Neue Studie: Wie nahe waren Russland und Ukraine einer Einigung im Jahr 2022?

Der russische Präsident Wladimir Putin und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj.

Der russische Präsident Wladimir Putin und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Bild: Kreml, ukrainisches Präsidentenbüro / Public Domain

Foreign Affairs enthüllt Details der Gespräche kurz nach Invasion. Wer verhinderte den Kompromiss? Waren Putin und Selenskyj bereit? Über den Beinahe-Frieden.

Eine neue Untersuchung zu den Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland im März/April 2022 kurz nach der russischen Invasion, veröffentlicht im US-Fachmagazin Foreign Affairs, bestätigt, dass die beiden Seiten einer Einigung über ein Abkommen nahe waren.

Frieden greifbar

Samuel Charap von der Rand Corporation und Sergey Radchenko, Professor an der Johns Hopkins University, haben dafür Vertragsentwürfe untersucht und Interviews mit mehreren Teilnehmern an den Gesprächen sowie mit Beamten geführt, die damals in wichtigen westlichen Regierungen tätig waren.

Außerdem haben sie Interviews mit und Erklärungen von ukrainischen und russischen Beamten, die zum Zeitpunkt der Gespräche im Dienst waren und sich damals äußerten, geprüft.

Dabei entwerfen die Forscher einen detaillierten Zeitplan der Ereignisse und schlussfolgern: "Als wir all diese Teile zusammenfügten, kamen wir zu einem überraschenden Ergebnis, das erhebliche Auswirkungen auf künftige diplomatische Bemühungen zur Beendigung des Krieges haben könnte."

Inmitten der beispiellosen Aggression Moskaus hätten die Russen und die Ukrainer beinahe ein Abkommen geschlossen.

Durchbruch in Istanbul

Über die Möglichkeit einer Einigung ist schon verschiedentlich berichtet worden. Die vorliegende Analyse bestätigt und erklärt diese Sichtweise. Danach hätte der Krieg beendet werden können, wobei der Ukraine multilaterale Sicherheitsgarantien gegeben worden wären. Diese Garantien hätten den Weg zur dauerhaften Neutralität der Ukraine und später sogar zu ihrer Mitgliedschaft in der EU geebnet, so die Autoren.

Zu dem Abkommen kam es, so Charap und Radchenko, aus verschiedenen Gründen nicht. Die westlichen Partner zögerten, sich auf Verhandlungen mit Moskau einzulassen, die öffentliche Stimmung in der Ukraine verhärtete sich im Zuge der Entdeckung der Gräueltaten in Irpin und Butscha, während die russische Einkreisung Kiews scheiterte und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj damit die Zuversicht gewann, den Krieg mit Unterstützung aus dem Westen auf dem Schlachtfeld zu gewinnen.

Doch trotz der nachteiligen Faktoren, inmitten der russischen Aggression, hätten Putin und Selenskyj "alle mit ihrer gegenseitigen Bereitschaft" überrascht, "weitreichende Zugeständnisse zur Beendigung des Krieges in Betracht zu ziehen. Vielleicht überraschen sie auch in Zukunft wieder alle."