Mit verordneter Amnesie in die neue Weltkriegslage

Seite 2: 1. Die Rückkehr des Krieges

Die Klage, dass der Krieg nach Europa zurückgekehrt sei, ist von einer derart dreisten Verlogenheit, dass selbst entschiedene Fürsprecher einer Aufrüstung wie Norbert Röttgen, sozusagen im Kleingedruckten, zugeben müssen, dass man sich, wenn man wollte, natürlich an einschlägige Militäraktionen in "unserer" Welt erinnern könnte.

Hier wäre etwa die Rolle Großbritanniens im Nordirland-Konflikt zu erwähnen. Seit 100 Jahren und daher auch seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat die britische Armee in ihrer ehemaligen Kolonie Irland Unabhängigkeitsbestrebungen brutal bekämpft, zahlreiche "Kollateralschäden" an der Bevölkerung verursacht und Kriegsverbrechen begangen, die teilweise bis in die Gegenwart hinein einer Aufarbeitung harren.

"Der Umgang mit mutmaßlichen Verbrechen durch britische Militärangehörige ist eines der heikelsten Themen des nordirischen Friedensprozesses", schrieb vor gar nicht langer Zeit der Spiegel, als weitere Details zu Massakern an der Bevölkerung vor 50 Jahren – neben dem berüchtigten Blutsonntag in Derry – bekannt wurden. (Man stelle sich nur einmal vor, Putins Kriegsverbrechen würden auch erst ein halbes Jahrhundert später vor Gericht gebracht …)

Sachlich näher liegend ist natürlich der Kosovo-Krieg von 1999, an dem sich Deutschland beteiligte, nachdem es den Separatismus im jugoslawischen Gesamtstaat – gerade auch durch ein Vorpreschen gegenüber den (zeitweise verstimmten) europäischen Verbündeten – jahrelang befeuert und durch einen ersten Militäreinsatz in Bosnien seine Rolle als Aufsichtsmacht zur Neuordnung des Kontinents bekräftigt hatte.

Durch den Wegfall des Ostblocks hatten sich in diesem Bereich neue Eingriffsmöglichkeiten eröffnet, die mit diplomatischen, im Notfall aber auch militärischen Mitteln zum Erfolg geführt werden sollten.

Diese auch von "Deutscheuropa" organisierte Neuordnung von Grenzen, Einflusszonen und Statuszuweisungen bildet zugleich einen der Ausgangspunkte für den Konflikt, den die Welt derzeit in der Ukraine erlebt.

Adressiert und mit massiver Aufrüstung sowie Nato-Erweiterung fundamentiert war dies an den postsowjetischen Staat, dem seine Zurückstufung zur "Regionalmacht" (Barack Obama) vor Augen geführt werden sollte.

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