Nordsyrien: Amnestie für Strafgefangene, IS-Angehörige entlassen

Seite 3: Milde Urteile gegen IS-Anhänger in Deutschland

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Sorge bereiten der Selbstverwaltung auch die vergleichsweise milden Urteile der deutschen Justiz gegen IS-Anhänger. So wurde die bspw. die Witwe des IS-Kämpfers Denis Cuspert, auch bekannt als der Berliner Gangsterrapper "Deso Dogg", zu dreieinhalb Jahren Haft wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland verurteilt.

Das ist in etwa das Strafmaß, womit linke Kurden und deren Sympathisanten in Deutschland regelmäßig analog zur türkischen Regierungspolitik als 'Unterstützer einer terroristischen Vereinigung im Ausland' nach § 129b verurteilt werden. Straftaten werden ihnen nicht vorgeworfen, denn der §129b sieht vor, Menschen zu verurteilen, die sich solidarisch mit jenen Widerstandsbewegungen im Ausland erklären, die die bundesdeutsche Justiz im Gegensatz zur belgischen Justiz als terroristisch einstuft.

Vergleicht man die Höhe der Haftstrafen gegen vermeintliche PKK-Kader mit dem Strafmaß der verurteilten IS-Anhänger, könnte man meinen, die deutschen Gerichte setzen IS-Mitglieder und vermeintliche PKK-Anhänger gleich: Das Oberlandesgericht Koblenz verurteilte einen Kurden wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland zu zweieinhalb Jahren Haft. Ihm wird zur Last gelegt, Spenden- und 'Propagandakampagnen' als Gebietsleiter der PKK organisiert zu haben.

In Berlin wird eine Kurdin zu 2 Jahren Haft mit drei Jahren auf Bewährung verurteilt. Auch ihr werden lediglich Gebietsleitung, Spendensammlungen und die Organisation von Demonstrationen vorgeworfen. Straftatbestände gegen die Kurdin lagen nicht vor.

Im Fall der zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilten Hamburger IS-Anhängerin lagen eindeutige Straftatbestände vor, denn sie hatte sich mit ihrem Mann eine ezidische Sklavin mit ihrer Tochter gehalten und den Tod des Kindes durch Verdursten in Kauf genommen. Dreieinhalb Jahre wegen Sklaverei und Beihilfe zum Mord gegen zweieinhalb Jahre wegen der Organisation von Spendenkampagnen - wo ist da die Verhältnismäßigkeit?

Ebenfalls in Hamburg wurde Elina F. nur zu zwei Jahren auf Bewährung für die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland verurteilt. Die Hamburgerin, die nachdem ihr erster IS-Mann umgekommen war, einen zweiten IS-Terroristen geheiratet hat, mit dem sie zwei Kinder hat, soll für den IS geworben haben.

Eine 33-jährige Frau aus dem Raum Aschaffenburg hielt sich beim IS im Irak und Syrien auf. Sibel H. wurde festgenommen und verbrachte acht Monate in einem kurdischen Gefangenenlager. In Deutschland wurde sie zwar zu drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, aber ihr wurden für jeden Tag Lagerhaft nach Paragraf 51 des Strafgesetzbuches drei Tage Haft in Deutschland angerechnet.

Somit ist sie quasi auf freiem Fuß, denn die verbleibende Reststrafe kann zur Bewährung ausgesetzt werden. Sonderbar, dass die Behörden der Selbstverwaltung international nicht anerkannt werden, die Lagerhaft in der Verantwortung dieser Behörden aber beim Strafmaß bei IS-Anhängern berücksichtigt werden.

Eine 30 Jahre alte Frau aus Vechta wurde zu einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung und wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz verurteilt. Das OLG Celle war der Überzeugung, sie habe sich glaubhaft von der Terrormiliz losgesagt (Az: 5 StS 1/20).

Dass die vergleichsweise milden Urteile gegen deutsche IS-Anhänger die Selbstverwaltung in Nordsyrien beunruhigt, ist nachvollziehbar. Was, wenn diese nach zwei Jahren Haft oder weniger freigelassen werden und sich wieder IS-Schläferzellen anschließen?

Der IS ist dabei, sich zu reorganisieren. Die Türkei ist dabei mit im Boot.