MidCat-Pipeline zur Befreiung von der russischen Gas-Abhängigkeit?
Seite 2: Gas aus Nordafrika für Europa: Die Chancen
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Marokko beschuldigt Algerien immer wieder, die "wahre Konfliktpartei" zu sein, weil es die Westsahara-Befreiungsfront "Polisario" unterstützt. So fließt kein Gas mehr zum Nachbarn Marokko und die Pipeline Maghreb-Europa, die eine Kapazität von 12 Milliarden Kubikmeter im Jahr, wird nicht mehr genutzt. Über sie gelangt auch kein Gas mehr nach Spanien und Portugal.
Die direkte Medgaz-Pipeline kann den Ausfall wahrlich nicht kompensieren, weshalb auch Spanien schon verstärkt auf Flüssiggas-Schiffslieferungen setzt. So wurden im vergangenen Dezember schon fast 70 Prozent des von Spanien importierten Gases als Flüssiggas über Schiffe geliefert. Genau ein Jahr zuvor waren es mehr als 20 Prozentpunkte weniger, womit sich der Ausfall der Pipeline, die durch Marokko führt, sehr deutlich zeigt.
Auch hier steht im Hintergrund ein Versagen der internationalen Gemeinschaft, einen Konflikt friedlich und demokratisch zu lösen. Der erneut offen ausgebrochene Konflikt in der Westsahara hat zudem auch die Zutaten, um sich zu einem regionalen Krieg auszuweiten, was die Energieunsicherheit Europas weiter zuspitzen könnte.
Fast 30 Jahre hat die internationale Gemeinschaft und die UNO-Mission (Minurso) zugeschaut, wie Marokko das im Friedensabkommen mit der Polisario vereinbarte Referendum über die Unabhängigkeit der Westsahara hintertreiben konnte. Man schaute zu, wie Marokko immer stärker auch militärisch provozierte, bis die Polisario schließlich vor 14 Monaten den Waffenstillstand nach fast 30 Jahren beendet hat.
Statt sich klar gegen die Menschenrechtsverletzungen und hinter die UNO-Resolutionen zur Entkolonisierung der letzten Kolonie Afrikas zu stellen, weicht das Außenministerium unter Annalena Baerbock die Linie der Merkel-Regierung weiter auf und fährt einen Schmusekurs gegenüber Marokko.
Algerien ist sogar bereit, die Gaslieferungen nach Europa zu verstärken. So wurde schon die Kapazität der direkten Medgaz-Pipeline durch das Mittelmeer nach Spanien von acht auf zehn Milliarden Kubikmeter im Jahr ausgeweitet. Diese Menge wird aber noch nicht geliefert, derzeit laufen noch Proben. Die Inbetriebnahme der Ausweitung wird seit Monaten immer wieder verschoben.
Doch Algerien ist auch bereit, über die Transmed-Pipeline mehr Gas an Italien zu liefern. In dieser Pipeline gibt es nach algerischen Angaben eine zusätzliche Kapazität von etwa 10 Milliarden Kubikmetern im Jahr, denn die könne bis zu 32 Milliarden liefern. Derzeit würden aber nur 22 Milliarden über Transmed nach Italien geliefert.
Die Frage ist, ob Algerien das alles ohne politische Gegenleistungen tun wird? Es ist zu vermuten, dass Algerien auf einen anderen Kurs gegenüber dem autokratischen Marokko drängen wird. Bekannt ist, dass die EU-Kommission und allen voran der umstrittene Außenbeauftragte Josep Borrell bisher sogar bereit sind, ein Urteil des Gerichts der Europäischen Union (EuG) auszuhebeln.
Denn der EuG hatte die EU wegen eines illegalen bilateralen Abkommens mit Marokko verurteilt und der Polisario recht gegeben. Denn das Abkommen schloss auch die völkerrechtswidrig besetzte Westsahara ein. So hätte die EU jetzt die Möglichkeit, endlich Druck auf Marokko zu machen, um den Krieg in der Westsahara zu beenden.
Grundsätzlich ist Algerien bereit, auch die abgestellte durch Marokko führende Maghreb-Europa Pipeline wieder zu öffnen.
Mit deutlich stärkeren Lieferungen über Transmed nach Italien und über die erneute Öffnung der Pipeline Maghreb-Europa könnte ein Ausfall von Gas aus Russland, sollte es tatsächlich dazu kommen, real gedämpft werden. Denn aus Algerien könnten zusätzlich etwa die Hälfte dessen kommen, was zum Beispiel über Nord Stream 1 ausfallen würde.
Neue Bedeutung der MidCat-Pipeline
Darüber bekäme dann auch die neu auf die Tagesordnung rückende MidCat-Pipeline eine wirkliche Bedeutung, um das algerische Gas nach Zentraleuropa zu pumpen. Derzeit würde über MidCat vor allem der Zugang zu den spanischen und portugiesischen Flüssiggas (LNG)-Terminals verbessert, auf die nun auch der grüne Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck setzt.
Dabei ist gerade LNG, das über Fracking wie vom weltweit größten Gas-Produzenten USA gefördert wird, besonders klimaschädlich. Das hat mit den großen Methanmengen zu tun, die bei der Förderung freiwerden. Zudem müssten zur Verflüssigung 20 Prozent des Schiefergases verbrannt werden, deshalb sei der Treibhausgasfußabdruck von LNG sogar größer als der von Kohle, erklärt der Methan-Experte Robert Howarth, Professor für Umweltforschung an der Cornell University in Ithaca, New York.
Die MidCat-Pipeline bekommt in der LNG-Strategie von Habeck eine besondere Bedeutung. Es ist bekannt, dass Deutschland bisher über keine LNG-Terminals verfügt. In Spanien und Portugal finden sich dagegen schon acht Regasifizierungsanlagen und damit etwa ein Drittel der gesamten europäischen Kapazität.
Es muss also aus Sicht Deutschlands dafür gesorgt werden, dass das LNG, das auf der Iberischen Halbinsel ankommt, auch nach Deutschland geleitet werden kann. Habeck hat, so die Ansicht von Beobachtern, gerade mit einem großen Gasankauf, auch für einen Preisschub gesorgt.
"Habeck lässt Gaspreis auf Rekordhoch springen", titelte n-tv gerade. "Die Bundesregierung hat in einer Überraschungsaktion für 1,5 Milliarden Euro Gas gekauft, das als Reserve in deutsche Erdgasspeicher gefüllt werden soll."
Es soll sich auch dabei um Flüssiggas handeln, das in der Regel aus Übersee per Schiff geliefert wird. Wie viel Gas aus welchen Quellen gekauft wurde, wurde nicht erklärt. Aber man darf davon ausgehen, dass sicher auch Quellen aus den USA dabei sind. Wie Telepolis schon aufgezeigt hatte, sind die USA mit dem dreckigen Fracking-Gas zum weltweit größten Produzenten aufgestiegen. Sie haben ihren klaren Vorsprung vor Russland sogar weiter ausbauen können.
US-Flüssiggasexporte nach Europa nehmen schon seit Jahren deutlich zu. Sie haben sich seit 2018 verdoppelt. LNG-Exporte aus den USA erklimmen immer neue Rekordstände. Im Dezember wurden nach Angaben des Datenanbieters "Refinitiv" 7,14 Millionen Tonnen LNG nach Europa exportiert. Gingen im Dezember noch 61 Prozent der US-Flüssiggasexporte nach Europa, waren es im Januar schon zwei Drittel und 7,3 Millionen Tonnen, die nach Europa verschifft wurden.