PARTEI fordert Obergrenze für Abgeordnete

Wegen der zusätzlichen Abgeordneten müssen im Plenarsaal neue Stühle montiert werden. Foto: Times. Lizenz: CC BY-SA 2.5

Hat der Bundestag mehr Abgeordnete als vorgesehen, sollen diese entsprechend weniger verdienen

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Durch die vielen Ausgleichsmandate, die vor allem deshalb zustande kamen, weil die CSU zwar alle 46 bayerischen Direktmandate gewann, aber ein historisch schlechtes Zweitstimmenergebnis erzielte (vgl. Die CSU nach dem schlechtesten Bundestagswahlergebnis seit 1949), wird der neue Bundestag, der am 24. Oktober erstmals zusammentritt, 709 Sitze haben - 79 mehr als der letzte und 111 mehr als die 598 eigentlich vorgesehenen.

Das kostet wegen der Diäten, Mitarbeiter und anderer Ausgaben sehr viel zusätzliches Steuergeld - etwa 300 Millionen Euro bis zum nächsten regulären Wahltermin. Dabei sind die Übergangsgelder und andere Versorgungskosten für die zahlreichen Unions- und SPD-Abgeordneten, die wegen des Einzugs der AfD und der FDP ihre Sitze verloren, noch gar nicht mit eingerechnet.

Martin Sonneborn, der Bundesvorsitzende der Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative (PARTEI), forderte deshalb via Twitter eine "Obergrenze für Abgeordnete im Bundestag".

Tobias Speckin, der Erste Vorsitzender der PARTEI in Niedersachsen, wo am Sonntag gewählt wird, konkretisierte diese Forderung inzwischen als "Obergrenze für die Gesamtsumme der Diäten des kompletten Bundestages". Eine ähnliche Grenze greift bei der Parteienfinanzierung bereits jetzt. Andere Twitter-User entwickelten diese Forderung weiter und forderten beispielsweise eine "relative Obergrenze", von der die "Nebenverdiensthonorare" der Abgeordneten abgezogen werden.

Vorher hatte Reiner Holznagel, der Präsident des Bundes der Steuerzahler, das seiner Ansicht nach "überdimensionierte Parlament" kritisiert und vorgeschlagen, dass sich die im neuen Parlament vertretenen Parteien auf eine "absolute Mandatsobergrenze" verständigen - was bislang jedoch ohne Widerhall aus den Fraktionen blieb (wo man anscheinend kein großes Interesse daran hat, auf gut bezahlte Posten für Mitglieder und die Klientel zu verzichten).

Die Ausgaben für ein Parlament gehören Holznagel zufolge zwar "selbstverständlich zu den Betriebskosten einer demokratischen Grundordnung" - aber "mehr Abgeordnete, bedeuten nicht automatisch mehr Demokratie oder bessere Ergebnisse".

Teure Lösung nach zwei Rügen durch das Bundesverfassungsgericht

Mit der aktuell geltenden Ausgleichsmandatsregelung reißt der Bundestag seinen Worten nach "das Fenster auf und dreht […] die Heizung hoch." Diese recht teure Regelung hatte das Parlament beschlossen, nachdem es das Bundesverfassungsgericht 2012 zum zweiten Mal innerhalb von vier Jahren dazu aufforderte, ein Wahlrecht vorzulegen, das den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit und das Recht der politischen Parteien auf Chancengleichheit nicht unangemessen verletzt.

Dem Vorschlag des klageorganisierenden Vereins Mehr Demokratie, der eine Umsetzung empfohlen hatte, die den Bürgern durch Mehrmandatswahlkreise mehr Wahlmöglichkeiten geboten und die Bedeutung der häufig in Hinterzimmern konstruierten Listen verringert hätte, wollten die Parteien nicht folgen.

Bereits im Juli 2008 hatten die Karlsruher Richter festgestellt, dass das damalige System aus Landeslisten und Überhangmandaten nicht den Vorgaben der Verfassung entspricht und eine Änderung bis spätestens 30. Juni 2011 gefordert.

Dagegen verstießen die damals regierenden Parteien CDU, CSU und FDP gleich in zweierlei Hinsicht: Zum einen ließen sie sich für ihre Änderung trotz der sehr großzügigen Fristsetzung deutlich mehr Zeit - und zum anderen verabschiedeten sie ein von Kritikern teilweise als "Verschlimmbesserung" und vom Verfassungsgerichtspräsidenten Andreas Voßkuhle als "ernüchternd" kritisiertes Gesetz, das weder ein negatives Stimmgewicht noch verzerrende Effekte durch Überhangsmandate ausschloss (vgl. Bundesverfassungsgericht verwirft Wahlrechtsänderung von Union und FDP).

Schon alleine wegen dieser Vorgeschichte des aktuellen Wahlrechts ist es ausgesprochen unwahrscheinlich, dass sich im Bundestag eine Mehrheit für die Forderung der PARTEI und des Bundes der Steuerzahler findet.

Weitere Steuergeldverschwendungsfälle

Letzterer kritisiert in seinem aktuellen Schwarzbuch 2017/2018 nicht nur den "XXL-Bundestag", sondern weitere 118 Fälle, in denen seiner Einschätzung nach grob verschwenderisch mit Steuergeld umgegangen wird - darunter einen 47 Millionen Euro teuren Pfusch am Bundestagsbau, eine auch elf Jahre nach ihrer Einführung noch weitgehend nutzlose (aber 2,2 Milliarden Euro teure) elektronische Gesundheitskarte, 8.000 bis 10.500 Euro teure (und sehr wartungsintensive) Mülleimer mit Solarpresse, einen sieben Millionen Euro teuren (aber wegen fehlender Toiletten nicht nutzbaren) Hochsicherheitsgerichtssaal und einen 500.000 Euro teuren Umsiedlungsversuch von Ostseefledermäusen.