Neue Mythen vom spanischen "Covid-Wunder"

Seite 2: "Gewisse Sorglosigkeit"

Obwohl dies der Fall ist, steigen die Inzidenzen in den Urlaubsgebieten, auch auf Mallorca, wo gerade ein Ausbruch in einem Yoga-Workshop verzeichnet wurde. Die Gesundheitsministerin der Regionalregierung der Balearen erklärte, die meisten Betroffenen seien Ausländer ohne Wohnsitz auf Mallorca. Zu den Nationalitäten sagte Patricia Gómez nichts, aber besonders bei Deutschen ist Mallorca und die gesamte Inselgruppe sehr beliebt.

Der Fall zeige aber, dass man auch "im Freien und bei körperlich weniger anstrengenden Aktivitäten" wachsam bleiben und eine Maske tragen müsse. Gómez stellte eine "gewisse Sorglosigkeit" fest. Auch auf Mallorca steigt die Sieben-Tage-Inzidenz beständig an und sie lag Donnerstag mit knapp 75 auch schon über dem spanischen Durchschnitt.

Die gesamte Inselgruppe liegt mit 87 sogar noch deutlich höher über dem spanischen Durchschnitt. Da auch die Positivrate steigt und mit sechs Prozent wieder deutlich über der Höchstmarke von fünf Prozent liegt, die die Weltgesundheitsorganisation (WHO) festgelegt hat, darf davon ausgegangen werden, dass die Dunkelziffer bei Infektionen hoch ist und steigt. Festgestellt wird nicht nur auf den Balearen, dass die Belegung der Krankenhäuser wieder zunimmt. Es ist bekannt, dass die Einlieferungen etwa zwei Wochen den Inzidenzen hinterherlaufen.

Schaut man sich die Daten des Gesundheitsministeriums allerdings nach Regionen aufgeschlüsselt an, dann wird deutlich, dass das Erklärungsmuster, dass man in Spanien nun vor allem mit importierten Inzidenzen zu tun hat, zu kurz greift. Das mag für das Baskenland noch stimmen, das besonders weiterhin von viele französischen Touristen aufgesucht wird. Dort liegt die Inzidenz mit 139 sogar mehr als doppelt so hoch als im Landesdurchschnitt und praktisch genauso hoch wie in Frankreich. Aber für Aragon (100) und für den Spitzenreiter Navarra (181) kann das kaum gelten.

Hohe Impfquote ist keine Garantie

Hier zeigt sich auch schon, dass es falsch ist zu glauben, dass eine hohe Impfquote grundsätzlich vor hohen Inzidenzen schützt. Ausgerechnet das Baskenland liegt mit einer Impfquote von über 90 Prozent deutlich über dem Durchschnitt (79 Prozent) im spanischen Staat 90,4 Prozent der Bevölkerung über 12 Jahren ist vollständig geimpft. Navarra liegt dagegen im Durchschnitt, sogar mit knapp 80 Prozent leicht über dem Durchschnitt. In der Region hat eine Studie gerade herausgearbeitet, dass der Schutz durch Impfungen beständig abnimmt. Nach drei Monaten betrage er nur noch 63 Prozent.

Am Beispiel Portugal wird das noch klarer. Denn das Land wird als absoluter Impf-Musterschüler herausgestellt, da fast 90 Prozent der Bevölkerung schon vollständig geimpft sind. Doch die Inzidenzen in Portugal ist mit 124 sogar schon wieder doppelt so hoch wie im Nachbarland Spanien. Während sich in spanischen Krankenhäusern die Einlieferungen noch in Grenzen halten, steigt die Zahl in Portugal inzwischen beständig seit gut einer Woche wieder bedenklich an.

In der Regierung denkt man schon wieder über Einschnitte nach, um eine fatale Entwicklung wie im vergangenen Jahr zu vermeiden, die im Januar und Februar aus dem Land einen weltweiten Hotspot gemacht hatte. Zudem muss im Januar gewählt werden, weil die sozialistische Regierung keinen Haushalt zustande bekam.

Dass die Spanier "3G" nur auf Reisen sowie in einigen Diskotheken kennen, wo das in Katalonien längst gefordert wird, das wird sich in Spanien angesichts der ständig steigenden Zahlen nun auch ändern. Schließlich stellen auch spanische Medien inzwischen fest, dass sogar die Einlieferungen auf Intensivstationen wieder steigen. Etliche Regionen, das Baskenland hat es schon beantragt, wollen die französische Regelung einführen, dass man nur mit einem "Covid-Pass" in größere Restaurants (mit Sitzplätzen für mehr als 50 Personen), Nachtclubs und größere Veranstaltungen darf.

Am Montag entscheidet darüber der Oberste Gerichtshof im Baskenland, der allerdings in der Vergangenheit immer wieder Covid-Maßnahmen gekippt hat, die in anderen Regionen von Gerichten abgenickt wurden. Etliche Regionen, die ähnliche Pläne haben, machen deshalb Druck auf die sozialdemokratische Zentralregierung.

Sie wollen eine landesweite Lösung, um nicht von relativ willkürlichen lokalen Gerichtsentscheidungen abhängig zu sein. Klar ist allen, dass sich die Lage vor Weihnachten wieder verschärfen wird. Besonders harte Maßnahmen wie ein neuer Lockdown, sollen verhindert werden, zumal die Wirtschaft noch immer nicht rund läuft und die Wachstumsraten ständig nach unten korrigiert werden müssen.