Österreich will das Problem Islamismus bei den Wurzeln packen

Seite 2: Direkte Einflussnahme der türkischen Regierung

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Die Türkische Religionsbehörde schickt in der Türkei ausgebildete Imame in die Welt hinaus, u.a. auch nach Deutschland. In Österreich unterstehen 60 von ca. 300 Moscheen dem DIB. Diese wiederum unterstehen logischerweise auch den Vorgaben aus der Türkei. Dort werden dann Weisheiten - die Fatwas - in die Welt posaunt, dass es keine Sünde sei, wenn Väter ihre Töchter ansähen und dabei Lust empfänden, dass Händchen halten vor der Ehe ebenso unislamisch sei wie Augenbrauen zupfen. Das klingt alles amüsant, in der Realität dient es jedoch der sozialen Kontrolle - insbesondere von Frauen. Und so wird ein reaktionäres Welt- und Frauenbild vermittelt.

Inwiefern die Vorgaben aus der Türkei 1:1 in den Predigten der Imame in Österreich umgesetzt werden, ist nicht zweifelsfrei zu ermitteln. Auch nicht, welche Koranstellen und welche Interpretationen von welchen Geistlicher verwendet werden. Aber es liegt nahe, dass diejenigen, die die Gebetshäuser finanzieren, Einfluss nehmen wollen auf die Inhalte. Deswegen sollen diese stärker kontrolliert und die Ausbildung der muslimischen Geistlichen zur staatlichen Angelegenheit erklärt werden.

Dazu will man als ersten Schritt alle fremd finanzierten Imame ihres Amtes entheben. Im Klartext heißt das, dass die Visa der vom DIB eingesetzten Vorbeter nicht verlängert werden. Einer hat das Land bereits verlassen, mehr als 60 weitere werden folgen. Die entsprechenden Vereine wollen dagegen klagen.

Das hat mit dem Islam zu tun

Vielfach wird der Zusammenhang zwischen dem "friedlichen" und dem "politischen" Islam, also den friedlich vor sich hin betenden Geistlichen und Gläubigen einerseits und den radikalen Salafisten oder gar den Gotteskriegern andererseits, bestritten.

Der Berliner Psychologe und Publizist Ahmand Mansour hingegen sieht in den reaktionären Inhalten, die in vielen (bei weitem nicht allen) Moscheen ganz friedlich vermittelt werden, in der teilweise sehr rückständigen Weltsicht der zumeist älteren Muslime und in den daraus resultierenden restriktiven (Familien)Traditionen und -gesetzen den Boden, auf dem die Bereitschaft wächst, sich radikalen Predigern anzuschließen und schlussendlich in den Dschihad zu ziehen. Gepaart mit dem Gefühl, ausgeschlossen zu sein, keine Perspektive zu haben und der Erwartung, im Kalifat endlich "anzukommen".

Das deckt sich mit den österreichischen Erfahrungen. So sagte z.B. im Wiener "Islamisten-Prozess" ein Angeklagter aus, ausschlaggebend für den Entschluss nach Syrien zu reisen sei gewesen, dass seine Burka tragende Freundin vielen Anfeindungen ausgesetzt gewesen sei. Die junge Familie hätte gehofft, dass im Kalifat ein Leben nach ihren Vorstellungen möglich sei. Ähnliches sagte auch eine junge österreichische Muslima aus, die sich auf den Weg nach Syrien gemacht hatte.

Mansour beschreibt das Phänomen und mögliche Lösungswege in seinem Buch "Generation Allah". Natürlich ist nicht im Umkehrschluss jede Muslima und jeder Muslim eine Schläferin oder ein verkappter Gotteskrieger. Aber zu behaupten, der radikale Fundamentalismus habe nichts mit dem Islam zu tun, ist ungefähr so logisch, wie zu behaupten, Exorzismus habe nichts mit dem Katholizismus zu tun.