Opas Radio wird mit neuer Technik wieder aufpoliert

Die digitale Kurzwelle und der Traum vom bundesweiten Radio

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Satellit und Kabel sind für Radio im Gegensatz zum Fernsehen keine optimale Lösung: Weder im Auto noch in der Küche oder im Schlafzimmer ist ein Kabel- oder gar Satellitenanschluss praktikabel. UKW-Sender können aber – ähnlich wie terrestrische Fernsehsender – nur ein begrenztes Gebiet abdecken. Stattdessen sollen nun die Lang-, Mittel- und Kurzwellen wiederbelebt werden.

Der Traum vom Lokalradio um die Ecke ist in Deutschland Ernüchterung gewichen: Zwar klappt es mit dem Geldverdienen bei landes-, bundes- ja selbst per Satellit europaweit sendenden Sendern nicht so doll, weil der Bäcker am Ort kaum europaweite Werbung schalten wird und große Handelsketten, für die dies Sinn machen würde, stattdessen lieber bei vielen kleinen, aber gut gehörten Radiosendern werben.

Andererseits sind die Ausgaben für Redaktion und Moderatoren für eine Radiostation mit Sender nur in Posemuckel und eine landes- oder gar bundesweit zu hörende Station fast dieselben. Und seit die Konjunktur und damit der Werbemarkt eingebrochen sind, ist die Decke für Kleinsender ziemlich kurz geworden. Selbst die Frequenz 92,4 MHz in München mit großer Vergangenheit – hier starteten einst die zuvor aus Südtirol sendenden Stationen ihr erstes Programm im Lande – war zuletzt lange Zeit nur mit der Übernahme des Münchner Ausbildungsradios von der Frequenz 94,5 MHz belegt, weil das von Helmut Markwort geplante "Focus-Radio", das sich zuvor sogar die Frequenz erklagen wollte, vor dem Start abgesagt wurde: Markwort sah den wirtschaftlichen Erfolg nach dem Scheitern des ähnlich gepolten Vorgängers FAZ-Businessradio nicht mehr.

Bundesweites Radio ist in Deutschland nicht vorgesehen

Doch im Gegensatz zum Fernsehen ist in Deutschland ein bundesweites privates Radioprogramm zunächst einmal nicht zugelassen. Auch nicht für die öffentlich-rechtlichen Sender, von Deutschlandradio und Deutschlandfunk sowie der ohnehin nicht für Hörer im Land bestimmten deutschen Welle einmal abgesehen: Die föderale Struktur mit separaten Sendern für jedes Bundesland, die auch bei den öffentlich-rechtlichen hohe Kosten verursacht, wurde nach dem Krieg von den Alliierten festgelegt, um der Wiederholung eines nationalen Propaganda-Reichssenders vorzubeugen. Manche Spartenprogramme wie Klassik-Radio senden zwar aus Städten über ganz Deutschland verteilt, ein Zusammenschluss von wirklich landesweit empfangbaren Senderketten wie "Antenne Bayern" und "Antenne Thüringen" wäre allerdings beispielsweise nicht mehr möglich.

Dieses deutsche Dilemma wurde auch auf den Münchner Medientagen in verschiedenen Veranstaltungen angegangen. Im Panel "European Radio" rechnete Beate Appel, COO von Eurocast, Berlin vor, dass vor fünf Jahren Deutschland im europäischen Vergleich der Radio-Werbeausgaben noch klar auf Platz 1 gelegen habe, 2003 jedoch Frankreich und Großbritannien deutlich größere Hörfunk-Werbemärkte geboten hätten und sich dies noch vergrößern werde, da in anderen europäischen Märkten – im Gegensatz zu Deutschland – "Entschlossenheit, Schnelligkeit, Handlungsbereitschaft und Mut" normal seien "und mit Wachstumseffekten belohnt" würden.

Daniel Sedlacek, CEO von Media Marketing Services aus Prag lobte dabei die Konzentration: In der Tschecheslowaki, wo seine Firma vierzig Radiostationen besitzt, wachse der Hörfunk-Werbemarkt jährlich um zehn bis 15 Prozent, wobei sich früher noch 74 einzelne Besitzer von Radiostationen den Markt aufgeteilt hätten; heute seien es gerade noch fünf nationale "Player". Dadurch könnten zielgruppenspezifischere Programme angeboten werden.

Auch Christo Grozev, Director of Radio Division, Metromedia International Telecommunications, Wien, vertrat die These, dass Besitzerkonzentration für den wirtschaftlichen Erfolg von Hörfunkstationen unabdingbar sei. "Das Radio könne nicht lokal bleiben, wenn es überleben wolle, sondern müsse national und dadurch vielfältiger werden", so Grozev. In Ungarn beispielsweise könnten die Hörer aufgrund der Stärke der insgesamt 14 nationalen Programme auch viele Nischen-Formate empfangen, von Pop und Rock über Jazz bis hin zu Folklore. Im Panel "Quo Vadis Radio" sprach Bernt von zur Mühlen hier von der "föderalen Falle".

Mangelnde Werbeeinahmen zwingen zur Konzentraion

Im Extrem sieht man diese Entwicklung in Amerika mit der Radiogesellschaft Clear Channel, zu deutsch "freier Kanal" oder auch "guter Empfang", mittlerweile jedoch auch oft als "sauberer Kanal" fast im Sinne von Sudel-Edes "Schwarzen Kanal" verstanden, in dem eben alles gleichgeschaltet ist und Individualität keine Chance mehr hat: Freche Moderatoren wie Howard Stern und radiokritische Songs wie Tom Petty’s The Last DJ fliegen bei Clear Channel raus, die Marktmacht ist enorm.

Von Frankreich berichtete Christophe Montague, Director International Strategy and Development NRJ Group, Paris, dass dort Radio – wie in den meisten anderen Ländern – als nationales Medium verstanden würde, das eventuell lokale "Fenster" für Werbung, Nachrichten o. ä. öffne – so wie bei uns nur für das teurere Fernsehen üblich. NRJ verbreitet sich ja als Radio Energy auch über Deutschland.

Diese Entwicklung mag zwar konsequent sein, wenn ohnehin überall nur derselbe Dudelfunk mit dem meisten von heute und gestern, dem besten Mix und dem einzigartigen "geheimnisvollen Geräusch" läuft und sich teils fünf solcher Mainstream-Dudler in einer Stadt um die Hörer streiten, statt sich auf einzelne Musiksparten zu diversifizieren: Gehören alle Sender ohnehin derselben Firma, so wie in den USA üblich, ist es nämlich plötzlich kein Problem mehr, verschiedene Formate anzubieten.

Nur eine Betreibergesellschaft wäre nicht akzeptabel

Allerdings ist dann auch klar, dass diese Firma ein Monopol erhält: Wer dann bei der Rockstation als Moderator rausgeflogen ist, braucht sich die Erniedrigung, sich bei einer Schlagerstation zu bewerben, gar nicht mehr antun, weil diese zum gleichen Unternehmen gehört. Ebenso werden nicht genehme Nachrichten dann nicht mehr gesendet. Dies wäre wie eine bundesweite Monopolzeitung. Selbst beim Fernsehen haben wir bislang mit RTL und Sat1/Pro7 neben den öffentlich-rechtlichen Sendern noch zwei große Mediengruppen.

Auch ist der große Vorteil von Radio gerade, dass es im Gegensatz zum Fernsehen sowohl in der Produktion wie im Senden mit minimalen Mitteln auskommen kann: Ob Piratensender, Bürgerfunk oder Webradio mit Spezialmusik: Eine bundesweite Gleichschaltung will hier niemand, auch wenn ein Webradio sogar weltweit gehört werden kann. Und gerade die kleinen Sender gehen mit großer Begeisterung ans Werk – bis mitunter leider das Geld ausgeht und sie an eine Kette verkauft werden. Andere Probleme sind ähnlich gelagert wie beim Fernsehen: Es wird nur noch auf die werberelevante Hörerschaft geschielt, Senioren und Kinder bleiben bei den kommerziellen Sendern außen vor. Und die absehbare Digitalisierung wird verschlafen.

DRM soll Lang-, Mittel- und Kurzwelle wiederbeleben

RTL – Radio Tele Luxemburg, das bereits seit den 30ern auf Lang- und Mittelwelle, später auch auf Kurzwelle und Satellit Landesgrenzen und damit die Radiogesetze der jeweiligen Staaten ignorierte, ist inzwischen nur noch als Fernsehsender bekannt – die Satellitenradiokanäle erreichten keinerlei Reichweite. Sowohl das deutsche Schlagerprogramm "Radio Luxemburg" auf Kurzwelle, das mit Radios mit "Luxemburg-Taste" dem Hörer näher gebracht werden sollte, doch – auch aus empfangstechnischen Gründen – oft furchtbar klang, als auch das unter Kennern berühmtere englische Mittelwellenprogramm "208" sind Geschichte. Lediglich mit der Langwelle in Frankreich hat RTL noch etwas zu melden.

Mit DRM – was hier nicht für das ungeliebte Digital Rights Management steht, sondern für Digital Radio Mondial, weltweites Digitalradio – also der digitalisierte Kurzwellenrundfunk (und natürlich auch Rundfunk auf Lang- und Mittelwelle) – soll dies nun anders werden: Mit ausgeklügelten Algorithmen soll die Unberechenbarkeit der Kurzwellenausbreitung mit Empfangsschwund, Überlagerungen und Mehrwegeempfang über die Atmosphäre gezähmt werden. Die Lautstärkeschwankungen und Verzerrungen der gewöhnlichen Amplitudenmodulation (AM) gehören ebenso wie die Wiedergabe jedes Zündfunkenknatterns bei der digitalen Übertragung der Vergangenheit an. Massive Funkstörungen durch Powerline könnten allerdings problematisch werden (Daten aus der Steckdose - Müll im Funk).

Auf die qualitativ weit bessere Frequenzmodulation (FM) wie auf UKW konnte man in diesen Frequenzbereichen nicht umsteigen, da FM mehr Bandbreite benötigt, die in diesen Bereichen einfach nicht vorhanden ist: Eine FM-Rundfunkausstrahlung belegt bei 75 kHz Frequenzhub 300 kHz Bandbreite, doch das ganze Langwellen-Rundfunkband von etwa 150 bis 280 kHz ist nicht einmal halb so breit. Auf Kurzwelle sind die Sender gar mit teils nur 5 kHz Abstand gestapelt statt der mehreren 100 kHz Abstand auf UKW.

Aufwendige Algorithmen stopfen UKW-Sound in MW-Kanäle

Erst mit modernsten Audiokompressionsverfahren ist es zu schaffen, in die Kurzwellenkanäle UKW-ähnliche Qualität zu stecken. Dazu gehört das weit effektiver als MP3 komprimierende Advanced Audio Coding (AAC) sowie Spectral Band Replication (SBR): Hier werden Frequenzen nachträglich per Extrapolation erzeugt, die zu hoch waren, um sie mit der vorhandenen Bandbreite zu übertragen. Auch ein Stereosignal kann so künstlich errechnet werden, was dann "parametric stereo" genannt wird. Die von Coding Technologies, einem kommerziellen Spin-Off des Fraunhofer-Institus in Erlangen entwickelte Kombination aus AAC und SBR ist Grundlage der DRM-Digitalübertragung

Es ist allerdings klar, dass es sich hier nicht um HiFi handeln kann: Es wird noch weit mehr akustisch hinzugemogelt als bei MP3 und es ist ein Unterschied zwischen tatsächlich übertragenen Obertönen eines Musikinstruments und mathematisch errechneten Pseudo-Obertönen. Dennoch ist anzunehmen, dass das Ergebnis besser klingt als die heutige Kurzwelle. Einen Praxistest wird Telepolis in wenigen Tagen folgen lassen.

Ein Sender für ein ganzes Land – oder weltweit

So soll die in Deutschland inzwischen als "Opas Dampfradio" eingemottete Lang-, Mittel- und Kurzwelle wieder für Sprach- und auch Musiksendungen interessant werden, denn diese Wellenbereiche haben den großen Vorteil, an der Ionosphäre reflektiert zu werden – bei der Kurzwelle sogar mehrfach – womit sie im Gegensatz zu UKW und Fernsehen weit über die optische Reichweite (also die direkte Luftlinie = Sichtbarkeit des Sendemastes, normal nicht mehr als 60 bis 100 Kilometer, nur bei Sendern auf sehr hohen Bergen weiter) hinaus gehört werden können: Ein Sender kann ein ganzes Land abdecken oder gar – auf der Kurzwelle weltweit gehört werden.

Die ersten bekannteren Interessenten hieran sind die DRM auch technisch und im Marketing fördernde deutsche Welle, die ja auf Kurzwelle weltweit gehört sein will – für deutsche Urlauber ebenso wie für an Deutschland interessierte ausländische Hörer – und der BBC World Service. Nach einer zeitweisen Überbewertung des Internet durch die deutsche Welle (Verfahrensmissbrauch: WIPO rügt Deutsche Welle) ist man dort inzwischen zur Erkenntnis gekommen, dass Urlauber unter Palmen selten ein Satellitentelefon dabei haben, um Internetradio zu hören, ebenso Webradio in armen Ländern undenkbar ist und vor allem in Diktaturen überhaupt kein freier Internetzugang existiert: "2/3 der Menschheit leben in Einparteiendiktaturen ohne offene Informationsquellen", so Intendant Erik Bettermann. Auch will die deutsche Welle zukünftig vom reinen Wortprogramm wegkommen. Mit der Selbsterkenntnis "24 Stunden Kurzwellensound – noch dazu mit wortlastigen Programmen – kann kein Mensch ertragen: Radio ist auch ein sinnliches Medium" nimmt Bettermann den Info- und Wortprogramm-Puristen den Wind aus den Segeln.

Die deutsche Welle ist dabei nicht für den Hörer in Deutschland gedacht, was dazu führte, dass die ARD zeitweise die Lang-, Mittel- und Kurzwellenbereiche aufgeben wollte und sich auch nicht mehr gegen die Störungen durch Powerline sträubte; allerdings will nun auch Deutschlandradio bei DRM mitmachen, weil sich eine bundesweite Ausstrahlung auf UKW mangels freien Frequenzen als nicht realisierbar herausgestellt hat.

RTL auf den Spuren von Megaradio

Auch RTL will nun die goldenen Jahre der Radios mit silberner oder grüner Luxemburg-Taste wieder aufleben lassen: Die Übernahme deutscher UKW-Sender, die dann RTL-Radio ausstrahlen, hat sich für den luxemburger Radiogiganten als juristisch zu aufwendig herausgestellt; stattdessen will man über die bewährte Sendeanlage in Luxemburg Deutschland, England und Frankreich mit verschiedenen Programmen in DRM auf Lang-, Mittel- und Kurzwelle versorgen. Damit könnte man dann eines Tages RTL-Radio im Küchen- oder Uhrenradio hören.

Ähnliche Pläne mit DRM und Mittelwelle hatte übrigens auch Megaradio, nur ging dieser Sender bereits in Konkurs, bevor DRM tatsächlich marktreif wurde. Mit einer Erweiterung vom bei 30 MHz endenden Kurzwellenbereich auf 120 MHz könnte DRM zukünftig sogar FM auf UKW ersetzen – im Vergleich zu DAB allerdings bei reduzierter Klangqualität und dafür mit erheblich mehr Programmen.