Notfallplan: Spaltet die AfD den Verfassungsschutz?
Sicherheitskreise treffen Vorbereitung: Wo die AfD mitregiert, will der Verfassungsschutz Landesämter vom Informationsfluss abschneiden. Sie schrieben bereits Skandalgeschichte.
Verfassungsschutzämter standen in der Vergangenheit oft in der Kritik, weil sie Informationen über die militante Neonaziszene nicht mit der Polizei geteilt hatten. Aktuell wird befürchtet, sie könnten demnächst zu viele Informationen mit der AfD teilen.
Worst-Case-Szenario: Innenminister mit AfD-Parteibach
Zwar ging sie vor Gericht erfolglos gegen ihre Einstufung als rechtsextremistischer Verdachtsfall durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) vor - doch beim aktuellen politischen Kräfteverhältnis ist nicht auszuschließen, dass das eine oder andere Landesamt für Verfassungsschutz demnächst einem Innenminister mit AfD-Parteibuch unterstellt wird. In drei ostdeutschen Bundesländern, die demnächst neue Landtage wählen, ist die AfD stärkste Kraft in den Umfragen.
Kalter Informationskrieg, falls die AfD mitregiert?
Ein "Notfallplan" der Sicherheitsbehörden für den Fall einer AfD-Regierungsbeteiligung auf Landesebene sieht nun vor, das jeweilige Landesamt für Verfassungsschutz vom Informationsfluss abzuschneiden. Dies berichteten am Donnerstag die Zeitungen des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) unter Berufung auf Sicherheitskreise in Bund und in Ländern. Eine entsprechende Entscheidung sei bereits getroffen worden, hieß es mit Blick auf die Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen im September.
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Die dortigen Verfassungsschutzbehörden haben bereits eine bewegte Vergangenheit. Der Thüringer Verfassungsschutz brauchte in den 1990er-Jahren und um die Jahrtausendwende keine AfD in Regierungsverantwortung, um später als Skandalbehörde in die Geschichte einzugehen.
Die Neonazi-Gruppierung "Thüringer Heimatschutz", in der sich das spätere Kerntrio des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) radikalisierte, wurde jahrelang von einem V-Mann des Landesamts für Verfassungsschutz geleitet.
Thüringer V-Mann-Skandal: Der Fall Tino Brandt
Der heute 49-jährige Tino Brandt ließ später als Zeuge im Münchner NSU-Prozess keinen Zweifel an der Echtheit seiner Gesinnung und sah sich keineswegs als Verräter; schließlich habe er von den V-Mann-Honoraren sogar Geldstrafen für Kameraden bezahlt.
Der Thüringer Verfassungsschutz habe ihn, der später in Coburg wohnte, immer wieder vor anstehenden Hausdurchsuchungen gewarnt und "netterweise Bescheid gesagt"; auch wenn die bayerische Polizei involviert gewesen sei, sagte Brandt 2022 in einem Untersuchungsausschuss des bayerischen Landtags.
Auch an das 1998 untergetauchte Trio hatte Brandt Geldzuwendungen vom Thüringer Verfassungsschutz weitergeleitet. Erst Ende 2011, als die im Jahr 2000 begonnene bundesweite Mordserie an neun Kleinunternehmern mit Migrationshintergrund und der versuchte Doppelmord an zwei Polizeibeamten dem Trio zugeordnet werden konnten, begann auch die politische Aufarbeitung der Rolle des Verfassungsschutzes.
Erst Verfassungsschutzpräsident, dann rechter Publizist
Die denkwürdige V-Mann-Praxis in Thüringen war dabei eng mit dem Namen Helmut Roewer verknüpft, der das Landesamt von 1994 bis 2000 geleitet hatte. Inzwischen ist der Ex-Behördenchef pensioniert und gelegentlich publizistisch tätig, unter anderem für den Kopp-Verlag. Auch das kürzlich verbotene ultrarechte Compact-Magazin führte ihn als Autor auf.
Mittlerweile weht ein anderer Wind im Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz, aber der dürfte sich im Fall einer AfD-Regierungsbeteiligung erneut drehen: Seit 2015 wird die Behörde von Stephan Kramer geleitet, der zuvor Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland war. Die AfD wirft ihm vor, das Amt politisch zu instrumentalisieren, während Kramer betont, es werde nur bei Bedrohungen für die freiheitlich-demokratische Grundordnung aktiv.
Deutsche Karrieren beim Inlandsgeheimdienst
Auch der Brandenburger Verfassungsschutz schrieb unrühmliche Geschichte im Zusammenhang mit Neonaziterror: Der damalige V-Mann-Führer Gordian Meyer-Plath fuhr in den 1990er-Jahren den wegen versuchten Mordes verurteilten Carsten Szczepanski alias V-Mann "Piato" als Freigänger von der JVA zu Treffen mit anderen Neonazis und gab wichtige Informationen nicht an die Polizei weiter. Dennoch machte Meyer-Plath nach Aufdeckung des NSU Karriere als Präsident des sächsischen Landesamts für Verfassungsschutz. Erst 2020 wurde er abgelöst.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz wiederum wurde von 2012 bis 2018 von Hans-Georg Maaßen geleitet. Unter seinem Nachfolger Thomas Haldenwang wurde Maaßen dort selbst im Phänomenbereich Rechtsextremismus abgespeichert. Zu den Gründen zählt seine Aussage, Deutschland benötige eine "Chemotherapie" und der Vergleich "kulturfremder Ausländer" mit Krebszellen.
Im Zusammenhang mit dem NSU-Skandal hatte der Jurist und Autor Heribert Prantl erklärt, der Verfassungsschutz sei "entweder überflüssig oder gefährlich".