Mzoudi-Prozess: Freispruch vom BGH bestätigt
Karlsruher Richter bekräftigten Urteil im zweiten Hamburger Al-Qaida-Prozesses
Knapp zwei Jahre nach Beginn des weltweit zweiten Gerichtsverfahrens im Zusammenhang mit den Anschlägen vom 11. September 2001 gegen Abdelghani Mzoudi bestätigte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe am vergangenen Donnerstag den Freispruch vom 5. Februar 2004 (An die Grenzen der Wahrheitsfindung gestoßen). Zur Begründung gab der Vorsitzende Richter Klaus Tolksdorf an, nach den Maßstäben des Gerichts weise die Würdigung der Beweise durch das Hamburger Oberlandesgericht (OLG) keine Rechtsfehler auf.
Am 14. August 2003 begann vor dem Hamburger OLG der Prozess gegen Abdelghani Mzoudi, der sich zu dem Zeitpunkt in U-Haft befand. Dem marokkanischen Studenten, der Elektrotechnik an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg-Harburg studierte, wurde Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung sowie die Beihilfe zum Mord in mehr als 3.000 Fällen vorgeworfen. Die Bundesanwaltschaft (BAW) begründete die beiden Anklagepunkte mit Mzoudis Aufenthalt in einem Al-Qaida-Ausbildungslager in Afghanistan sowie dessen enger Freundschaft zu Mounir El-Motassadeq, dem Angeklagten im ersten Hamburger Al-Qaida-Prozess und den beiden vermeintlichen Todespiloten vom 11. September 2001, Mohammed Atta und Marwan Al Shehhi.
Am 11. Dezember 2003 wurde Mzoudi überraschend aus der U-Haft entlassen. Grund dafür war das ein Fax, das dem Gericht vom Bundeskriminalamt zugestellt wurde (Fax vom BKA). In diesem „Fax in die Freiheit“ (taz Hamburg) wurde mitgeteilt, dass Mzoudi vermutlich nicht in die Attentatspläne eingeweiht gewesen sei. Dies habe eine „Auskunftsperson“ ausgesagt, die sich im Gewahrsam der US-Geheimdiensten befände und von ihnen verhört worden sei. Es wurde allgemein angenommen, dass damit Ramzi Binalshibh gemeint war. Der war ebenfalls Student in Harburg und mit Atta und Co eng befreundet. Nach dem 11. September 2003 hatte er sich in einem Al-Dschasira-Interview als Drahtzieher der Anschläge bezeichnet. Daraufhin wurde weltweit nach ihm gefahndet und er angeblich im September 2002 vom CIA verhaftet. Niemand weiß, wohin er nach seiner Festnahme gebracht wurde und unter welchen Bedingungen die Verhöre stattfanden. Die US-Behörden weigerten sich beharrlich, den Zeugen von den deutschen Kollegen vernehmen zu lassen, bzw., dem Hamburger Gericht beweiskräftiges Material, z.B. die Protokolle von dessen Verhören, zur Verfügung zu stellen. Dabei warteten alle gespannt darauf. Die Bundesanwaltschaft, weil sie glaubte, damit sei die Schuld Mzoudis eindeutig zu belegen, die Verteidigung, weil sie davon ausging, dass das Material ihren Mandanten entlasten würde.
Während der Verfahrens wurde u.a. Jürgen Maurer vom Bundeskriminalamt (BKA) vernommen. Dieser bestätigte den Inhalt des BKA-Faxes, gab darüber hinaus an, seiner Dienststelle läge auch belastendes Material gegen Mzoudi vor. Dieses dürfe jedoch aufgrund der von den USA verhängten Nachrichtensperre nicht in das Verfahren eingeführt werden (Doch keine Hamburger Terrorzelle!).
Unterdessen ist in Hamburg auch das lang ersehnte „Material“, die Zusammenfassung der Protokolle der Verhöre von Binalshibh, angekommen. Die wurden dem OLG Ende Mai 2005 zur Verfügung gestellt und in das Verfahren gegen Mounir El-Motassadeq eingeführt. Der musste sich ab dem 22. Oktober 2002 als weltweit erster Angeklagter im Zusammenhang mit den Anschlägen vom 11. September 2001 wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung sowie Beihilfe zum Mord in mehr als 3.000 Fällen vor dem Hamburger OLG verantworten (Never Ending Story Al Qaida).
Das Gericht hat jetzt zu klären, welche Auswirkungen das „Material“ auf das Verfahren hat. Zunächst einmal wird die Frage zu beantworten sein, ob es überhaupt prozessrelevant ist. Die einzige Gemeinsamkeit aller Prozessbeteiligten in diesem Verfahren ist die Vermutung, dass Binalshibhs Aussagen unter Anwendung von Methoden zustande gekommen sind, die vor deutschen Gerichten keinerlei Bestand haben würden. Der Mzoudi-Freispruch wird vermutlich ebenfalls Auswirkungen auf den weiteren Verlauf des Motassadeq-Verfahrens haben.
Das Verfahren gegen Mzoudi ist jetzt endgültig beendet und der Hamburgische Innensenator Nagel wird vermutlich dessen Abschiebung nach Marokko anordnen (Hamburg will "gewaltbereite Islamisten" abschieben). Die Harburger Uni konnte gerichtlich durchsetzen, dass Mzoudi dort nicht mehr studieren darf. In dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Hamburg (OVG) heißt es zur Begründung: „Das Studierverbot ist ein geeignetes Mittel, einer Verfestigung seines Aufenthaltes im Bundesgebiet über das nötige Maß hinaus entgegenzuwirken.“ Mzoudi hatte aufgrund seines Studentenstatus eine Aufnahmegenehmigung erhalten, die inzwischen erloschen ist.