Orden für Antisemiten?

Die ungarische Regierung zeichnete den Moderator Ferenc Szaniszló, den Rockmusiker János Petrás und den Archäologen Kornél Bakay aus

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Der 15. März ist einer der drei ungarischen Nationalfeiertage. Das Datum erinnert an die Märzrevolution von 1848. An diesem Tag werden seit 1990 die Táncsics-Preise vergeben – eine staatliche Auszeichnung für Journalisten. 2013 bekam diesen Preis der Fernsehmoderator Ferenc Szaniszló, der beim regierungsfreundlichen Sender Echo TV arbeitet. Das erregte internationales Aufsehen, weil sich der für Provokationen bekannte Journalist 2009 öffentlich gefragt hatte, ob man die israelischen Juden nicht umsiedeln müsse, wenn man weiter arabisches Öl brauche - und an welchem Ort man sie wohl haben wolle.

Hinsichtlich des ebenfalls geäußerten Vorwurfs, Szaniszló habe Roma als Affen bezeichnet, ist nicht ganz klar, ob er sich mit dieser Bezeichnung auf einzelne Personen oder auf die gesamte Volksgruppe beziehen wollte. Nachdem mehrere Táncsics-Preisträger aus früheren Jahren aus Protest gegen Szaniszló ihre Medaille (aber nicht die 400.000 Forint Preisgeld) zurückgaben, erklärte Zoltán Balog, der ungarische Minister für Gesundheit, Soziales, Jugend, Bildung, Kultur und Sport, sein Bedauern und bestritt, von den umstrittenen Äußerungen des Moderators vor der Preisverleihung Kenntnis gehabt zu haben.

János Petrás. Foto: Derzsi Elekes Andor. Lizenz: CC BY-SA 3.0 HU.

Die Affäre Szaniszló lenkte die Medienaufmerksamkeit jedoch auch auf zwei andere Preisträger: Einer davon ist János Petrás, der Sänger der Rockgruppe Kárpátia. Sie schrieb die Hymne der Magyar Gárda, die als marschierender und uniformierter Arm der Jobbik-Partei gilt. Petrás, der das Goldene Verdienstkreuz verliehen bekam, wird unter anderem vorgeworfen, in Kárpátia-Texten zur Rückeroberung ungarisch besiedelter Gebiete in der Slowakei, Rumänien und Serbien aufzurufen.

Noch merkwürdiger als die Verleihung des Goldenen Verdienstkreuzes an Petrás ist die des ungarischen Verdienstordens an den Archäologen Kornél Bakay, der der Meinung ist, Jesus sei kein Jude, sondern ein parthischer Prinz und die (nach herkömmlicher Lesart indogermanischen) Parther mit den Ungarn verwandt gewesen. Sieht man sich Bakays Werk genauer an, dann stellt sich nicht nur die die Frage, ob er ein Antisemit ist, sondern auch, welche wissenschaftlichen Kriterien für die Verleihung von Preisen in Ungarn angelegt werden.

Der heute 72-Jährige konzentrierte sich in seinen Publikationen auf die Herkunft seines Volkes. Auffallend dabei ist vor allem seine Ablehnung der Einstufung des Ungarischen als finno-ugrische Sprache. Diese linguistisch unumstrittene (aber von Bakay nicht anerkannte) Gruppe umfasst neben Ungarisch auch Finnisch, Estnisch und die Mundarten einer Reihe in Russland siedelnder kleiner Völkerschaften wie der Udmurten. Darüber hinaus postuliert Bakay, dass es sich bei den Zeichen auf den Vinča-Kultur-Tontafeln von Tărtăria nicht um Ornamente handelt, sondern um eine mit der sumerischen Keilschrift verwandte Schrift einer 7.000 Jahre alten prä-indogermanischen Donauzivilisation.

Damit steht er unter Archäologen, Historikern und Linguisten international relativ isoliert da. Seine Karriere konnte das jedoch nicht hindern: Schon vor 2013 erhielt er in seiner Heimat zahlreiche Preise, Ehrungen, Forschungsgelder und gute Posten als Hochschullehrer und Museumsdirektor. 2004 brachte er ein Geschichtsbuch für die fünfte Klasse heraus, in dem er nicht nur seine Ablehnung der Darwinschen Evolutionslehre zum Ausdruck bringt, sondern auch in anderen Bereichen den Stand der Forschung zugunsten teilweise sehr bizarrer Spekulation verwirft: Vor allem hinsichtlich der antiken jüdischen und griechischen Staaten, der Etrusker, der Kelten, der Hunnen und der Magyaren weicht das Schulbuch für Elf- bis Zwölfjährige massiv vom weltweiten wissenschaftlichen Konsens ab, ohne dies kenntlich zu machen.

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