Old Atze und der Schatz im Silbersee

Seite 4: Atze Brauner sucht den Superstar

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Brauner störte an solchen Wünschen, dass sie Geld kosteten. Noch ärgerlicher waren die hohen Gagenforderungen. In seinen Memoiren wundert er sich darüber, dass ihn diese Menschen nicht zum Frührentner gemacht haben. Filmstars ähneln für ihn "großen unerzogenen Kindern"; manche "sind eher mit Patienten zu vergleichen". Mitte der 50er begann Brauner, gegen seine Stars öffentlich zu polemisieren. Um "die Monopolstellung der wenigen immer unverschämtere Gagenforderungen stellenden Stars zu brechen", rief er mit Hilfe der Illustrierten Revue etwas ins Leben, das sich "Die große Chance" nannte. Aus 12 000 Bewerbern wurden zwei junge Frauen und zwei junge Männer ermittelt, die in dem Film Einmal eine große Dame sein mitmachen durften. Brauner traute sich aber nie, seinen Schützlingen eine Starrolle zu geben. Einer der Gewinner, Gustl Weishappel, ging als Sprecher zum Bayerischen Rundfunk und wurde eine lokale Radiolegende. Immerhin.

Brauner hatte nicht viel Glück, wenn er versuchte, den deutschen Film endlich auf den "richtigen" Weg zu bringen. Im Februar 1960 gab es in München ein Geheimtreffen zwischen acht Großverleihern und den drei wichtigsten unabhängigen Produzenten, darunter Artur Brauner. Das "Gagenkartell" wollte verbindlich festlegen, dass Spitzenstars wie Maria Schell oder Curd Jürgens maximal 100.000 DM pro Film verdienten und andere Publikumslieblinge entsprechend weniger. Es wurde auch gleich eine Liste aufgestellt. Wer was wert war, konnte man dann in der Zeitung lesen. Diese Manifestation des freien Unternehmertums zog viel Spott auf sich. Robert Siodmak gab dem Spiegel ein Interview, in dem er das Gagenkartell zum blanken Unsinn erklärte, weil das Blind- und Blockbuchen ohne die verteufelten Stars nicht funktionieren konnte. Dann beschrieb er, wie die Produzenten ihre eigenen Vorschriften unterlaufen konnten - was diese auch prompt taten. Ganz vorne mit dabei: Atze Brauner.

Besonders schwer hatte es Atze mit den Ausländern. Der Österreicher Hans Moser verlangte zusätzlich zur Gage eine teure Spielzeugeisenbahn und eine goldene Uhr; Omar Sharif, Orson Welles und James Mason wollten 1.000 Dollar pro Woche für Spesen und "leben wie Herrgott in Frankreich. Auf meine Kosten." In seiner Autobiographie teilt uns Brauner mit, was von solchen Figuren zu halten ist: "Mit ausländischen Stars sind die Gagenverhandlungen am schwierigsten. Diese Leute kommen ja nur, weil ihr persönlicher Kurs daheim ins Bodenlose gesunken ist. Sie haben ein paar ‚Flops’ hinter sich, … aber sie fühlen sich noch als die ganz Großen, und ihnen klarzumachen, dass sie das nicht mehr sind …, ohne sie bis ins Mark zu treffen, das ist eine Aufgabe, die nur mit der Delikatesse eines Psychiaters zu lösen ist." Ein paar von den Stars wären vielleicht auch gekommen, wenn Brauner ihnen ein künstlerisch interessantes Projekt angeboten hätte.

Wettrennen mit Graf Stauffenberg

1953 sorgte Brauner für erregte Debatten, als er ankündigte, einen Film über die Geschwister Scholl drehen zu wollen. Zuerst protestierte der Vater von Hans und Sophie Scholl, dann die Schwester Inge Aicher-Scholl (Verfasserin von Die weiße Rose). Intellektuelle nahmen die CCC unter Beschuss, weil sie dem deutschen Film im Allgemeinen und Brauner im Besonderen eine angemessene Behandlung des Themas nicht zutrauten. Ihnen schlossen sich solche an, die das "Dritte Reich" möglichst schnell vergessen wollten und ihr wahres Anliegen hinter Phrasen von Würde und Ehre verbargen. Es half auch nicht, dass der Spiegel berichtete, die geänderte Fassung des Drehbuchs drücke sich vor einer Erwähnung der Judenverfolgung, da der Film "ja auch gesehen werden" solle. Schließlich zog Brauner das Projekt zurück.

Bald darauf steckte er schon wieder mitten in einem heftig geführten Meinungsstreit, neben dem die Empörung, die rund um Scientology, den "Mut" von Tom Cruise und den Film Valkyrie entfacht wurde, wie ein laues Lüftchen wirkt. Sowohl die CCC als auch die Ariston in München kämpften mit harten Bandagen darum, als erste mit einem Stauffenberg-Film im Kino zu sein und gaben alles, um die Angehörigen der Widerstandskämpfer in ihr Lager zu ziehen. Alle Versuche von Politik und Filmwirtschaft, die Kontrahenten zu einem gemeinsamen Projekt zu bewegen, scheiterten. Es gab Klagen und Strafanzeigen, eine Debatte im Bundestag über den Schutz von Persönlichkeitsrechten und den Antrag eines Teils der CDU-Fraktion, die Darstellung von zeitgeschichtlichen Ereignissen in Spielfilmen erst nach 30 Jahren zu erlauben, wenn keine Einwilligung der handelnden Personen oder deren Angehörigen vorlag. Allen Widerständen zum Trotz wurde Brauners Der 20. Juli am 21. Juni 1955 uraufgeführt. Atze bekam schlechte Kritiken, fühlte sich ungerecht behandelt und hatte auch noch das Wettrennen verloren. Die Ariston hatte mit Es geschah am 20. Juli das Ziel zwei Tage früher erreicht.

Ein trauriges Kapitel: Deutschland und die Remigranten

Brauner hatte zweifellos Recht, wenn er feststellte, dass die Mehrheit der Deutschen von einer ehrlichen Auseinandersetzung mit der Nazi-Vergangenheit nicht viel wissen wollte. Denen, die Hitlers Reich aus politischen Gründen verlassen hatten, konnte es passieren, dass sie als "Vaterlandsverräter" beschimpft wurden; ehemaligen jüdischen Mitbürgern wurde kurzerhand ihr "Deutschtum" abgesprochen. Auch die Amerikaner waren nicht daran interessiert, Filmkünstler, die das "Dritte Reich" im Exil überlebt hatten, zur Rückkehr zu bewegen. Eine Filmindustrie, die schon einmal ein ernstzunehmender Konkurrent Hollywoods gewesen war, durch Leute von internationalem Format wieder stark zu machen, war nicht Teil des Plans. Die Amerikaner setzten lieber auf das Personal, das früher für die Ufa oder die Terra gearbeitet hatte und meistens von eher provinziellem Zuschnitt war. Brauner ist es hoch anzurechnen, dass er das tat, was alle anderen versäumt hatten, auf später verschoben oder durch die Ehrung von Verstorbenen ersetzten. Er hätte die Regisseure, die er zurückholte, aber besser behandeln sollen. (Brauner würde jetzt bestimmt sagen, dass es sein Geld ist, über das ich hier so großzügig verfüge.)

In Brauners Memoiren erfährt man über seine Kindheit und Jugend in Lodz vor allem dies: er ging so oft wie möglich ins Kino. Seine Helden hießen Tarzan, Buffalo Bill und - Fritz Lang. Langs Dr. Mabuse, der Spieler hat seine Vorstellung von der Kinematographie geprägt wie kein anderer Film. Im Sommer 1957 kam Lang nach Berlin, weil er und Brauner sich darauf verständigt hatten, ein Remake von Der Tiger von Eschnapur zu machen. Für Brauner sollte sich damit "ein Jugendtraum" verwirklichen. Fritz Lang hatte von Hollywood die Nase voll, wollte gern wieder in Deutschland drehen und war zum Schnäppchenpreis zu haben: 70.000 DM für die Inszenierung von Der Tiger von Eschnapur und Das indische Grabmal, 38.000 DM für die Mitarbeit am Drehbuch, 7,5 Prozent Gewinnbeteiligung (zum Vergleich: die Hauptdarstellerin Debra Paget, in Hollywood nicht wirklich ein großer Star und in Deutschland kaum bekannt, bekam 200.000 DM).

Debra Paget in "Das indische Grabmal"

Lang war ein Perfektionist, bereitete seine Filme minutiös vor und achtete auf jedes Detail. Bei Produzenten gilt so jemand rasch als Verschwender. Die beiden Tiger-Filme kosteten am Ende 4,7 Millionen DM und waren Brauners bis dahin ehrgeizigstes Projekt. Als Aufpasser stellte er Lang den Produktionsleiter Eberhard Meichsner zur Seite. Lang stand von Anfang an unter enormem Zeitdruck, weil der Drehplan zu knapp kalkuliert war (wie fast immer bei der CCC). Es gab Drohungen und gegenseitige Schuldzuweisungen, Streitereien über "zeitraubende Kompliziertheiten" und ein Gefeilsche um jeden Meter Rohfilm. Lang hat wenig Schriftliches über seine Brauner-Erfahrungen hinterlassen. Seinen Briefen merkt man an, wie peinlich es ihm war, anderen zu erzählen, wie man mit ihm umgegangen war.

Lang an Meichsner, 15. August 1958:

"Ich weiß nicht, auf welche Kalkulationen Sie den in Ihrem Schreiben angegebenen Durchschnittsverbrauch von Negativ und Positiv ausgerechnet haben, doch glaube ich, dass Ihre Anregung, zu Beginn einer Szene so schnell als möglich die Schauspieler sprechen zu lassen … wertvoll ist und unbedingt versucht werden sollte. … Da meine schwere Arbeit meine ganze Konzentration erfordert, hoffte ich, nicht gezwungen zu sein, selbst über jegliche Verspätung Buch führen und Ihnen tägliche Berichte vorlegen zu müssen, und vor allem glaubte ich, dass wir Hand in Hand arbeiten würden. Hier möchte ich auch noch hinzufügen, dass ich Sie sehr ernst bitten möchte, jene berühmten Sätze, die mit den Worten beginnen: ‚Lieber Herr Lang, bei uns in Deutschland - usw. usw.’ in Zukunft zu unterlassen. … ich möchte nicht in Versuchung kommen, Ihnen einmal sagen zu müssen, was man über viele Dinge, die es in Deutschland gegeben hat, in der Welt denkt."

Meichsner an Brauner, 10. Oktober 1958:

"Es ist demoralisierend für alle Beteiligten, … am Sonntag zu arbeiten, wenn dann diese Zeit für Zusatznummern und für Effekte verwandt wird, die vom großen Publikum nicht erkannt werden."

Telex von Brauner an Meichsner, 12. November 1958:

"liefertermine muessen bestehenbleiben sonst einige hunderttausend mark konventionalstrafe wenn herr lang nicht sofort mit tempoanforderungen einverstanden muessen umgehend anderen regisseur absenden erwarte bescheid."

Lang drehte die beiden Filme unter ungeheurem Druck zu Ende und schuf ein souveränes Alterswerk, das in Frankreich bejubelt und in Deutschland einhellig verrissen wurde. Die deutsche Presse hatte schon vorher darüber berichtet, dass der Emigrant Lang in Amerika nichts Rechtes zustande gebracht habe und wie dankbar er sein musste, wieder in Deutschland arbeiten zu dürfen. Jetzt überbot man sich an Gehässigkeit. Die Welt veröffentlichte anstelle einer Kritik einen Nachruf: "Hier ruht Fritz Lang, einst Schöpfer so gewichtiger Filme wie ‚Metropolis’ und ‚M’. Das ‚Indische Grabmal’ ist sein eigenes." Irgendwann wird man Der Tiger von Eschnapur und Das indische Grabmal als zwei der ersten Werke nennen, die man anführen sollte, wenn es darum geht, was die CCC zum deutschen Kino beigetragen hat. Man darf aber fragen, ob Lang diese Filme wegen oder trotz Atze Brauner gedreht hat.

Papas Kino in der Krise: Atze wird "riskant"

Von 1956 bis 1962 fiel die Zahl der verkauften Kinokarten von 817 auf 443 Millionen. Im Rekordjahr 1956 wurden 123 Filme hergestellt, 1962 nur noch 61. Es gab spektakuläre Firmenpleiten. Produzenten wie Brauner sahen die Schuld beim Fernsehen (Zahl der Fernsehteilnehmer 1956: 681.000; 1962: 7,2 Millionen). Für Deutschlands Jungfilmer war die Krise der Beleg dafür, dass "Papas Kino" endgültig abgewirtschaftet hatte, künstlerisch wie finanziell. Brauner ahnte, dass da etwas im Entstehen war, an das man sich anhängen sollte.

Die Franzosen hatten die Nouvelle vague. Brauner proklamierte die "Riskante Welle". Er wollte jungen Talenten eine Chance geben, sagte er. Nachwuchskräfte sollten Exposés einreichen, in denen sie heiße Eisen anpackten, Filmkritiker sollten die interessantesten aussuchen, und daraus sollten, mit viel Idealismus der Beteiligten, mit wenig Gage und eventuell einer Gewinnbeteiligung, tolle neue Filme entstehen. Die "absolute künstlerische Unabhängigkeit" sei garantiert. Um keine Zeit zu verlieren, hatte Atze sich schon einmal drei Stoffe zurechtgelegt, bevor in aller Unabhängigkeit etwas entschieden wurde (die Lage der Gastarbeiter; ein Hund verfolgt einen KZ-Häftling; eine deutsche Schulklasse in Israel). Außerdem drohte er, sein Studio in Spandau zu schließen und 400 Angestellten zu kündigen, wenn der Berliner Senat nicht sofort finanzielle Hilfen zusagte.

Rechtzeitig zur Berlinale 1963 war der erste und letzte Film der "Riskanten Welle" fertig und wurde ausgepfiffen. In Mensch und Bestie hetzt ein SS-Kommandant seinen Bruder, einen entflohenen KZ-Häftling zu Tode. Brauner gab "Anregungen" zum Drehbuch. Das Ganze klingt wie eine von den Geschichten, die er schon in der Schublade hatte, als er den Nachwuchs um Exposés bat - nur mit Günther Ungeheuer (SS-Mann) statt dem Hund. Götz George spielt den Flüchtling. Niemand, den ich kenne, hat den Film gesehen. 1980 wurde eine gekürzte Fassung angekündigt, die nie verliehen wurde. Brauner gibt dem Regisseur, der auch noch ein Kritiker war und damit gleich zwei Berufsgruppen repräsentierte, die ihm das Leben schwer machen, die Schuld an diesem Misserfolg.

Edgar Wallace mit kleinem "B": Was draufsteht ist nicht immer drin

O-Ton Atze Brauner: "Den Mann, der den Film gemacht hat, den Produzenten, kennen die Filmfans im Allgemeinen nicht. Bei mir war das anders. Nicht zuletzt durch meinen Spitznamen ‚Atze’ war ich überall bekannt geworden." Das stimmt. Atze trat als der dynamische Macher auf, ließ sich mit tief dekolletierten Damen ablichten, war überall präsent und gab den Produzenten so, wie sein Publikum sich das vorstellte. Andere, vielleicht wichtigere und bedeutendere Branchengrößen hielten sich diskret im Hintergrund. Einer von ihnen heißt Waldfried Barthel. Ihn hat man vergessen.

Barthel gründete am 1. April 1950 mit dem dänischen Filmkaufmann Preben Philipsen die Constantin Filmverleih GmbH. Philipsens Vater Constantin hatte 1897 die Produktionsfirma Rialto-Film gegründet. Barthel hatte einen Programmberater namens Gerhard F. Hummel, der 1959 stellvertretender Geschäftsführer der Constantin wurde und sich um eine erkennbare Produktlinie bemühte. Hummel kam auf die Idee, Romane von Edgar Wallace zu verfilmen. 1959 drehte die Rialto Der Frosch mit der Maske. Das war der Beginn eines Krimibooms und der Auftakt zu einer Filmreihe, deren kommerzieller Erfolg nur noch von den Karl-May-Filmen übertroffen wurde. 1961 wurde Horst Wendlandt Herstellungsleiter bei der Rialto. Er hatte prägenden Einfluss auf die Serie, gab ihr neben den Regisseuren Harald Reinl und Alfred Vohrer ein Gesicht.

Für Brauner war das doppelt ärgerlich. Die Constantin konkurrierte mit der Gloria, mit der ihn eine enge Partnerschaft verband, und Wendlandt hatte früher für ihn gearbeitet. Vor etlichen Jahren hatte Brauner von Norbert Jacques, dem Erfinder des Dr. Mabuse, sehr günstig und ohne zeitliche Beschränkung das Recht erworben, den Namen des Superverbrechers verwerten und eigene Stoffe mit dem dämonischen Doktor verfilmen zu dürfen. Weil er bei "Erfolg" immer gleich an bekannte Namen denkt, engagierte er, als Fritz Lang nach Die 1000 Augen des Dr. Mabuse keine Kraft und keine Lust mehr hatte, den Regisseur Harald Reinl und dazu noch ein paar Schauspieler, die man zuvor in Wallace-Filmen gesehen hatte. Mit dem Konkurrenzprodukt der Rialto konnte die Mabuse-Reihe aber nicht mithalten.

Die Rechte an fast allen Romanen von Edgar Wallace hielt dummerweise die Rialto. Aber der Autor hatte einen Sohn gezeugt, Bryan Edgar Wallace, der Krimis mit Science Fiction-Elementen schrieb. Ihm kaufte Brauner die Filmrechte an seinen Büchern ab und dazu das Recht, seinen Namen benutzen zu dürfen. Der Vorname Bryan wurde auf ein B abgekürzt (sehr klein), der "Edgar Wallace" groß herausgestellt. Der Henker von London wurde als "Edgar-Wallace-Film" angekündigt, worauf die Rialto eine einstweilige Verfügung gegen die CCC erwirkte. Vorsicht ist also angebracht. Nicht überall ist Edgar Wallace drin, wo "Edgar Wallace" draufsteht. Der Regie-Erstling von Dario Argento, den der Co-Produzent Brauner bei uns unter dem Titel Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe und als "Wallace-Film" herausbrachte, weil er weiterhin den Vertrag mit Bryan Edgar hatte, basiert auf Fredric Browns Roman The Screaming Mimi. Die deutsche Fassung ist ziemlich unglücklich gekürzt, und Brauner hätte Argento während der Dreharbeiten am liebsten gefeuert. Man muss daher nicht zu euphorisch darüber werden, dass er dem Meister des Giallo seinen Debütfilm ermöglicht hat.

Brauner scheint nie begriffen zu haben, dass die Rialto mit Hilfe von Edgar Wallace ihre ganz eigene Art der Vergangenheitsbewältigung betrieb (und auch deshalb so erfolgreich war). Es gibt immer junge, der Aufklärung verpflichtete Helden und dubiose Finstermänner aus der Vätergeneration, die dunkle Geheimnisse mit sich herumgetragen und mindestens eine Leiche im Keller haben. In Alfred Vohrers Die blaue Hand wird das selbstironisch kommentiert, wenn im obligatorischen Geheimgang ein Skelett herumsteht, die Hand zum "deutschen Gruß" erhoben. Die konkurrierenden CCC-Produktionen zeichnen sich dagegen durch Ideenarmut und Beliebigkeit aus, weshalb alles jederzeit kräftig durchgemischt werden konnte.

Der Roman The Device von Bryan Edgar Wallace sollte als Die scharlachrote Dschunke verfilmt werden und kam schließlich als Scotland Yard jagt Dr. Mabuse (1963) in die Kinos, nachdem man den Bösewicht der Vorlage durch Mabuse ersetzt hatte. Mit dabei waren Dieter Borsche, Werner Peters und Klaus Kinski, die im selben Jahr auch im (echten) Wallace-Film Der schwarze Abt auftraten. Das erhöhte den Wiedererkennungswert. Brauner träumte vom "Welterfolg", von der "Weltgeltung" und jedenfalls von einer Welt, in der deutsche Produktionen nicht für einen geringen Fixbetrag ins Ausland verscherbelt werden mussten, weil sie keiner haben wollte. Der Weg zum internationalen Kassenschlager führte über die "Internationalität".

Wie wäre es mit folgendem Stoff: Ein FBI-Agent kämpft gegen Mabuse, der irgendwie mit dem Syndikat aus Chicago im Bunde ist, weshalb Mrs. Pizzaro die Bimbo Bar besucht und vom Griechen Dimitrios beobachtet wird. Alberto Sandro wird in Schwefelsäure aufgelöst, während sich im Magen einer besser erhaltenen Leiche chinesisches Essen findet, das eine Italienerin serviert hat. Ein Pfarrer trinkt am liebsten Rèmy Martin, aber wenigstens Kommissar Lohmann hat einen DAS-Aufkleber an der Windschutzscheibe. Das alles und noch viel mehr darf man miterleben, wenn man sich die DVD mit Im Stahlnetz des Dr. Mabuse ausleiht. In Brauners Neuverfilmung von Das Testament des Dr. Mabuse diagnostiziert der Psychiater einen "Eintopf der Gedanken". Wie wahr. Während die Rialto aus den britischen Krimis von Edgar Wallace sehr deutsche Geschichten machte (vom Londoner Nebel darf man sich nicht täuschen lassen), raubte Brauner Dr. Mabuse, dem deutschen Superverbrecher schlechthin, die Identität. Der Welterfolg blieb aus.