Nach Nuland-Rücktritt: Planen USA Krieg gegen Russland oder kommt Plan B?

Stellvertretende US-Außenministerin Victoria Nuland, US-Präsident Joe Biden, US-Außenminister Antony Blinken. Bilder: Flickr, DoD, Department of State

Kriegs-Hardlinerin ist nicht mehr da. Das könnte die Tür öffnen für Verhandlungen. Gleichzeitig laufen andere, gefährliche Vorbereitungen. Gastbeitrag.

Präsident Joe Biden begann seine Rede zur Lage der Nation mit einer eindringlichen Warnung, dass die Nichtverabschiedung seines 61 Milliarden Dollar schweren Waffenpakets für die Ukraine "die Ukraine, Europa und die freie Welt in Gefahr bringen wird".

Medea Benjamin ist die Mitbegründerin der US-Friedensorganisation Codepink und Buchautorin.

Es hätte eine kurze Kriegsgeschichte sein können

Aber selbst wenn die Forderung des US-Präsidenten plötzlich Erfolg zeitigte, würde es den brutalen Krieg, der die Ukraine zerstört, nur verlängern und gefährlich eskalieren.

Die Annahme der politischen Elite in den USA, Biden habe einen realisierbaren Plan, um Russland zu besiegen und die Grenzen der Ukraine von vor 2014 wiederherzustellen, hat sich als ein weiterer Traum des US-Triumphalismus erwiesen, der sich in einen Albtraum gewandelt hat.

Die Ukraine ist nach Nordkorea, Vietnam, Somalia, Kosovo, Afghanistan, Irak, Haiti, Libyen, Syrien, Jemen und jetzt Gaza ein weiteres in sich geborstenes Mahnmal für den militärischen Wahnsinn Amerikas.

Es hätte einer der kürzesten Kriege der Geschichte werden können, wenn Präsident Biden einfach ein im März und April 2022 in der Türkei ausgehandeltes Friedens- und Neutralitätsabkommen unterstützt hätte, das laut dem ukrainischen Unterhändler Oleksij Arestowytsch in Kiew bereits die Sektkorken knallen ließ.

Chance auf Plan B

Stattdessen entschieden sich die USA und die Nato dafür, den Krieg zu verlängern und zu eskalieren, um zu versuchen, Russland zu besiegen und zu schwächen.

Zwei Tage vor Bidens Rede zur Lage der Nation kündigte US-Außenminister Blinken den vorzeitigen Rücktritt der amtierenden stellvertretenden Außenministerin Victoria Nuland an, eine der Hauptverantwortlichen für ein Jahrzehnt katastrophaler US-Politik gegenüber der Ukraine.

Zwei Wochen vor der Ankündigung von Nulands Rücktritt im Alter von 62 Jahren räumte sie in einem Vortrag am Center for Strategic and International Studies (CSIS) ein, dass der Krieg in der Ukraine zu einem Zermürbungskrieg verkommen sei, den sie mit dem Ersten Weltkrieg verglich. Und sie gab zu, dass die Biden-Regierung keinen Plan B für die Ukraine habe, falls der Kongress nicht 61 Milliarden Dollar für weitere Waffen bereitstelle.

Wir wissen nicht, ob Nuland gezwungen wurde, ihr Amt aufzugeben, oder ob sie vielleicht aus Protest gegen eine Politik, für die sie gekämpft und die sie nicht durchsetzen konnte, gegangen ist. In jedem Fall öffnet ihr Abgang die Tür für andere, um den dringend benötigten Plan B für die Ukraine zu entwickeln.

Die Macron-Äußerung

Es muss darum gehen, einen Weg aus diesem hoffnungslosen, aber immer weiter eskalierenden Zermürbungskrieg zurück an den Verhandlungstisch zu finden, den die USA und Großbritannien im April 2022 verlassen haben – oder zumindest zu neuen Verhandlungen auf der Grundlage, die der ukrainische Präsident Selenskyj am 27. März 2022 festlegte, als er seinem Volk erklärte: "Unser Ziel liegt auf der Hand: Frieden und die Wiederherstellung eines normalen Lebens in unserem Heimatstaat so bald wie möglich."

Stattdessen erklärte der französische Präsident Emmanuel Macron am 26. Februar auf beunruhigende Weise – und zeigte damit, wohin die derzeitige Politik der Nato führt –, dass die europäischen Staats- und Regierungschefs bei ihrem Treffen in Paris die Entsendung einer größeren Anzahl westlicher Bodentruppen in die Ukraine erörterten.

Macron wies darauf hin, dass die Nato-Mitglieder ihre Unterstützung kontinuierlich auf ein Niveau erhöht haben, das zu Beginn des Krieges noch undenkbar war. Er hob das Beispiel Deutschlands hervor, das der Ukraine zu Beginn des Konflikts nur Helme und Schlafsäcke zur Verfügung stellte und nun sagt, die Ukraine brauche mehr Raketen und Panzer.

Die Leute, die heute „niemals“ sagen, sind die gleichen, die sagten „niemals“ Flugzeuge, „niemals“ Langstreckenraketen, „niemals“ Fahrzeuge. All das haben sie schon vor zwei Jahren gesagt,

erinnerte Macron. "Wir müssen Demut zeigen und erkennen, dass wir immer sechs bis acht Monate zu spät dran waren.“

Der Aufschrei

Macron deutete an, dass die Nato-Länder im Zuge der Eskalation des Krieges möglicherweise ihre eigenen Streitkräfte in die Ukraine entsenden müssen. Er argumentierte, dass sie das eher früher als später tun sollten, wenn sie die Initiative in diesem Krieg zurückgewinnen wollen.

Allein die Vorstellung, dass westliche Truppen in der Ukraine kämpfen könnten, löste einen Aufschrei sowohl innerhalb Frankreichs – von der rechtsextremen Rassemblement National bis zur linksgerichteten La France Insoumise – als auch in anderen Nato-Ländern aus.

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz betonte, dass die Teilnehmer des Treffens "einhellig" gegen die Entsendung von Truppen seien. Russische Beamte warnten, dass ein solcher Schritt einen Krieg zwischen Russland und der Nato bedeuten würde.

Doch als der Präsident und der Premierminister Polens am 12. Februar zu einem Treffen im Weißen Haus nach Washington reisten, erklärte der polnische Außenminister Radek Sikorski vor dem Parlament in Warschau, dass die Entsendung von Nato-Truppen in die Ukraine "nicht undenkbar" sei.

Wollte Macron Geheimhaltung beenden?

Macrons Absicht mag genau darin bestanden haben, diese Debatte in die Öffentlichkeit zu tragen und die Geheimhaltung zu beenden bezüglich der nicht-offizielle Politik der schrittweisen Eskalation hin zu einem umfassenden Krieg mit Russland, die der Westen seit zwei Jahren verfolgt.

Macron versäumte es, öffentlich zu erwähnen, dass die Nato-Truppen bereit beim derzeitigen politischen Kurs tief in den Krieg verwickelt sind. Unter den vielen Lügen, die Präsident Biden in seiner Rede zur Lage der Nation erzählte, bestand er darauf, dass sich "keine US-Soldaten in der Ukraine im Krieg befinden".

Die im März 2023 durchgesickerten Pentagon-Dokumente gehe jedoch davon aus, dass bereits mindestens 97 Nato-Spezialeinheiten in der Ukraine im Einsatz sind, darunter 50 Briten, 14 Amerikaner und 15 Franzosen.

Admiral John Kirby, der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates in den USA, hat auch eine "kleine US-Militärpräsenz" in der US-Botschaft in Kiew bestätigt, die versuche, den Überblick über Tausende Tonnen von US-Waffen zu behalten, die in der Ukraine ankommen.