"Omikron" bereits in Deutschland: infektiöser, aber milder?
Über die neue Coronavirus-Variante gibt es nach dem ersten Schock auch Berichte, die vorsichtig optimistisch stimmen können. Die Freigabe der Impfstoffpatente bleibt dennoch zentral
In München ist nach Angaben des Max-von-Pettenkofer-Instituts für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie bei zwei Reiserückkehrern aus Südafrika die neue Variante des Coronavirus festgestellt worden. Die beiden Reisenden seien am 24. November mit einem Flug aus Südafrika eingetroffen, sagte Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) am Samstag, als die Reisebeschränkungen der Bundesregierung gerade erst in Kraft getreten waren.
Nach Angaben des Institutsleiters und Virologen Oliver Keppler stand eine Genomsequenzierung der Proben beider Patienten zunächst noch aus. Es sei aber "zweifelsfrei bewiesen, dass es sich um diese Variante handelt", sagte Keppler laut Agenturberichten.
Gegenüber dem Bayerischen Rundfunk betonte er, angesichts der hochkritschen Situation in der aktuellen "Delta-Welle" sowie "einer vor der Tür stehenden Omikron-Welle" seien jetzt strenge und massive Maßnahmen nötig. "Ich glaube, dass ein Bundeslockdown, also einheitliche Maßnahmen für ganz Deutschland, notwendig sein werden", sagte Keppler und plädierte zudem für eine Impfpflicht. Dies sei, so glaube er "nicht mehr abzuwenden".
Impfstoffmangel in Teilen Deutschlands – und weltweit
Allerdings mangelt es gerade in mehreren bayerischen Landkreisen an Impfstoff, ebenso zum Beispiel in Hamburg. Hinzu kommen hohe verfassungsrechtliche Hürden für eine allgemeine Impfpflicht, von der der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Freitag gesagt hatte, sie werde "akut nicht helfen". Er selbst steht wegen des Impfstoffmangels in Teilen Deutschlands in der Kritik.
Unterdessen sehen sich Hilfs- und Menschenrechtsorganisation erneut darin bestätigt, dass die von ihnen geforderte Freigabe der Impfstoffpatente so schnell wie möglich erfolgen muss. Solange die Vakzine nicht weltweit allen Menschen zur Verfügung stünden, wachse in armen Ländern die Wahrscheinlichkeit neuer Virusmutationen: "Es ist kein Zufall, dass die neue Corona-Variante ausgerechnet im südlichen Afrika auftaucht, sondern ein großes Versagen", erklärte am Samstag Till Küster von Medico International.
"Variant of Concern"
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte die neue Virusvariante B.1.1.529 oder "Omikron" am Freitag als "besorgniserregend" ("Variant of Concern") eingestuft.
Allerdings gibt es bisher "nur" Hinweise auf eine leichtere Übertragbarkeit und den Verdacht, dass es bei dieser Variante wegen Veränderungen am Spike-Protein mehr Impfdurchbrüche geben könnte. Laut einem Bericht der ARD-tagesschau hat in Hongkong ein positiv auf die Omikron-Variante getesteter Mann in einem Quarantäne-Hotel eine Person im gegenüberliegenden Zimmer angesteckt, weil er möglicherweise bei der Essensannahme an seiner Tür keinen ausreichenden Mundschutz getragen hat. Auch von einer sehr hohen Viruslast bei den Infizierten in Hongkong war die Rede.
Keine Anhaltspunkte gibt es aber dafür, dass die neue Variante aggressiver oder tödlicher wäre als die bisher bekannten Varianten.
Es gibt sogar Hinweise darauf, dass Covid-19-Infizierte mit dieser Variante auf mildere Verläufe hoffen können: Die südafrikanische Ärztin Dr. Angelique Coetzee soll nach Medienberichten als erste Medizinerin die Behörden auf die Möglichkeit einer Mutation hingewiesen haben. Laut einem Bericht des britischen Telegraph sagte sie dem Blatt, dass die Symptome der neuen Variante ungewöhnlich, aber milde seien.
Sie berichtete von etwa zwei Dutzend betroffenen Patienten, die seit Anfang dieses Monats in ihre Praxis in Pretoria gekommen seien und positiv auf Covid-19 getestet worden seien. Zum Teil hätten sie über große Müdigkeit und Abgeschlagenheit geklagt, keiner von ihnen habe dagegen unter dem typischen Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns gelitten. Ein sechsjähriges Kind habe eine erhöhte Pulsfrequenz gehabt. Die Hälfte der Patienten sei ungeimpft gewesen.
Auffällige Veränderungen zeigt die neue Virusvariante ausgerechnet am Spike-Protein, mit dem sich das Virus an menschliche Zellen bindet - mit diesem Mechanismus machen Covid-19 Impfstoffe die Immunabwehr mittels "nachgebauter" Spike-Proteinpartikel vertraut. Die Frage ist nun, wie gut das darauf trainierte Immunsystem die veränderte Variante "erkennt".
In Südafrika gelten zurzeit nur 35 Prozent der Bevölkerung als vollständig gegen Covid-19 geimpft - was verglichen mit europäischen Ländern eine sehr niedrige Impfquote ist, für afrikanische Verhältnisse aber eine vergleichsweise hohe: Auf dem Kontinent sind insgesamt nur 6,6 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft. Neue Virusvarianten würden dort, wo die medizinische Versorgung am schlechtesten ist, auch möglicherweise sehr spät identifiziert.
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