Müll ist sexy

Was Telesprees Wegwerftelefon von der Macht der Ideen erzählt

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Es soll noch Menschen geben, die es schick finden, ihr Mobiltelefon in verschiedene Umhüllungen zu pressen. Je nach Jahreszeit in bunte, düstere, weihnachtliche oder sonstwelche. Dieses Treiben zeugt von beinahe ebenso großen Geschmackssicherheit wie das in einer fernen Zeit beliebte Batiken von T-Shirts. Stil hingegen beweist, wer sein Mobiltelefon einfach wegwirft und sich ein neues am Automaten zieht, weil "supreme violet" doch eher die Farbe des Herbstes ist als "laser red".

Solch welterfahrene Dekadenz werden Ende dieses Jahres Amerikaner ausleben können. Für weniger als 30 Dollar will das Unternehmen Telespree Wegwerfmobiltelefone in Gemüseläden, Tankstellen, Supermärkten und natürlich an Automaten verkaufen. Zum Telefonieren zieht man sich für wenige Dollar einen "AirClip", der aus Batterie und Chip mit Gesprächseinheiten besteht. Zum Telefonieren gibt es nur einen Knopf, die Nummer gibt man dann per Stimme an. Angerufen werden kann man nicht, aber wer will das schon. Es geht beim Wegwerftelefon schließlich um die Freiheit, selbst das zu tun und zu lassen, was man will - nicht darum, von unerwünschten Anrufern in eben dieser beschränkt zu werden.

Telesprees Wegwerftelefon gießt Joseph Schumpeters Wettbewerbstheorie in flaches, geschwungenes Plastik, in scuba blue, calypso green, night sky blue. Schumpeter sah auf Märkten nicht hauptsächlich Anbieter miteinander konkurrieren, sondern neue mit alten Technologien. Das Telefonieren ist heute ja nur noch interessant, weil es kaum etwas kostet. Die Ästhetik von Telesprees Sprechstangen gesteht das zum ersten mal ein. Nokia hingegen umhüllt einige seiner Telefonmodelle mit einer glänzenden Metallhaut, um ihnen elitäre Hochwertigkeit zu verleihen. Telespree drückt uns ein Stück buntes Plastik in die Hand und verkündet ganz offiziell: "Es ist so günstig, dass man es wegwerfen kann."

Billig ist sexy. Nicht ohne Grund ähnelt das Design dem iMac, der billigsten Computerreihe für den Low-End Markt von Apple. Erst dem Design von Telesprees Telefon ist die Erkenntnis der Aktualität Schumpeters für die Telekommunikations- und Computerindustrie zu verdanken. Seit Jahren schon hat auf diesem Feld Adam Smiths Wettbewerbstheorie ein Monopol. Für Smith fand Wettbewerb allein zwischen Marktteilnehmern, nicht zwischen Ideen statt. Der Kartellprozess gegen Microsoft beruht ja im wesentlichen auf der Annahme, hier könnte ein Unternehmen seine Marktmacht missbraucht haben. Über Ideen wird nicht verhandelt.

Nur: Der Missbrauch Microsofts war nicht unbedingt ein Nachteil für den Konsumenten. Der bekommt Microsofts Programme mit jedem Computer fast geschenkt. Selbst wenn Microsoft ein Monopol hatte, genutzt wurde es nicht dem klassischen Denken Smiths folgend, um Preise zu erhöhen. Im Gegenteil: Der Internet-Browser wurde sogar verschenkt. Denn Microsoft fürchtete, sich gegen die destruktive Kraft das Neuen zu stellen.

Gerade angesichts der momentan schicken Stänkerei über die New Economy darf die Bedeutung von Ideen nicht unterschätzt werden. Schließlich hat AOL Time Warner gekauft, schließlich hat das Start-Up Qwest den regionalen US-Telefonmonopolisten US West übernommen. Diese Unternehmen hatten die kreative Zerstörungskraft des Neuen auf ihrer Seite. Dass Unternehmen pleite gehen ist normal. Müll ist sexy. Diese Erkenntnis ist einem kaum 30 Dollar teuren Stück Plastik zu verdanken. Zu schade zum Wegwerfen eigentlich.