Nordkorea und die Bombe

Erneut wird wie schon 2006 vermutet, dass der Atomtest nicht gelungen ist und Nordkorea die Technik zur Herstellung von Atomwaffen noch nicht beherrscht

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Nachdem Nordkorea erneut einen Atomtest durchgeführt und mehrere Kurzstreckenraketen abgefeuert hat, wurden das südkoreanische Militär und die 28.000 in Südkorea stationierten US-Verbände in die zweithöchste Alarmbereitschaft versetzt. Allerdings versuchte US-Verteidigungsminister Gates den Konflikt nicht weiter hochzuschaukeln. Man werde keine weiteren Streitkräfte nach Südkorea entsenden, sagte er. Wenn Nordkorea militärisch eine Provokation mache, habe man die Mittel, um dagegen vorzugehen. Im UN-Sicherheitsrat drängen die USA darauf, eine neue Resolution mit schärferen Sanktionen wegen des Atomtests zu beschließen. Nordkorea hat schon einmal gedroht, auf weitere Sanktionen mit schärferen "Selbstverteidigungsmaßnahmen" zu reagieren. Am Freitag wurde erneut eine Kurzstreckenrakete abgefeuert.

Vergleich der Sprengkraft der Explosionen von 2006 und 2009. Bild: CTBTO

Da die USA angeblich, wie die staatliche Nachrichtenagentur KCNA behauptet, einen Angriff vorbereiten, weil mit Atomwaffen bestückbare F22 zu einer Übung nach Okinawa und Guam gebracht werden sollen, drohte Nordkorea mit Krieg. Auch gegenüber Südkorea wurde erneut die übliche Aggressionsrhetorik geäußert, nachdem bereits gesagt wurde, dass man den Beitritt des Landes zur Proliferation Security Initiative als Kriegserklärung verstehe und deswegen das Waffenstillstandsabkommen mit Südkorea aus dem Jahr 1953 nicht mehr als gültig betrachte. Die nordkoreanische Armee werde nicht zögern, so die nordkoreanische Nachrichtenagentur mit der gewohnten Rhetorik, die Feinde auszulöschen, wenn sie sich nicht benehmen.

Das nordkoreanische Außenministerium bezeichnete die fünf Atommächte mit einem permanenten Sitz im Sicherheitsrat als scheinheilig, weil sie den Atomtest kritisiert haben. Der Atomtest sei der 2.054ste, erklärte man, "99,99 Prozent" seien von den fünf Atommächten ausgeführt worden. Den Atomtest verstehe man als "Selbstverteidigungsmaßnahme", mit der man auf die Resolution 1718 reagiert habe, die nach dem ersten Atomtest beschlossen wurde. Nordkorea nimmt für sich das Recht in Anspruch, Raketen abfeuern und Atomtests durchführen zu können, da das Land dem Atomwaffensperrvertrag nicht beigetreten sei.

Kim Jong Il beim Besuch einer chemischen Fabrik. Bild: KCNA

Gates ging noch davon aus, dass der Atomtest vom letzten Montag eine höhere Sprengkraft als der vor 3 Jahren gehabt haben soll. Damals war umstritten gewesen, ob Nordkorea wirklich Plutonium verwendet hatte und ob der Test mit einer Sprengkraft von etwa einer kT überhaupt gelungen sei (Hat Nordkorea nur geblufft?). Zwar wurde später bestätigt, dass radioaktive Spuren gefunden wurden, aber wie viel nukleares Material verwendet wurde, blieb unklar. Ebenso wurde bezweifelt, dass Nordkorea damit gezeigt habe, dass es auch Atomwaffen bauen könne (US-Geheimdienstchef bestätigt Atomtest Nordkoreas). Die herrschende, in Luxus lebende Clique, die das verarmte Land, in dem viele Millionen Menschen hungern müssen und auf Lebensmittelhilfe aus dem Ausland angewiesen sind, wie ein großes Gefängnis mit brutalen Mitteln beherrscht und die weltgrößte Armee mit, hatte selbst beansprucht, nun eine Atommacht zu sein. Damit will sich das Regime vor Angriffen schützen und die Weltgemeinschaft, allen voran die USA, erpressen. Im April hat das Regime eine Langstreckenrakete getestet, sagte allerdings, es habe sich um eine Rakete gehandelt, mit der angeblich ein Wettersatellit ins Weltall gebracht werden sollte.

Auch dieses Mal gibt es wieder Zweifel, ob der Atomtest tatsächlich ein Beleg dafür ist, dass Nordkorea über Atomwaffen verfügt. Zwar sei die Sprengkraft der Explosion mit einer Stärke von 4,5-5 auf der Richterskala ein weniger größer als die vor drei Jahren gewesen, als die für die Kontrolle des Atomwaffensperrvertrags zuständige Organisation Comprehensive Nuclear-Test-Ban Treaty (CTBTO) mit den bislang 247 Messstationen angegeben hat. Aber das entspräche nur einer Sprengkraft von 4 kT oder weniger und sei 3-4 Mal kleiner als eine erfolgreiche Atombombe in der Stärke der Hiroshima-Bombe – 12-20 kT - sein müsste, erklärt der Geologe Jefferey Park, Direktor des Yale Institute for Biospheric Studies, im Bulletin of the Atomic Scientists.

Ausbreitung des Bebens kurz nach der Explosion. Bild: CTBTO

Danach besteht berechtigter Zweifel, ob eine Kettenreaktion überhaupt ausgelöst wurde, da die Sprengkraft dafür zu klein ist. Möglicherweise, so überlegt Park, sei die Bombe nicht richtig explodiert, was für ihn die wahrscheinlichste Option ist, da Nordkorea mehr an politischen Gesten liege, während die Technik wie bei den Langstreckenraketen eher fehlerbehaftet sei. Tests seien aber nur bei der schwerer herzustellenden Plutoniumbombe notwendig, während sie bei einer leicht herzustellen Uran-235-Bombe gar nicht erforderlich seien. Zur Herstellung von Uran 235 werden Zentrifugen benötigt, während Nordkorea sein Plutonium aber aus dem Abfall der Atomkraftwerke zu gewinnen scheint.

Es könne auch ein Hightech-Sprengkopf gewesen sein, der mit weniger Plutonium auskommt, was Park aber ausschließt. Die Nordkoreaner könnten aber auch eine Atomexplosion mit traditionellem Sprengstoff vorgetäuscht oder aber eine viel größere Bombe weit unter der Erde zur Explosion gebracht haben, um die wirkliche Sprengkraft nicht erkennen zu lassen. Letzteres mache auch politisch für das Regime keinen Sinn, die Vortäuschung einer Atomexplosion sei unwahrscheinlich. Park geht davon aus, dass es Nordkorea vermutlich immer noch nicht gelungen sei, eine "einfache Plutoniumbombe" richtig explodieren zu lassen.