Mord im Auftrag des US-Präsidenten
Angeblich soll US-Präsident Bush der CIA eine schriftliche Genehmigung zur Ausführung gezielter Tötungsanschläge auf mutmaßliche Terroristen erteilt haben
Was Vizepräsident Cheney bereits kurz nach den Anschlägen vom 11.9. deutlich gemacht hat (Lizenz zum Töten) und was die US-Regierung seitdem auch demonstriert hat (Uncle Sam und die "Snatch Option" des Präsidenten), ist es jetzt explizit zur offiziellen Politik geworden: Der amerikanische Geheimdienst CIA darf nicht nur auf der ganzen Welt die neuen Outlaws der wirklichen oder auch nur vermeintlichen Terroristen jagen, sondern sie auch kurzerhand töten. Damit hat die US-Politik das Stadium erreicht, Terroranschläge mit staatlichen legitimierten Anschlägen zu kontern (oder auch zu provozieren).
Auch die CIA hat im Zeitalter des Internet ein größeres Mitteilungs- oder auch ein größeres Rechtfertigungsbedürfnis und will nun ihre Kompetenzen ein für alle Mal klarstellen, aber auch den Behauptungen entgegen treten, man habe Usama Bin Ladin zur Macht verholfen oder sei mit ihm in Kontakt gestanden.
Terrorism FAQs der CIA
Immerhin hat Zbigniew Brzezinski, der ehemalige Sicherheitsberater des diesjährigen Friedensnobelpreisträgers Jimmy Carter, in einem Interview (engl.) 1998 bestätigt, dass die CIA schon im Sommer 1979, ein halbes Jahr vor dem Einmarsch der Russen in Afghanistan, die Mudschaheddin unterstützt hatte. Damit habe man auch die Absicht verfolgt, die Sowjets in die Falle zu locken und ihnen ein sowjetisches Vietnam zu bescheren. Konkret zur Unterstützung muslimischer Rebellen bzw. Terroristen nach heutigem Verständnis äußert man sich beim CIA natürlich nicht, versichert aber, dass es entgegen mancher "Unterstellungen" keinerlei Beziehungen zu Bin Ladin gegeben habe. Das mag man nun glauben oder auch eher nicht. Und ob das direkt oder über den pakistanischen Geheimdienst oder wie auch immer vonstatten gegangen ist, spielt keine erhebliche Rolle angesichts der unglaubwürdigen Reinwaschsungsanstrengungen, die in nichts manchen rückhaltslosen Aufklärungsritualen hierzulande gleichen.
Angeblich, so versichert man dem Leser, sei die CIA auch niemals daran gehindert worden, Menschen zu beschäftigen, die Verbrechen, Menschenrechtsverletzungen oder andere schlimme Dinge getan haben. Das mag in der Praxis stimmen, gleichwohl hatte 1975 der amerikanische Präsident Gerald Ford nach zahlreichen, mitunter auch sehr peinlichen Eskapaden des CIA eine "Executive Order" (11905) erlassen, in der es jedem, der für die amerikanische Regierung arbeitet, verboten wurde, sich an Mordanschlägen zu beteiligen. Bestätigt wurde dieser Befehl durch weitere "Executive Orders" der Präsidenten Jimmy Carter und Ronald Reagan.
Bei der CIA beteuert man, man habe bislang auch nur die Genehmigung vom CIA-Hauptquartier einholen müssen, "um eine Beziehung mit einem Menschen zu etablieren, der schwere Verbrechen, Menschenrechtsverletzungen oder andere abstoßende Taten begangen hat". Jetzt könnten die CIA-Bereichsleiter ohne Genehmigung selbst derartige Beziehungen aufnehmen, wenn diese Zugang zu wichtigen Informationen über Gefahren für die USA und ihre Alliierten haben. Wichtiger aber sei es, Undercover-Agenten in die Terrornetzwerke einzuschleusen oder dort Mitarbeiter zu finden.
Schön ist natürlich, dass die CIA sich eine Terrorismusdefinition zu eigen gemacht hat, die so etwas wie staatlichen Terrorismus ausschließt: "Der Begriff Terrorismus bedeutet absichtlich begangene, politisch motivierte Gewalt, die gegen nichtkämpfende Ziele von subnationalen Gruppen oder heimlich arbeitenden Agenten ausgeführt, um normalerweise ein Publikum zu beeinflussen." Allerdings könnten, wenn CIA-Agenten sich an Anschlägen beteiligen, sie dennoch eigentlich auch als Terroristen bezeichnet werden, wenn ihr Opfer nicht bewaffnet ist.
Mordanschlag auf Terroristen
Wie die New York Times berichtet, hat die Bush-Regierung alle mutmaßlichen Terroristen zum Abschuss freigegeben, nicht nur eine Liste mit führenden Terroristen. Diese gelten allerdings als die primären Feinde, die von der CIA getötet werden dürfen, wenn sie anders nicht ergriffen werden können oder ansonsten weniger Zivilisten gefährdet würden. Bekannt geworden ist die Genehmigung des Präsidenten anlässlich des Anschlags im Jemen, bei dem mittels einer ferngesteuerten Predator-Drohne ein Jeep mit fünf angeblichen al-Qaida-Mitglieder zerstört wurde (Lizenz zum Töten auf dem globalen Schlachtfeld). Mit den Möglichkeiten eines gezielten Mords aus der Ferne sinkt offenbar auch die Hemmschelle, weltweit Anschläge ausführen zu wollen (Schuss aus der Ferne).
Angeblich habe Präsident Bush der CIA eine schriftliche Genehmigung zum Mord bei ihren Einsätzen erteilt. Diese soll, wie erfordert, auch den führenden Kongressmitgliedern vorgelegt worden sein. Allerdings schien man darüber weder im Weißen Haus noch bei der CIA reden zu wollen. Auf der Liste stehen Bin Ladin oder sein enger Vertrauter Al-Zawahiri, aber auch Angehörige anderer Terrorgruppen. Sie wird offensichtlich immer wieder auf den neuesten Stand gebracht und soll nur Personen aufführen, gegen die angeblich überzeugende Beweise vorliegen.
Die Anordnungen der früheren Präsidenten zu diesem Thema wurden von Bush allerdings nicht formell aufgehoben. Auch ein neues Gesetz, wie es der republikanische Kongressabgeordnete Bob Barr vorausschauend schon Anfang März 2001 unter dem Titel "Terrorist Elimination Act" (HR 19) eingebracht hat, ist auf diese Weise nicht notwendig (Lizenz zum Töten). Ob aber die Bezeichnung von al-Qaida-Mitgliedern oder anderen mutmaßlichen Terroristen als "feindliche Kämpfer", gegen die wie im Krieg tödliche Gewalt angewendet werden kann, mehr ist als nur eine scheinrechtliche Legitimation für willkürlich staatlich ausgeführte gezielte Mordanschläge auf Verdächtige in der ganzen Welt sei dahin gestellt. Gleichzeitig werden die "feindlichen Kämpfer" auch nicht dem Kriegsrecht unterworfen, sondern gelten der US-Regierung als Freiwild, auch wenn es sich um US-Bürger handelt. Die gezielten Tötungen, die von Israel seit langem durchgeführt werden, werden von der US-Regierung aber noch - wenig überzeugend allerdings - verurteilt (Lizenz zum Töten auf dem globalen Schlachtfeld).
Angeblich seien, so sagte CIA-Chef George Tenet, ein Drittel der al-Qaida-Führer, die man vor dem Krieg gegen Afghanistan ausgemacht hatte, getötet oder gefangen genommen worden. Dabei erwähnte er als besonderen Erfolg an erster Stelle auch die Tötung der fünf Menschen in Jemen durch die Predator-Drohne, da einer von diesen für die Anschläge auf die Botschaften in Afrika und den Zerstörer Cole gewesen sei. Insgesamt seien 3.000 mutmaßliche al-Qaida-Mitglieder in mehr als 100 Ländern festgenommen worden.
Und wenn schon die CIA sich mit solchen Erfolgen brüstet, will auch das FBI nicht zurückstehen. Über 100 beabsichtigte kleine oder größere Anschläge habe man seit dem 11. September abwehren können, erzählt FBI-Chef Robert Mueller. Besonders wies er auf die Ergreifung des US-Bürgers Padilla hin, der angeblich einen Anschlag mit einer radioaktiven Bombe ausführen wollte (Über dreckige Bomben und Saubermänner). Hinweise darauf konnte das FBI aber nicht vorlegen, dafür wurde Padilla schnell der Gerichtsbarkeit entzogen und als "feindlicher Kämpfer" in ein Militärgefängnis gesperrt (UN-Charta ist veraltet). Mueller warnte auch davor, dass es in den USA noch einige Hundert potenzielle Terroristen geben soll.