Neue technische Hochwasserschutzlösungen

Hochwasser in Hamburg, 1962. Bild: Oxfordian Kissuth. Lizenz: CC-BY-SA-3.0

Sturmfluten, Tsunamis und der Meeresspiegelanstieg machen ein altes Problem dringlicher

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Die Klimaänderungen werden eines der Themen beim G7-Gipfel auf Schloss Elmau sein. Solange ein globaler Ansatz zur Lösung der aus dem Klimawandel resultierenden Phänomene nicht absehbar ist, bleiben nur lokale und regionale Lösungsansätze. Dies gilt auch für Hochwässer und Fluten von Seeseite. Hochwasser bedroht in steigendem Maße die Siedlungen in zahlreichen Küstengebieten. Die Ursachen reichen von Starkregenfällen im Hinterland über Seebeben bis zum befürchteten Meerespiegelanstieg. Die Reaktionen der betroffenen Bevölkerung im Umgang mit dieser Bedrohung sind von Region zu Region durchaus unterschiedlich.

In der EU gibt es, wie kaum anders zu erwarten, eine Richtlinie (2007/60/EG) zu Bewertung und Management von Hochwasserrisiken. Damit sind die europarechtlichen Voraussetzungen geschaffen, dass durch die entsprechende Umsetzung in nationales Recht das Risiko von konkreten Hochwasserschäden gesenkt wird.

Wird in der Folge die Errichtung neuer Gebäude in ausgewiesenen Risikogebieten nicht mehr erlaubt (und sind selbst Erweiterungen wie der Bau eines Carports nicht mehr genehmigungsfähig), dann sind viele Stadtentwickler mit der Entwicklung jedoch nicht besonders glücklich. Die Ausweisung neuer Baugebiete in Risikogebieten wird dann oft mit Hilfe von Ausgleichsmaßnahmen oder über Ausnahmegenehmigungen angestrebt. Hochwasserausgleichsbecken, die Ausweisung von Überflutungsgebieten im Flussverlauf und ähnliche technische Ausgleichsmaßnahmen sollen dabei im Einzelfall helfen, das Hochwasserrisiko zu senken.

Derartige Maßnahmen können Überflutungsschäden im Binnenland vermindern und die Hochwasserrisiken in den Mündungsgebieten der Flüsse reduzieren. Vor Fluten, die von der Seeseite auf die Küste treffen, können sie jedoch nicht schützen. Hier versuchte man sich bisher meist mit technischen Maßnahmen zu schützen. So hat man um Hamburg nach der großen Sturmflut von 1962 eine neue durchgehende Hochwasserschutzlinie von etwa 100 Kilometer mit einer Deichhöhe von mindestens 7,20 Meter über Normalnull errichtet.

Schiebetor einer Flutschutzanlage in Hamburg-Harburg. Bild: GeorgHH. Public Domain

Ergänzt werden diese Deiche an kritischen Stellen, an welchen sie von Gewässern gekreuzt werden, durch bewegliche Schutzelemente wie Sperrwerke und Schiffsschleusen sowie Schöpfwerke, die das aus dem Hinterland zuströmende Wasser über die Deichkante ins Meer pumpen. Bei der Sturmflut im Jahre 1976 hielten die errichteten Bauwerke den Wassermassen stand. Der steigende Meeresspiegel und die Erwartung höherer Pegelstände bei Sturmfluten haben die Stadt inzwischen veranlasst, die Deichhöhe auf bis zu 9,25 Meter zu erhöhen.

Hauptsächlich auf technische Lösungen zur Abwehr der Fluten hat man in der Vergangenheit auch in den Niederlanden gesetzt. Da etwa 40 Prozent der Landesfläche unter dem Meeresspiegel liegt und mit Pump- und Schöpfwerken aktiv trocken gehalten werden muss, war der Schutz vor Hochwasser eine Grundbedingung für das Überleben des Landes.

Deltawerke-Oosterschelde-Sturmflutwehr. Bild: Raimond Spekking. Lizenz: CC-BY-SA-4.0

Nach der Sturmflut von 1953, bei der knapp 2000 Menschen ertranken, hatte man mit den Deltawerken in der Provinz Zeeland ein gewaltiges System zur Abwehr von Sturmfluten errichtet. Doch inzwischen hat man erkannt, dass bei steigendem Meersspiegel und kräftigeren Sturmfluten die Deiche immer stärker erhöht werden müssten. Würden die Deiche jedoch höher, müssten sie an ihrem Fuß auch breiter werden und würden zunehmend wertvolles Land benötigen, das jetzt noch hinter dem Deich liegt.

Und so spült man inzwischen vor den Deichen Sand auf und hofft, dass sich die Wellen auf dem nun breiteren Strandstreifen totlaufen, bevor sie den Deich erreichen. Zum Schutz vor Fluten aus dem Hinterland hat man die Deiche um verschiedene Polder wie dem Overdiepsepolder in der Nähe von Rotterdam zurückgebaut und will diese Polder im Bedarfsfalle fluten. Damit die örtliche, meist in der Landwirtschaft arbeitende Bevölkerung durch die gezielte Flutung möglichst wenig beeinträchtigt wird, hat man sie mitsamt ihren Betrieben auf Warften umgesiedelt, die höher liegen als die erwarteten Hochwasser.

Zudem hat man die in den Niederlanden weit verbreitete Idee der Hausboote aufgegriffen und hat Häuser errichtet, die üblicherweise auf trockenen Land stehen. Bei Hochwasser können sie jedoch gefahrlos aufschwimmen. Diese amphibischen Gebäude sind mit Stahlringen an Pfeilern befestigt und heben sich bei steigendem Wasserstand mit dem Wasserspiegel.

Überschwemmung am Chao Phraya nördlich von Bangkok. Bild: Alabamaboy. Lizenz: CC-BY-SA-3.0

Ein ähnliches System von Häusern, die sich bei Flut aus dem Wasser heben, hat sich offensichtlich auch ein Architekt in Thailand ausgedacht. Wo der Chao Phraya nahe der Hauptstadt Bangkok in den Golf von Thailand mündet, kommt es immer wieder zu beachtlichen Hochwassern, wenn der Monsunregen schon einsetzt, bevor die Talsperren des Landes wieder über genügend Speicherkapazität verfügen und zudem das Wasser von der Seeseite in den Fluss gepeitscht wird.

In unregelmäßigen Abständen führt eine solche Konstellation zu beachtlichen Überschwemmungen in Zentralthailand und bis in die Millionenmetropole Bangkok hinein. Ob sich allerdings ein Haus, das sich mit der Flut hebt, für solch hochverdichtete Städte wie Bangkok mit seinen unzähligen Hochhäusern eignet, kann getrost bezweifelt werden. Und in den ausgedehnten Industriearealen wird sich die Hebetechnik auch kaum anwenden lassen.

Chao Phraya in Bangkok. Bild: nakhon100. Lizenz: CC-BY-2.0

Da die großen Industrial Estates meist in ackerbaulich kaum nutzbaren Vernässungszonen nahe der Flüsse errichtet wurden, richtet jedes Hochwasser dort Millionenschäden an. Es wäre dort sicher kostengünstiger, Land aufzuschütten und die Fertigungshallen auf diesem aufgeschütteten Land zu errichten. Mit entsprechenden Ausgleichsflächen, auf welche das Hochwasser ausweichen kann und mit aufgeständerten Zufahrtswegen könnte man in Zukunft eine Produktionsunterbrechung oder gar den Totalverlust einer Fertigungsanlage wie im Falle der Sony-Chip-Packaging-Fabrik durchaus vermeiden.

Solange sich die Überflutungsrisiken noch preiswert versichern lassen, ist jedoch kaum damit zu rechnen, dass man in bauliche Verbesserungen investiert. Und an die konkreten Ursachen für die Überflutungen, die unter anderem in den unterschiedlichen Interessen der Wassernutzung im Hinterland begründet sind, wird man sich auch nicht heran wagen.

Eher wandern die Industriebetriebe in andere Regionen ab, wo das Spiel neu beginnt. Im Falle von Bangkok wird der Umzug großer Teile der Stadt auf höher gelegenes Land in den kommenden 30 Jahren kaum vermeidbar sein, was für Thailand ein gewaltigen Konjunkturprogramm darstellen dürfte. Die Siedlungsverlagerung dürfte für die meisten küstennahen Millionenstädte wohl die einzige letztlich verbleibende Option sein, wobei sich bei dem in diesen Regionen meist üblichen Bevölkerungsdruck die Frage stellt: wohin verlagern.

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