Neuer Gewächshausanstrich lässt Pflanzen schneller wachsen
Britische Forscher entwickeln Spray, das blaues Licht in rotes umwandelt. In Versuchen steigerte es den Ernteertrag um neun Prozent. Bald auch in Deutschland?
Es könnte ein Durchbruch sein, der den Gemüseanbau auch in Deutschland wirtschaftlicher macht. Forscher der Universitäten Bath und Cambridge haben ein neuartiges Spray für Gewächshäuser entwickelt, das künstliches Licht bald überflüssig machen könnte.
In Zusammenarbeit mit der Firma Lambda Agri haben sie ein Spray entwickelt, das die Wellenlängen des Lichts so optimiert, dass Wachstum und Ertrag der Pflanzen verbessert werden. Die neue Technologie könnte die Anbausaison in sonnenarmen Ländern verlängern.
In Großbritannien beispielsweise ist die Anbausaison aufgrund des Klimas und des Breitengrades relativ kurz, weshalb das Land bei Obst und Gemüse größtenteils auf Importe aus Europa angewiesen ist. Diese werden jedoch in riesigen, künstlich beleuchteten Gewächshäusern angebaut, die enorme Mengen an Strom verbrauchen.
Spray verwandelt blaues in rotes Licht
Sonnenlicht enthält alle Farben des Farbspektrums – aber nicht alle können von Pflanzen gleichermaßen genutzt werden. Pflanzen nutzen zwar sowohl das grüne als auch das blaue und rote Lichtspektrum, aber mit unterschiedlicher Effizienz für die Photosynthese.
Für die Photosynthese spielt rotes Licht eine entscheidende Rolle. Entsprechend wichtig ist es beispielsweise für die Bildung von Blättern, Blüten und Früchten. Blaues Licht hingegen ist für die Photosynthese weniger effizient als rotes Licht, darf aber für das Pflanzenwachstum nicht unterschätzt werden, da es unter anderem den Stoffwechsel der Pflanzen beeinflusst.
Mit dem neuen Spray soll nun die Effizienz der Photosynthese verbessert werden. Auf die Scheiben des Gewächshauses gesprüht, absorbiert es das blaue Licht und wandelt es in rotes um. Dadurch erhöht sich der Anteil des roten Lichts, das von den Pflanzen genutzt werden kann.
Petra Camero, Professorin an der Universität Bath, erklärt: "Unsere Beschichtung enthält Moleküle, die das UV-Licht der Sonne absorbieren und etwa 80 bis 90 Prozent davon in rotes Licht umwandeln. Dadurch wird die Photosynthese effizienter, und wir können mit weniger Licht mehr produzieren".
In Feldversuchen konnten die Forscher beim Anbau von Basilikum in behandelten Gewächshäusern einen um neun Prozent höheren Ertrag feststellen. "Das bedeutet, dass unsere Technologie in Zukunft eingesetzt werden könnte, um die Anbauzeit von Produkten zu verlängern und die gleichen Ergebnisse mit weniger künstlichem Licht zu erzielen, was Geld spart und die damit verbundenen CO2-Emissionen reduziert", sagt Cameron.
Die Beschichtung verändert nicht nur die Wellenlänge des Lichts, sondern streut es auch, was ebenfalls den Ertrag steigert. Es gibt sogar Hinweise darauf, dass sich der Geschmack verbessert, weil der Zuckergehalt der Früchte erhöht wird, heißt es in der Mitteilung der Universität Bath.
Mit günstigen Materialien zur Marktreife
Ähnliche Technologien wurden bereits von Forschern in den USA entwickelt. Diese dürften es jedoch schwer haben, sich auf dem Markt durchzusetzen, da sie seltene Erden wie Indium verwenden. Dieses Metall ist nicht nur teuer, sondern auch schwer zu recyceln. Zudem wird es auch in Handydisplays verwendet, was die verfügbaren Mengen weiter verringern dürfte.
Das britische Forscherteam hingegen hat Indium durch ein billigeres und häufiger vorkommendes Material ersetzt, das zum Patent angemeldet wurde. Außerdem können sie die Materialien in einem chemischen Durchflussreaktor herstellen, was den Herstellungsprozess beschleunigt und leichter skalierbar macht.
Dominic Wright, Professor an der Universität Cambridge, hob die Bedeutung des Projekts hervor: "Dies ist eine hervorragende Anwendung grundlegender Molekularwissenschaften auf ein wichtiges reales Problem, das vor dem Hintergrund der Ernährungssicherheit und der globalen Erwärmung von besonderer Bedeutung ist".
Das Team hat die Technologie zum Patent angemeldet und seine Forschungsergebnisse in der Fachzeitschrift Advanced Materials Technologies veröffentlicht. Die Forscher hoffen, dass die Technologie in einigen Jahren für Landwirte kommerziell verfügbar sein wird.
Auch für Deutschland interessant?
Die von der britischen Regierung geförderte Technologie könnte auch für Deutschland interessant sein. Zwar ist die Sonneneinstrahlung hierzulande in der Regel höher als in Großbritannien.
So liegt die Globalstrahlung, also die Sonnenstrahlung, die horizontal auf den Erdboden trifft, in Deutschland je nach Region zwischen 1.060 kWh/m2 und 1.300 kWh/m2. In Großbritannien liegt sie bei rund 1.000 kWh/m2.
Mit einer Anbaufläche von ca. 1.300 ha unter Glas führen Gewächshausbetriebe in Deutschland eher ein Nischendasein. Das bedeutet aber auch, dass ein Großteil des Gemüses importiert werden muss. Bei Gurken sind es rund 70 Prozent, bei Tomaten über 96 Prozent.
Aber auch deutsche Gewächshausbetriebe setzen häufig auf energieintensive Zusatzbeleuchtung, um das Pflanzenwachstum zu optimieren. Das ist hauptsächlich in der dunklen Jahreszeit notwendig, belastet aber gleichzeitig die Klimabilanz des heimischen Gemüses. Eine Tomate aus einem deutschen Gewächshaus hat einen etwa zehnmal höheren CO2-Fußabdruck als eine Freilandtomate.
Der neue Gewächshausanstrich könnte – theoretisch – auch in Deutschland den Bedarf an künstlicher Beleuchtung senken und gleichzeitig die Erträge steigern. Damit könnten heimische Gemüsebauern nachhaltiger wirtschaften und die Importquote von Gemüse gesenkt werden.