Minenfeld Internet Governance

Seite 2: Streitfeld 2: Enhanced Cooperation

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Die Formel "enhanced cooperation" war der Kompromiss, mit dem 2005 Meinungsverschiedenheiten über den Status von ICANN zugedeckt wurden. China und die Gruppe der 77 verband mit dem "Prozess der erweiterten Zusammenarbeit" die Erwartung, dass der irgendwann zur Bildung eines zwischenstaatlichen Aufsichtsgremiums für ICANN führt. Die USA und letztlich auch die Europäer sahen in der Formel mehr eine Aufforderung die bilaterale Zusammenarbeit zwischen den existierenden staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen - ICANN, IETF, RIRs, ITU, UNESCO, WIPO - zu verbessern.

Als die US-Regierung im Oktober 2009 ICANN in die Unabhängigkeit entließ, stellte sich zwangsläufig die Aufsichtsfrage neu. In ICANNs "Unabhängigkeitsabkommen", dem Affirmation of Commitments (AoC), wird aber kein zentralisiertes staatliche Kontrollgremium geschaffen, sondern ICANN wird einer dezentralisierten Aufsicht sogenannter "Review Teams" unterstellt. Die Mitglieder der "Review Teams" kommen aus allen relevanten Stakeholdergruppen und arbeiten gleichberechtigt zusammen.

Dem "Aufsichtsteam", das das ICANN-Direktorium überwacht, gehören z.B. der stellvertretende US Handelsminister Lawrence Strickling, der ehemalige EU Generaldirektor Fabio Colosanti und Zhan Xingshen vom chinesischen Ministerium für Industrie und Informationstechnologie (MIIT) an. Aber auch Willie Curie von der zivilgesellschaftlichen "Association for Progressive Communication" (ACP) oder Erick Iriarte Ahon von ISOC Peru sind gleichberechtigte Mitglieder. Und den Vorsitz hat der Wirtschaftsexperte Brian Cute von Afilias, der zweitgrößten gTLD Registry.

Doch auch diese innovative Form von Multistakeholder-Aufsicht passt nicht allen. Bei den UN-Konsultationen zum Thema "enhanced cooperation" am 14. Dezember 2010 in New York unter Leitung des stellvertretenden UN-Generalsekretärs Sha Zukang kam es zwangsläufig erneut zu Turbulenzen. Einige Regierungen wie Iran oder Saudi Arabien forderten eine direkte staatliche Aufsicht über ICANN während Brasilien, Indien und Südafrika vorschlugen, eine neue zwischenstaatliche Plattform zu schaffen, die den Multistakeholder-Prozess ergänzen (aber nicht ersetzen) soll.

Auch diese Debatte wurde ins Jahr 2011 verschoben. Die 66. UN-Vollversammlung wird sich nun im Herbst 2011 mit den Vorschlägen befassen.