangene Woche veröffentlichten US-Institute neue Zahlen über die weltweiten Kohlendioxid-Emissionen. Das Gas, inzwischen auch gut unter seinem chemischen Spitznamen CO2 bekannt, ist für etwa 55 Prozent des menschlich-verursachten Treibhauseffektes verantwortlich und wird bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe (Kohle, Ölprodukte, Erdgas) und im Zusammenhang mit Entwaldung freigesetzt.

Demnach sind diese Treibhausgasemissionen von 2006 auf 2007 weltweit um drei Prozent gestiegen. Diese Steigerungsrate ist höher als noch vor zwei Jahren vom UN-Klimarat IPCC befürchtet. Hinzu kommt, dass Biosphäre und Ozean offenbar Ermüdungstendenzen zeigen. Zwischen 1955 und dem Jahr 2000 haben sie 57 Prozent der Emissionen aufgenommen, so dass nur der kleiner Teil tatsächlich als Treibhausgas in der Atmosphäre verblieb, meint Corinne Le Quéré von der University of East Anglia in Großbritannien im Interview mit der Nachrichtenagentur AFP. Derzeit würden jedoch nur noch 54 Prozent der Emissionen der Atmosphäre wieder entzogen.

Das ist besorgniserregend, aber nicht überraschend: Ozeanographen wissen seit langem, dass die Löslichkeit von CO2 im Meerwasser mit steigender Temperatur abnimmt. Ein erheblicher Anteil des Anstiegs geht auf die großen Schwellenländer wie China zurück. In der Volksrepublik stiegen die Emissionen 2007 um 7,5 Prozent. Aber auch in den USA wuchsen die Emissionen um weitere zwei Prozent. Die Entwicklungsländer haben inzwischen mit 53 Prozent der Emissionen in der Summe die Industriestaaten als wichtigste Produzenten des Treibhausgases überholt. Allerdings beherbergen sie auch etwa vier Fünftel der Menschheit.

Außerdem war ihnen 1992 in der UN-Klimarahmenkonvention zugestanden worden, dass für sie zunächst die ökonomische Entwicklung den Vorrang haben sollte. Die Industriestaaten einschließlich der Länder des ehemaligen Ostblocks sollten hingegen zunächst ihre – um gerechnet auf die Einwohnerzahl wesentlich höheren – Emissionen zunächst begrenzen und schließlich reduzieren. Konkret sah die Konvention vor, dass diese Staaten bis zum Jahr 2000 ihre Emissionen auf das Niveau von 1990 zurückgefahren haben sollten. Die meisten westlichen Staaten haben diese Verpflichtung nicht erfüllt und die östlichen auch nur unfreiwillig durch den Zusammenbruch ihrer Wirtschaften.

Die CO2-Daten basieren übrigens auf den jährlich aktualisierten Statistiken von BP Verbrauch, Förderung und Vorräte an Kohle, Erdgas und Erdöl. Diese sind auch unter anderen Gesichtspunkten interessant: So bestätigen die in den BP-Statistiken aufgeführten Preise für Kohle, was auch in den Daten hiesiger Importeure abzulesen ist. Kohle wird teurer. Die in dieser Statistik enthaltenen Preise enthalten auch die Versicherungs- und Frachtkosten. Letztere sind in den vergangenen Jahren wegen der starken Expansion des Welthandels und der damit einhergehenden Verknappung der Transportkapazitäten in der Schifffahrt deutlich angezogen.

Stop-and-Go in der Förderpolitik

Während derzeit alles auf die Debatten im US-Parlament über das 700-Milliarden-US-Dollar-Rettungspaket für Industrie und Finanzmärkte starrt (siehe Finanzkrise erschüttert Börsen und erreicht endgültig Europa) ist eine andere wichtige Entscheidung fast unbeachtet geblieben: Letzte Woche hat, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet das Repräsentantenhaus ein Gesetzpaket verabschiedet, dass die Steuerleichterungen für erneuerbare Energien erneuert. Damit ist die Branche allerdings noch nocht über den Berg: Die Zustimmung des Senats fehlt noch, außerdem hat US-Präsident Bush hat sein Veto angedroht.

Installierte Windanlagen-Leistung in den US-Bundesstaate (Hier ist das Original der Karte), wo man per Mausklick auf den jeweiligen Staat weitere Informationen über die Windparks finden kann. Grafik: AWEA

Damit würde das Paket auf jeden Fall ans Parlament zurückverwiesen und würde vemutlich in der Wahlkampfzeit liegen bleiben. Potenzielle Bauherren sitzen damit weiter auf heißen Kohlen, denn die bisherigen Vergünstigungen laufen zum Jahresende aus. In der Vergangenheit hat die Entwicklung der Windenergie- und Solarindustrie zwischen Atlantik und Pazifik wiederholt herbe Rückschläge erlitten, weil in Washington nicht rechtzeitig eine Verlängerung der Förderprogramme beschlossen wurde.

Inzwischen haben allerdings viele Bundesstaaten ihre eigenen Fördermechanismen entwickelt, sodass es vermutlich nicht mehr zu allzu großen Einbrüchen kommen sollte. Im letzten Jahr hatte sich die USA mit 5.200 Megawatt neuinstallierter Leistung zum Weltmarktführer in Sachen Windkraftanlagen gemacht (siehe Windkraft weltweit im Aufwind).

Der US-Senat hat seinerseits bereits ein Gesetz zur Förderung der Erneuerbaren verabschiedet, das allerdings auch diverse Pferdefüße enthält. So sollen neue Raffinerien bezuschusst werden, die Treibstoff aus Ölschiefer und Teersänden produzieren. Auch Anlagen zur Kohleverflüssigung sollen gefördert werden, ein Prozess, bei dem besonders viele Treibhausgase entstehen und zudem große Mengen Wasser verbraucht werden. Bush hat – wen wunderts? – angekündigt, dass ihm das Senat-Gesetz besser gefällt. Nun müssen sich die beiden Kammern auf eine gemeinsame Version verständigen, bevor etwas Rechtskräftiges verabschiedet werden kann.

Langsamer Fortschritt vor Borkum

Unterdessen lernt man in Bushs politischer Heimat Texas die ökonomischen Vorzüge der Windenergie zu schätzen. Pacht- und Steuereinnahmen spült im Westen des Staates Dollar in leere Kassen ländlicher Kommunen, die damit endlich wieder in Bildung und andere vernachlässigte Infrastruktur investieren können. Zusätzliche Einnahmen bringen Gäste, die der Bau und Betrieb der Anlagen in die Region bringt.

Texas ist mit 5.800 MW installierter Leistung in den USA führend in puncto Windenergie. Konzerne wie der deutsche Multi E.on investieren Milliardensummen, um den besonders ergiebigen Präriewind zu"ernten". Wenn die nötigen Übertragungsleitungen liegen, sollen die Kapazitäten auf 18.000 MW erhöht werden, aber auch das wird vermutlich nicht das Ende der Fahnenstange sein. (USA überholen Deutschland)

Umspannwerk für Offshore-Windstrom vor Borkum Bild: Stiftung Offshore Windenergie/DOTI

Auch vor der deutschen Küsten beginnt der Ausbau der Windkraft, allerdings mit Verzögerungen. 45 Kilometer vor der westfriesischen Insel Borkum wurde am 27. September die Errichtung eines Umspannwerks abgeschlossen, berichten die Bauherren und künftigen Betreiber des ersten deutschen Offshore-Windparks alpha ventus. Das Umspannwerk soll ab Mitte 2009 den Abtransport des auf See erzeugten Windstroms ermöglichen.

alpha ventus ist ein Gemeinschaftsunternehmen von E.on, EWE und Vattenfall. Geplant sind im Endausbau 1040 MW Leistung, die von 200 bis 300 Anlagen erbracht werden sollen. Eigentlich hätte der erste Bauabschnitt bereits Ende des Jahres fertiggestellt worden, doch zuletzt hatte schlechtes Wetter die Bauarbeiten behindert. Die brauchen nämlich über jeweils den Zeitraum von einigen Tagen eine ruhige See, wofür die Hochdrucklage, die in der letzten Woche über Norddeutschland herrschte und ein paar sonnige und windarme Tage brachte, ideal war.

Bild: Stiftung Offshore Windenergie/Multibrid

Die Windanlagen im Offshore-Park Alpha Ventus sollen auf Dreibeinen, so genannten Tripods stehen, die am Meeresboden verankert werden. Die Konstruktionen werden in Norwegen gefertigt. Das Bild zeigt das Eintreffen der ersten drei Anfang August in Wilhelmshaven.