Mehr als nur Raubkunst: Der Westen und sein koloniales Erbe

Seite 6: Die Vereinigten Staaten und ihre weniger bekannten Territorien

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die interne Kritik an der ständigen Expansion der USA seit der Unabhängigkeit 1776 bissig und witzig. Satirische Zeitschriften wie Puck und Judge nahmen mit einem isolationistischen Unterton das ständige Wachstum des jungen Staates aufs Korn und verwiesen dabei gern auf den Imperialismus und Militarismus des einstigen Kolonialherrn Großbritannien.

Zwischen 1845 und 1853 übernahmen die USA insgesamt 2,45 Millionen Quadratkilometer vom zuvor spanischen Mexiko, etwa ein Drittel ihrer heutigen Fläche und ganze zehn Bundesstaaten umfassend.

Hawaii, mehr als 3.000 km vom amerikanischen Festland entfernt, war seit 1795 ein geeintes Königreich der ursprünglichen Einwohner. Amerikanische Siedler, vor allem Plantagenbesitzer, setzten 1893 mit Hilfe von Marinesoldaten die letzte Königin ab und betrieben den Anschluss an die USA. Über sechs Jahrzehnte blieb Hawaii lediglich ein "Territorium" und wurde erst 1959, kurz nach der Integration des schon 1867 von Russland gekauften Alaska, durch den "Hawaii Admission Act" zum 50. Bundesstaat erklärt.

Trotzdem wurde 1941 der japanische Angriff auf Pearl Harbour als Angriff auf die USA bewertet. Die polynesische Urbevölkerung Hawaiis ist inzwischen auf knapp elf Prozent geschrumpft, viele Asiaten, Japaner, Chinesen und Filipinos sind zugewandert, der Anteil Weißer ist der geringste unter allen Bundesstaaten der USA.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts, nach den großen Übernahmen von Spanien, sprachen die Präsidenten Theodore Roosevelt und Woodrow Wilson noch unverhohlen von ihren Kolonien. Schließlich waren die britischen, französischen und niederländischen Kolonialreiche und das kleinere deutsche noch weit von der Entkolonisierung entfernt.

Aus den politischen Debatten dieser Zeit kann man allerdings auf Widerstand gegen die imperialistische Expansion schließen. Deshalb wurden die Neuerwerbungen auch schon vor dem Ersten Weltkrieg nicht mehr Kolonien, sondern euphemistisch neutral zu "territories" oder "unincorporated territories" umbenannt.

Diese Bezeichnung gilt bis heute für Puerto Rico in der Karibik, das aber offiziell auch als "Commonwealth" oder "Free Associated State" firmiert. Die Bewohner sind schon seit 1917 amerikanische Staatsbürger, allerdings mit eingeschränkter politischer Mitsprache, an den Kongresswahlen nehmen sie nicht teil. Immerhin hat die politische Abhängigkeit die Wirtschaft gefördert, Puerto Rico gehört laut IWF zu den "high-income economies".

Ein besonderes Kapitel sind die rund 900 Militärbasen der USA rund um den Globus. Teilweise sind sie Restkolonien, wie Samoa, das 1899 zwischen Deutschland und den USA aufgeteilt worden war.

Während die deutsche Kolonie im Ersten Weltkrieg verlorenging, besitzen die USA ihren Teil noch immer als "unincorporated territory", die 45.000 Einwohner sind "non-citizen nationals". Die Inselgruppe ging vor einiger Zeit durch die Medien, weil die USA um gute Beziehung mit dem früher deutschen, zwischen 1914 und 1961 von Neuseeland verwalteten und seit 1962 unabhängigen westlichen Teil der Inselgruppe werben. Von American Samoa war in den Medienberichten keine Rede.

Deutlich mehr diskutiert wird der Schwebezustand der japanischen Insel Okinawa. Sie wurde zur amerikanischen Kriegsikone, nachdem sie 1945 nach einer 82-tägigen Schlacht die Endphase der japanischen Niederlage eingeleitet hatte. Während die USA die Besatzung Japans 1952 beendeten, halten sie weiterhin 32 Militärbasen auf Okinawa, von denen vor allem die Air Force im Vietnamkrieg abhängig war.

Wegen der als zunehmend empfundenen Bedrohung durch China und die Nähe zu Taiwan sind die Regierungen in Tokio und Washington über die militärische Bedeutung der Inselgruppe einig und ignorieren regelmäßig die Proteste der Bevölkerung, die den Abzug der Amerikaner fordert.

Die Webseite von World Beyond War listet weltweit insgesamt 901 amerikanische Militärbasen auf, die einzeln aufgerufen werden können, oft auch mit Auskunft über ihren völkerrechtlichen Status.

In Japan und Deutschland ist aus Besatzungsrecht nach dem Zweiten Weltkrieg weitestgehend Einvernehmen mit den Regierungen über die andauernde und oft auch exklusive Nutzung der Basen geworden. World beyond War zeigt allerdings, dass das bei Weitem nicht überall so ist.

Der historische Kolonialismus hat weltweit Spuren hinterlassen, die übrig gebliebene Teile der Territorien immer noch einseitig nützlich machen. Aber die Nachwehen der Entkolonisierung, wie wirtschaftliche Abhängigkeiten, Migrationsprobleme oder Reparationsforderungen bleiben der schwierigere Teil des Erbes.

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