Neue Festnahmen, neue Spitzel

Elf Personen wurden bisher in Asturien wegen der Anschläge vom 11. März verhaftet, davon sind offenbar fünf Spitzel der Sicherheitskräfte. Ob der Untersuchungsausschuss ab morgen Aufklärung über die Hintergründe der Anschläge bringt, ist fraglich

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Die nordspanische Region Asturien hat sich zum Zentrum der Ermittlungen zu den Anschlägen vom 11. März in Madrid entwickelt (Blutiger Wahlkampf in Spanien). Am gestrigen Montag sind erneut zwei Personen in der Gegend um die Stadt Áviles verhaftet worden, die mehr als 200 Kg des gestohlenen Sprengstoffs (Goma-2 Eco) mit Linienbussen, in kleinen Koffern oder Rucksäcken nach Madrid transportiert haben sollen. Neben dem 23jährigen Sergio Álvarez Sánchez sei auch ein Minderjähriger verhaftet worden, berichten diverse Zeitungen. Der Name des Jugendlichen wird von der Guardia Civil nicht genannt.

Die neuen Verhaftungen seien Früchte der Vernehmungen von weiteren acht Spaniern aus der Gegend um Áviles, die in der vergangenen Woche verhaftet wurden. Insgesamt sind es, mit dem kurz nach dem 11. März verhafteten Ex-Minenarbeiter José Emilio Suárez Trashorras (Terroristenjagd auf spanisch), nun elf Spanier die mit dem Raub und dem Verkauf des Sprengstoffs in Verbindung gebracht werden.

Unter den Verhafteten befindet sich mit Carmen Toro auch die Frau des Ex-Minenarbeiters und dessen Schwager Antonio Toro Castro. Der war schon kurz nach Anschlägen verhaftet, dann aber wieder frei gelassen worden. Dabei ist auch Emilio Llano, Aufseher in der Mine "Conchita“, aus welcher der Sprengstoff stammen soll. Das bestreitet die Gruppe "Arcillas y Chamotas Asturianas S.L“, zu der die Betreiberfirma "Caolines de Merillés, S. L“ gehört, weiter. Es sei unmöglich, eine so große Menge Goma-2 unbemerkt aus den Minen zu stehlen. 200 Kilogramm sei die Menge, die in einer Woche verbraucht werde.

Wer glaubt, dass mit den Verhaftungen Licht ins Dunkel der Anschläge kommt, könnte enttäuscht werden. Notwendig wäre die Untersuchung der Frage, was die Sicherheitskräfte von dem Sprengstoff und der Übergabe an die Attentäter gewusst haben: Seit längerem ist bekannt, dass sowohl der Ex-Minenarbeiter Suárez Trashorras als auch der marokkanische Kontaktmann zu den Islamisten Spitzel der Nationalpolizei oder der Guardia Civil waren (Spitzel in Madrider Anschläge verwickelt).

Doch auch die Frau des Minenarbeiters und weitere zwei weitere Personen, die letzte Woche verhaftet wurden, standen in regem Kontakt mit der Polizei. Die Zeitung El Mundo berichtete, fünf Spitzel seien in den Vorgang verwickelt. Die Zeitung zitierte aus einem abgehörten Telefonat zwischen der Frau des Minenarbeiters und dem Chefinspektor der Polizei von Áviles, Manuel García Rodríguez. Daraus wird deutlich, dass Carmen Toro schon am 11. März glaubte, der von ihnen besorgte Sprengstoff sei für das Massaker benutzt worden. "Manolo, ich glaube wir haben es verschissen”, habe Toro am 11. März dem Chefinspektor gesagt. Der "Veteran des antiterroristischen Kampfs”, wie El Mundo ihn bezeichnet, habe erwidert: "Du kannst beruhigt sein, die Anschläge gehen auf das Konto der ETA.” Das klingt so, als hätte der Polizist die Details des Sprengstoffdeals gekannt.

Das die baskische Untergrundorganisation hinter den Anschlägen stecke, war die erste Version der abgewählten konservativen Regierung, die damit kurz vor den Wahlen einen Zusammenhang zwischen den Anschlägen und der spanischen Beteiligung an der Besetzung des Iraks vernebeln wollte (Lügen haben kurze Beine, auch in Spanien). Dabei, so belegen Unterlagen der Polizei, zielten die Ermittlungen von den ersten Stunden an auf islamistisch fundamentalistische Täter.

Man fragt sich auch, warum Suárez abgehört wurde, jedenfalls könnte die Polizei oder der Geheimdienst auch dadurch von dem Sprengstoffdeal der Familie erfahren haben, wenn die Spitzel das nicht ohnehin gemeldet hatten. Besorgnis erregt, dass gegen den Chefinspektor keine Maßnahmen ergriffen wurden. Nach Angaben seiner Vorgesetzten versieht er weiter einen "normalen Dienst“. Eventuell muss García Rodríguez vor dem Untersuchungsausschuss aussagen. Dies will die Republikanische Linke Kataloniens (ERC) beantragen. Die ERC, selbst schon Opfer von Geheimdienstoperationen, findet es "surreal“, das Polizeispitzel in die Anschläge verwickelt sind.

Ob der morgen erstmals zusammen tretenden Ausschuss jedoch etwas zu Tage fördert, ist fraglich. Der ermittelnde Richter Juan del Olmo hat erklärt, er werde keine Ermittlungsergebnisse zur Verfügung stellen. Die Ermittlungen würden ausdrücklich "geheim“ geführt. Da nicht vorhersehbar sei, dass diese Maßnahme in den nächsten Monaten aufgehoben wird, wird del Olmo die Vertraulichkeit der Daten wahren. Dies gelte nicht nur für Erkenntnisse des Nationalen Geheimdienstes (CNI), sondern auch für Daten, welche die Polizei an den Gerichtshof übermittelt hat, erklärte der Nationale Gerichtshof, ein Sondergericht, an dem del Olmo ermittelt. Verschiedene Fraktionen haben von der neuen sozialistischen Regierung gefordert, die Dokumente frei zu geben. Alles, was nicht öffentlich diskutiert werden könne, solle von der Kommission für Staatsgeheimnisse eingesehen werden. Eigentlich sollte die Freigabe kein Problem sein, da selbst der abgewählte Ministerpräsident José María Aznar vor seinem Abgang einige Geheimdienstdokumente frei gab (Spanische Regierung versucht Offenheit und verstrickt sich weiter).

Spanien hat derweil die Auslieferung Rabei Osman Sayed Ahmed (Der Ägypter) aus Italien beantragt. Del Olmo geht davon aus, der Anfang letzter Woche in Italien Verhaftete sei der Kopf der Bande, die für die Anschläge in Madrid verantwortlich ist. Seine Auslieferung wurde über einen internationalen Haftbefehl beantragt, weil der Europäische Haftbefehl in Italien bisher nicht in Kraft getreten ist (Befürchtungen zum Europäischen Haftbefehl werden übertroffen). Doch auch hier sind Zweifel angebracht. Haben die spanischen Ermittler doch immer wieder neue Drahtzieher aus dem Hut gezaubert (Terroristenjagd auf spanisch) Dazu kommen gravierende Ermittlungsfehler, wie im Fall des US-Anwalts Brandon Mayfield. Der wurde in den USA verhaftet, weil seine Fingerabdrücke auf einer Tüte mit Sprengzündern in Spanien gefunden worden sein sollen (Spitzel in Madrider Anschläge verwickelt). Falsch, wie sich herausgestellt hat. Die unvollständigen Abdrücke wurden dem zum Islam konvertierten Anwalt fälschlich zugeordnet. Nach einer Überprüfung sollen es die Abdrücke des Algeriers Daoud Ouhnane sein, nach dem nun mit internationalen Haftbefehl gefahndet wird.