Netanjahu will Krieg gegen den Iran: Warum Biden ihn unbedingt daran hindern sollte
Seite 2: Hardliner in USA und Israel sehen ihre Stunde gekommen
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Die sogenannten "Falken" in den USA und Israel sehen in dem von Netanjahu bewusst provozierten Vergeltungsschlag Irans nun die Möglichkeit gekommen, einen lange gehegten Plan Wirklichkeit werden zu lassen.
Ein Krieg mit dem Iran wird von Netanjahu bereits seit zwei Jahrzehnten ins Visier genommen. Immer wieder versuchte er auf verschiedene Weise US-Präsidenten unter Druck zu setzen und nuklearen Alarm gegen Teheran auszulösen, um Washington zu militärischen Angriffen gegen den Iran zu bewegen.
Doch die unterschiedlichen US-Regierungen unternahmen diesen Schritt nicht, auch wenn sie den Iran mit Sanktionen überzogen.
Selbst Donald Trump in seiner Amtszeit, der den unter Barack Obama ausgehandelten Iran-Deal wieder aufkündigte, folgte Netanjahu keineswegs. Laut Axios, das sich auf einen leitenden US-Vertreter beruft, soll Trump das Gefühl gehabt haben, dass Netanjahu "bereit war, den Iran bis zum letzten US-amerikanischen Soldaten zu bekämpfen".
Der nächste Schlag Irans wird ohne Ankündigung kommen
Biden erklärte zwar nach dem iranischen Vergeltungsschlag am Wochenende, dass sich die Vereinigten Staaten nicht an offensiven militärischen Maßnahmen Israels gegen den Iran beteiligen oder diese unterstützen werden, sondern sie, "unerschütterlich" an der Seite Tel Avivs, im Falle eines erneuten Angriffs auf Israel nur defensive Hilfe leisten wollen.
Aber das sind Worte, die am Ende in sich zusammenfallen werden, wie Trita Parsi vom Quincy Institute in Foreign Policy klarmacht. Denn wenn Israel zum Beispiel, wie John Bolton, Trumps ehemaliger nationaler Sicherheitsberater, auf CNN vorschlägt, nukleare Anlagen im Iran angreift, dann würde Teheran in einer weit stärkeren Weise als beim ersten Mal darauf antworten.
Bei den Schlägen am Wochenende hielt sich der Iran, so Beobachter, deutlich zurück, um keinen wirklichen Schaden anzurichten. Man kündigte die Raketen- und Drohnenschläge 72 Stunden vorher an, damit die USA, Großbritannien, Frankreich, Jordanien und Israel genug Zeit hatten, sie abzufangen. Es war ein abschreckender Warnschuss, nach dem Motto: Schaut her.
Beim nächsten Mal wird das nicht geschehen, dann können die Verbündeten Israels nicht mehr beim Abfangen helfen (vor allem die USA waren es ja, die die meisten Drohnen und Raketen abfingen) und der Schaden wird sicherlich größer, da das israelische Iron-Dome-Abwehrsystem nicht alles abhalten wird.
Die Mär von rein defensiver Unterstützung
Ab diesem Zeitpunkt ist die Unterscheidung defensiv vs. offensiv dann irrelevant. Denn Biden hat erklärt, Israel bei seiner Verteidigung zu unterstützen. In dem Moment sind die USA mittendrin im voll entfalteten Nahost-Krieg.
Parsi fordert daher von Biden, dass er jetzt klar und deutlich gegenüber Israel und auch dem Iran eine rote Linie ziehen muss: keine weitere Eskalation. Was nichts anderes heißt wie: sonst folgen echte Konsequenzen.
Die USA haben immer wieder erklärt, dass sie keinen Krieg in der Region wollen, auch der Iran will das nicht. Aber Biden muss das mit Taten hinterlegen und Israel nicht nur zur Zurückhaltung, sondern zum Verzicht von Gegenschlägen auffordern.
Gideon Levy, preisgekrönter israelischer Journalist und Mitglied der Redaktionsleitung der israelischen Zeitung Haaretz, sagte auf Democracy Now in den USA:
Diejenigen, die die Angreifer schickten, um … einen Mordanschlag auf eine iranische diplomatische Einrichtung gegen zwei Generäle und fünf weitere zu verüben, mussten sich klar sein, was am nächsten Tag passieren würde. Und der nächste Tag ist gekommen, und wir wurden angegriffen. Glücklicherweise haben wir unter diesem Angriff nicht gelitten. Die einzige Schlussfolgerung sollte jetzt sein: Nein, wagt es nicht, jetzt Vergeltung zu üben, denn dann werden wir in einen regionalen Krieg verwickelt, und das ist eine ganz andere Sache.
Die USA haben viel zu verlieren
Noch ist Zeit, die Region vor einem sich nähernden Abgrund, Zerstörung und vielen Toten zu bewahren.
Das wäre auch im nationalen Interesse der USA, die bei einem Krieg nichts zu gewinnen, aber viel zu verlieren haben: militärische Ressourcen und viel Geld, eigene Soldaten, arabische Partner und Verbündete, internationales Ansehen der Weltgemeinschaft, während die Ölmärkte (Iran ist einer der größten Ölproduzenten mit den drittgrößten Ölvorräten) und der internationale Handel (siehe Huthi-Angriffe auf Containerschiffe im Roten Meer) auf einen vollen Krieg in Nahost sehr empfindlich reagieren werden.
Auch das kann keiner wollen.
Reißleine jetzt
Für Biden selbst wäre es im Angesicht der US-Präsidentschaftswahl im November zudem eine zusätzliche Belastung für seine Wiederwahlchancen. Schon jetzt drohen viele potenziell demokratische Wähler:innen, ihn nicht zu wählen, wenn er seinen Kurs gegenüber Israel und Gaza nicht ändert.
Es gibt keinen vernünftigen Grund, warum Biden nicht die Reißleine gegenüber Netanjahu ziehen sollte. Anstatt sich privat über den israelischen Regierungschef zu mokieren, kommt es jetzt auf Politik, Taten hinter Worten, an.
Sind die USA dazu fähig? Davon könnte der Frieden einer ganzen Region abhängen.