Neue Helden, alte Haudegen

Bioshock: Infinite

Games-Jahresvorschau, Teil 1: die wichtigsten Action-Titel im Überblick

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Dieser Game-Trailer weckt vertraute Gefühle. Langsam gleitet die Kamera über den Meeresgrund, Luftblasen steigen auf, dazu ertönen die schmachtenden Klängen einer Geige. Nun durchbrechen Lichtstrahlen das blaugrüne Dunkel, die Silhouette einer Stadt kommt zum Vorschein. Rapture, bist du das? Plötzlich schwimmt ein Zierfisch zwischen den Hochhäusern hindurch. Alles nur Kulisse, denken wir kurz, dann werden wir aus dem Aquarium herausgerissen und poltern - verzweifelt nach Luft schnappend - zu Boden. Im nächsten Moment schleudert uns das Wesen, das uns eben noch fast ertränkt hätte, mit ungeheurer Kraft durch eine Fensterscheibe. In rasendem Fall geht es nun in die Tiefe - vorbei an schwebenden Hochhäusern, Heißluftballonen und Zeppelinen. Willkommen in Columbia, der Stadt über den Wolken.

So elegant wie im Trailer zu Bioshock: Infinite wurde wohl selten ein neuer Schauplatz etabliert. Teil 1 und 2 der Serie spielten in der Unterwasserstadt Rapture, einem düsteren Atlantis voll genmanipulierter Wahnsinniger. Der namenlose Held stapfte durch schwach beleuchtete Gänge, dopte sich mit Plasmiden und kämpfte gegen ideologisch verblendete Machthaber. "Infinite" zeichnet zwar ebenfalls das Bild einer dystopischen Gesellschaft: Columbia wird von Kämpfen zwischen ultranationalistischen Gründervätern und Anarchisten erschüttert. Ansonsten aber unterscheidet sich Infinite grundlegend von den ersten beiden Serienteilen. Wie auf einer Achterbahn saust Protagonist Booker DeWitt per Sky Line zwischen Himmelsschlössern hin und her, eine Fortbewegungsart, die viel Geschick und noch mehr Schwindelfreiheit erfordert. Booker ist auch kein Nobody wie seine Serienvorgänger, sondern ein ehemaliger Pinkerton-Agent, den seine Wettschulden zu diesem Abenteuer getrieben haben. Im Auftrag eines Kunden soll er Elizabeth befreien, eine junge Frau mit übernatürlichen Fähigkeiten, die schon seit ihrer Kindheit in Columbia gefangengehalten wird. Bei der Rettungsaktion bekommt es Booker nicht nur mit den Bürgerkriegsparteien zu tun, sondern auch mit Elizabeths Bewacher, einem gewaltigen mechanischen Vogel namens Songbird. Elizabeths Schicksal scheint untrennbar mit dem der Stadt verbunden: ein Geheimnis, das der Spieler zu lüften hat.

Bioshock: Infinite

Das märchenhafte Erzählmotiv kombiniert Infinite mit einem gewohnt deftigen Gameplay. Rauhbein Booker kämpft mit allerlei Feuerwaffen und nutzt dabei auch psychokinetische Upgrades (Vigors), indem er beispielsweise einen aggressiven Krähenschwarm beschwört. Elizabeth wiederum kann Risse im Raum-Zeit-Kontinuum nutzen, um Gegenstände zwischen Parallelwelten zu transportieren. Ob moralische Entscheidungen eine ähnlich große Rolle spielen werden wie in Bioshock 1 und 2, haben die Entwickler von Irrational Games noch nicht verraten. Eines steht aber zweifelsfrei fest: Mit seiner spektakulären Inszenierung zählt "Infinite" zu den meisterwarteten Action-Games des Jahres 2012.

Während "Bioshock" gesellschaftliche Dystopien entwirft, ist Grand Theft Auto eine bissige Satire auf den American Way of Life. Die Gangster-Epen der GTA-Serie sind gespickt mit Anspielungen auf den Alltag moderner Großstädter: Seien es nun "Burger-Shot"-Filialen, die das unethische Gebaren von Fastfood-Ketten kommentieren, oder die Freiheitsstatue mit Kaffeebecher statt Fackel, die das allgegenwärtige Werbebombardement und den Ausverkauf von politischen Idealen parodiert. "Grand Theft Auto IV" (2008) war derart vielschichtig und erfolgreich, dass sogar klassische Qualitätsmedien ihren Beißreflex ablegten und das Spiel als anspruchsvolles Kulturprodukt würdigten, anstatt wie sonst häufig nur die Gewalttätigkeit hervorzuheben. Die Fans indes warten schon lange sehnsüchtig auf eine Fortsetzung - und die soll tatsächlich 2012 erscheinen.

Grand Theft Auto V

Ausgangspunkt aller Hoffnungen ist ein Trailer, den Publisher Rockstar Games Anfang November veröffentlichte. Einige Fakten sind dem knapp neunzigsekündigen Youtube-Filmchen bereits zu entnehmen: So wird GTA V in Los Santos spielen, das Los Angeles nachempfunden ist und bereits einer der Schauplätze von "GTA: San Andreas" war. Der noch namenlose Held erklärt uns aus dem Off, warum er nach Los Santos gezogen ist: Er möchte die dunkle Vergangenheit hinter sich lassen, das schöne Wetter genießen und im Kreise seiner Familie ein ruhiges, komfortables Leben führen: "Be a good guy once!" Dass aus den Heile-Welt-Plänen nichts wird, lässt aber schon die zweite Hälfte des Trailers erahnen: Statt Sonne, Strand und Palmen sehen wir einen Banküberfall, Drogenhandel und Obdachlosigkeit - eben die Schattenseiten des amerikanischen Traums, die Rockstar Games so gerne porträtiert. Einen offiziellen Release-Termin für "GTA V" gibt es noch nicht. Fans wollen aber im Trailer versteckte Hinweise darauf entdeckt haben, dass das Spiel am 24. Mai erscheint. Wer möchte das nicht gerne glauben?

Far Cry 3

Vom Asphaltdschungel der Metropole Los Santos führt uns die Jahresvorschau in die Wildnis von Far Cry 3. Nach einem mittelmäßigen zweiten Teil (2008) setzt Ubisoft wieder auf die Formel, die schon das Seriendebüt (2004) zum Kassenhit machte: eine tropische Insel fernab jeglicher Zivilisation, ein schiffbrüchiger Held sowie Unmengen von schwerbewaffneten Söldnern. Protagonist Jason Brody hat natürlich erst einmal keine Ahnung, was die Mörderbande auf der Insel plant - der Bandenchef Vaas jedenfalls stellt sich schnell als Psychopath ersten Ranges heraus. Angesichts der feindlichen Übermacht sind Guerilla-Taktiken gefragt: Brody schleicht, sabotiert, schießt und versteckt sich - kommt ein Gegner in Reichweite, schaltet er ihn mit einem Takedown aus. Laut Ubisoft soll die offene Spielwelt um ein Vielfaches größer sein als die des Vorgängers, der Spieler soll die Reihenfolge der Ereignisse selbst bestimmen können. Bleibt zu hoffen, dass auch die Handlung über bloße Klischees hinausreicht - Ubisoft hat angedeutet, dass es auf der Insel noch mehr wahnsinnige Schurken vom Kaliber Vaas geben soll.

In der Silent-Hill-Reihe ist die Trennung zwischen Gut und Böse aufgehoben. Die Bedrohung kommt immer auch aus den Hauptfiguren selbst: Grund sind traumatischen Erinnerungen, die es ihnen verbieten, klar zwischen Realität und Einbildung zu unterscheiden. In Silent Hill: Downpour (23.2.) rutscht ein Gefängnistransporter von der Straße, Häftling Murphy Pendleton strandet in der wohlbekannten Ortschaft. Pendleton wird von Schreckensvisionen geplagt: Einsetzender Niederschlag oder feuchte Zimmer sind untrügliche Zeichen für herannahendes Unheil. Um die Monster abzuwehren, nutzt Pendleton schlichtweg alles, was er finden kann - von der Gartenschaufel über den Holzschemel bis zur abgebrochenen Glasflasche. Nach dem wenig überzeugenden Shattered Memories könnte "Downpour" der Survival-Horror-Serie wieder mehr psychologische Elemente verleihen - und die Fans mit wohliger Gänsehaut beglücken.

Silent Hill: Downpour

Unter den psychisch labilen Videospielhelden ist Max Payne zweifellos einer der wehrhaftesten: Schon 2001 tauchte er in Bullet Time unter gegnerischen Kugelschwärmen durch. Teil 2 der Serie liegt nun auch schon acht Jahre zurück - höchste Zeit also, einen der interessantesten Game-Charaktere erneut unter die Lupe zu nehmen. In Max Payne 3 hat der Ex-Cop einen langen Abstieg hinter sich: Alle Personen, die er liebte, sind tot - er selbst ist von Alkohol- und Tablettensucht gezeichnet. Ein alter Kumpel schlägt ihm vor, nach Sao Paulo zu kommen und als Sicherheitsmann für eine reiche Familie zu arbeiten - Max sagt zu, weil er der Rache eines New Yorker Mafiabosses entfliehen will. In Brasilien ergeht es dem Unglücksraben allerdings kaum besser: Die Familie, die er beschützen soll, gerät ins Visier von kriminellen Banden. Und so tut Max, was Max tun muss: Er rasiert sich eine Glatze, lässt sich einen Vollbart stehen, tauscht die altgediente Lederjacke gegen ein ranziges Muscle-Shirt ein und stürzt sich in den Kampf..

Max Payne 3

Vorab-Tests lassen vermuten, dass "Max Payne 3" ähnlich linear ablaufen wird wie die beiden Vorgänger. Rockstar Games spendiert dem Third-Person-Shooter ein Deckungssystem, die Schusswechsel dürften folglich stärker von Taktik geprägt sein. Zum ersten Mal wird es auch einen Multiplayer-Modus geben, ohne den heutzutage offenbar kein Shooter mehr auskommt. Entscheidend ist aber, ob "Max Payne 3" das Noir-Feeling heraufbeschwören kann, das die Serie berühmt gemacht hat - andernfalls droht dem Spiel die Beliebigkeit.

Man muss die Heldenfigur nicht unbedingt altern lassen, um ihr neue Facetten zu verleihen. Dass es auch umgekehrt geht, zeigt die Verjüngungskur von Lara Croft. Tomb Raider (Herbst 2012) erzählt die Vorgeschichte der weltberühmten Archäologin: Lara ist gerade mal 21 Jahre alt, kommt direkt vom College und besitzt keinerlei Abenteuererfahrung. Überleben ist denn auch ihr einziges Ziel, als sie auf einer Pazifikinsel Schiffbruch erleidet. Im Gameplay-Video taumelt die verletzte Lara in Todesangst durch eine düstere Höhle - nichts erinnert da an die übercoole, pistolenschwingende Draufgängerin, als die wir sie bisher kannten. Publisher Square Enix könnte mit dem Character Makeover durchaus Erfolg haben: Die neue Lara wirkt menschlicher, man kann sich besser mit ihr identifizieren. In den bereits gezeigten Szenen ähnelt "Tomb Raider" eher einem Survival-Horror-Game als einem Action-Adventure - gleichwohl wird Lara auch weiterhin Rätsel lösen und Kletterpassagen absolvieren.

Tomb Raider

Laras "Berufskollege" Nathan Drake hat erst kürzlich einen starken Auftritt hingelegt: Uncharted 3: Drake's Deception beeindruckte mit spektakulären Schauplätzen und packenden - wenn auch sehr linearen - Action-Szenen. 2012 soll Nathan zum Zugpferd für die PlayStation Vita werden - Sonys neue Mobilkonsole erscheint am 22. Februar. In Uncharted: Golden Abyss folgt der Glücksritter den 400 Jahre alten Spuren einer spanischen Expedition durch Mittelamerika, immer auf der Suche nach einem sagenhaften Schatz. Erste Previews lobten die intuitive Touchscreen-Steuerung und die hochauflösende Grafik - man darf gespannt sein, ob auch andere Vita-Spiele an dieses Niveau heranreichen werden.

Borderlands 2

Bei all dem Vita-Trubel ist Sonys PS3-Exklusivtitel The Last of Us ein wenig in den Hintergrund getreten. Das postapokyptische Szenario erinnert an den Film I am Legend: Ein Schmarotzerpilz hat weite Teile der US-Bevölkerung dahingerafft, die wenigen Überlebenden kämpfen verbissen um Ressourcen. Der Spieler steuert den skrupellosen Joel, der zusammen mit dem 14-jährigen Mädchen Ellie durch die bereits überwucherten Großstädte streift. Man wolle keine gängige Horror-Survival-Kost bieten, betont Hersteller Naughty Dog - stattdessen soll die Entwicklung der beiden Hauptcharaktere im Vordergrund stehen. Neben "The Last of Us" wird noch eine Reihe weiterer Titel die Postapokalypse als Bühne nutzen. Da wäre zum Beispiel Metro: Last Light, das wie schon Metro 2033 im Untergrund des kriegszerstörten Moskau spielt - über die Handlung ist bislang nur wenig bekannt. Mehr Informationen gibt es zum Open-World-Game Borderlands 2: Das Spiel mit der außergewöhnlichen Cel-Shading-Grafik wird noch stärker als sein Vorgänger auf Ausrüstungsgegenstände und individualisierbare Waffen setzen, dynamische Quests sollen die Handlung auflockern.

Metro: Last Light

Für 2012 lässt sich die Liste viel versprechender Action-Titel noch ein ganzes Weilchen fortsetzen. Auch die guten alten Aliens kommen als Paradegegner wieder zu ihrem Recht, sei es nun in Halo 4, in Prey 2 oder in der Neuauflage des Klassikers X-COM. Für frischen Wind könnte der Shooter Inversion sorgen, der Schwerkraftmanipulation zum zentralen Gameplay-Element erhebt. Spannend klingt auch das Shooter-MMO Dust 514, dessen gigantische Schlachten unmittelbare Auswirkungen auf die Kräfteverhältnisse in "Eve Online" haben. Ein Highlight dürfte auch der Action-, Schleich- und RPG-Mix "Dishonored" (heise.de berichtete) werden: Schauplatz ist eine Parallelwelt, die dem pestgebeutelten England des Jahres 1666 nachempfunden ist - angereichert mit Magie und einer ordentlichen Prise Steampunk.

Dishonored

Teil 2 der Jahresvorschau: Point-and-Click-Adventures, Rollen- und Strategiespiele