Musk gegen EU: Schlagabtausch um Meinungsfreiheit und Transparenz

Ein großes "X" und dahinter das Twitter-Symobl, in der Mitte, unscharf, ein Porträt von Elon Musk

Omar ElDeraa / Shutterstock.com

Desinformation, DSA und Informationskampf: X-Chef Elon Musk wirft EU illegalen Geheimdeal vor, ein Machtkampf entbrennt. Ist er Opfer oder Täter?

Der indiskrete Herr Elon Musk postete gestern auf seiner Plattform X Interessantes über Verhandlungen in geschlossenen Gesellschaften:

Die Europäische Kommission bot 𝕏 einen illegalen Geheimdeal an: Wenn wir still und leise Texte (i.O. speech) zensieren würden, ohne es jemandem zu sagen, würde sie uns keine Geldstrafe auferlegen. Die anderen Plattformen haben dieses Angebot angenommen. X tat es nicht.

Elon Musk

Die Indiskretion ließ einige aufhorchen.

Musk reagierte damit auf einen Vorwurf der EU, der eine Strafandrohung impliziert. Den Vorwurf macht ihm Margrethe Vestager. Die EU-Wettbewerbskommissarin schreibt, dass Musks Plattform nach Ansicht der EU, "in wichtigen Bereichen der Transparenz nicht den Anforderungen des DSA entspricht".

Es führt die Nutzer in die Irre, bietet kein adäquates Ad-Repository und blockiert den Zugang zu Daten für Forscher. Dies ist das erste Mal, dass wir vorläufige Feststellungen im Rahmen des Gesetzes über digitale Dienste treffen.

Margrethe Vestager

Die EU geht da in einen Machtkampf. Man droht mit einer Millionen-Strafe, falls Anforderungen nicht erfüllt werden. Wenn sich die Ansicht der EU bestätige, werde man "Geldbußen verhängen und erhebliche Änderungen verlangen", wird EU-Industriekommissar Thierry Breton vom ZDF zitiert.

Es seien Strafzahlungen von bis zu sechs Prozent des weltweiten Jahresumsatzes möglich, so der Senderbericht. Für 2023 nennt Statistica einen Umsatz von 3,4 Milliarden US-Dollar für X.

Irreführung durch blaue Haken

Zu den Vorwürfen der EU gehört die Sache mit den blauen Haken. Dort sieht man Möglichkeiten der Irreführung der Nutzer.

Die Gestaltung der Plattform kann Nutzer laut Kommission in die Irre führen. Konkret wirft sie X vor, dass Nutzer nicht sicher sein könnten, dass die mit einem blauen Haken markierten verifizierten Nutzerkonten auch authentisch seien.

Bei Twitter wurden die weiß-blauen Häkchen-Symbole zur Verifizierung früher nach einer Prüfung durch das Unternehmen an Prominente, Politiker und Personen des öffentlichen Lebens vergeben. Das ist auch die gängige Praxis bei anderen Online-Diensten.

Musk führte hingegen ein, dass alle Abo-Kunden (Herv. D. A.) Häkchen bekommen, die so aussehen wie früher. Insbesondere unmittelbar nach der Umstellung gab es mehrfach Ärger, weil falsche Accounts von Unternehmen und Prominenten plötzlich echt wirkten.

Die Kommission teilte nun mit, es gebe Hinweise darauf, dass böswillige Akteure solche vermeintlich verifizierten Konten auf X missbrauchten, um andere Nutzer zu täuschen.

ZDF

Betont wird aber auch, dass die Untersuchungsergebnisse "noch vorläufig seien" und, so Breton, X jetzt das Recht habe, sich zu verteidigen.

Musk antwortet mit Gegenangriff

Die Verteidigung Musks ist ein Gegenangriff auf einem höheren, empfindlicheren und sehr viel teureren Level, wo es grundsätzlich um die Glaubwürdigkeit von Informationen und den Interessen der Beteiligten geht. So packt er auch gleich das große Trigger-Wort in diesem Kampf aus.

"The DSA IS misinformation!", postete Musk unter Vestagers Vorwurf an seine Plattform.

Das ist eine Retourkutsche, die mit der Macht der Plattform und der ihr eigenen Waffen agiert. Musk erspart sich eine Begründung. Die muss er auf X auch gar nicht liefern, weil er weiß, dass es dort eine große Menge an Nutzern gibt, die der Politik der EU misstrauen, ganz besonders, wenn es um ihre Informationspolitik und das Eingreifen der EU in Informationsangebote geht.

"So wird neuerdings der Schutz der Demokratie angeführt, um Brüssel direkte Eingriffe in die Medien zu erlauben", geben auch fundierte Kritiker der neuen Internet- und Mediengesetze der Europäischen Union zu bedenken. Die Warnung vor dem "Big Brother aus Brüssel" hat Argumente.

DSA in der Kritik

Auch das Digital Services Act Paket (DSA) steht in der Kritik, wie sie etwa Eric Bonse in seiner Analyse formuliert. Dort führt er aus, dass die Artikel 34 ("Risikobewertung") und 36 des DSA ("Krisenreaktionsmechanismus") vage Generalklauseln enthalten, die als indirekter Eingriff in die Meinungsfreiheit gewertet werden können.

Der Vorwurf: Es würden wirtschaftliche und politische Aspekte miteinander verknüpft, um Spielräume für eine strenge Kontrollpolitik zu eröffnen.

Vor diesem Hintergrund und dem der Vorwürfe über nicht wirklich transparente Vorgänge in der EU, die mit erklecklichen Geldsummen verquickt sind, hat Musks Insider-Petze von einem Geheimdeal mit der EU einen Enter-Haken in der Debatte, der größer ist die kleinen blauen X-Häkchen.

Da stellen sich Fragen – auch gediegenen Journalisten.