Mit verordneter Amnesie in die neue Weltkriegslage
Seite 4: 3. Der unprovozierte "Zivilisationsbruch"
Dass der Krieg Russlands gegen die Ukraine völlig überraschend über einen hilflosen Westen hereinbrach, ist genauso grotesk. Der Ukraine-Krieg und seine Vorgeschichte sind ausführlich dokumentiert worden, man sehe sich etwa auf den Internetmagazinen Telepolis, Overton und anderen die Beiträge seit Anfang 2020 an, die vor dem herannahenden Krieg warnten und die einzelnen Schritte der westlichen Kriegsvorbereitung – auch in mentaler und kultureller Hinsicht – zum Thema machten.
Und das wurde seit Anfang 2022 fortgesetzt, sieh zuletzt etwa die Informationen darüber, "wie Washington die Kriegsgefahr im Zuge der Osterweiterung in Kauf nahm".
Der Außenpolitik-Experte Jörg Kronauer, Redakteur des Portals German Foreign Policy, hat dazu im Frühjahr 2022 sein Buch "Der Aufmarsch – Vorgeschichte zum Krieg" vorgelegt, das redaktionell bereits vor Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine abgeschlossen wurde und das sich in den militärstrategischen Details als zuverlässig erwies (auch wenn der Autor noch seine Hoffnung auf eine Deeskalation setzte).
Auernheimer hat das jetzt mit seiner Veröffentlichung darüber, wie Russlands Nachbar zum Kriegsschauplatz wurde, fortgesetzt. Der Autor bietet eine ausgezeichnete Übersicht über die Fakten, die in der politischen Öffentlichkeit regelrecht unterschlagen werden.
Die Empörung über den russischen Angriffskrieg – die es in dieser Form bei den Nato-Völkerrechtsverstößen oder Angriffskriegen nie gegeben hat – sei leicht zu erzeugen gewesen, so der Autor, da die meisten Menschen im Westen "nichts von den Angriffen der Ukraine auf Städte und Dörfer seit 2014 wussten, nichts wissen konnten, weil die Medien darüber nie berichtet hatten.
Der Anschluss der Krim an die Russische Föderation war zur Annexion erklärt worden, ohne dass jemals in Reportagen und Berichten die Interessenlage der dortigen Bevölkerung geprüft worden wäre".
Den geopolitischen und geschichtlichen Kontext des Konflikts, Details zu den gigantischen Aufrüstungsmaßnahmen des Westens trägt Auernheimer nach; er informiert über den Putsch des Euro-Maidan und die nachfolgenden "antiterroristischen" Operationen, mit denen die Kiewer Führung im Grunde eine ethnische Säuberung des Landes, nämlich seine Befreiung vom russischen bzw. russischsprachigen Einfluss und eine völkisch strikt abgegrenzte Nationenbildung durchsetzen wollte.
Dazu gibt es auch Rückblicke auf die verhängnisvolle nationalistische Tradition der ukrainischen Staatsgründungsaktivisten. Eine Tradition, die im Westen meistens verharmlost wird, da sich die einstmals starken neofaschistischen Kräfte in der Ukraine nicht mehr als eigene politische Kraft formieren, sondern in den Staats- und Militärapparat integriert wurden.
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