Pakistan in Not: Nicht Klimaveränderung, sondern Schlamperei

Tarbela Damm. Bild: U.S: Marine Corps

In Pakistan ist es einfach, die Zukunft vorauszusagen: Das Wasser wird knapp und es wird Überschwemmungen geben

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Die gute Nachricht: Im Norden und in anderen Landesteilen Pakistans hat es dieses Jahr ungewöhnlich viel geschneit und geregnet. Die schlechte Nachricht ist, dass der Pegel im größten Staudamm des Landes, der Tarbela-Talsperre, bis vor kurzem nur knapp über dem "dead level" lag.

Die Verantwortlichen versuchen das Problem klein zu reden und beruhigen ihre Landsleute, dass sich der Damm mit dem Monsun im Juli wieder füllen wird. Doch nicht einmal das ist sicher, wie der Juli 2018 zeigte, wo der Tarbela-Stausee trotz Regens leer blieb. Der Stausee hat seit seiner Erbauung im Jahr 1977 wegen Versandung 35 Prozent seiner Stau-Kapazität verloren.

So herrscht innerhalb Pakistans schon jetzt ein Kampf ums Wasser zwischen den einzelnen Regionen. Dazu stellen die Opfer der Wasserkrise das Problem Terrorismus in den Schatten: Laut UNICEF sterben in Pakistan jedes Jahr allein 53.000 Kinder an Durchfall, den sie sich durch verdrecktes Trinkwasser zugezogen haben. 30 bis 40 Prozent aller Krankheiten und Todesfälle im Land sind verschmutztem Trinkwasser zu zurechnen.

"Bauen, vernachlässigen, wieder aufbauen"

Zudem wird aktuell wieder klar, warum die Weltbank in einer Studie 2005 zum folgenden Fazit kam: Pakistan verfährt nach dem Prinzip: "Bauen, vernachlässigen, wieder aufbauen". Dabei ignorieren die Verantwortlichen alle wissenschaftlichen Fakten und strapazieren die Infrastruktur des Landes, bis sie zusammenbricht.

Satellitenaufnahme des Tarbela Damms. Bild: NASA

Anfang März stellten die Verantwortlichen im südlich gelegenen Karatschi fest, dass die Planer bei einer 121 Kilometer langen Wasserleitung vergessen haben, vier Brücken einzuplanen, die Wasser vom Keenjhar-See in die 20 Millionen-Einwohner-Metropole transportieren soll.

Zudem wurde nicht an die Stromzufuhr für die Pumpen gedacht. Dass schon letztes Jahr zu sehen war, dass der Keenjhar-See keine Wunderquelle ist, die endlos Wasser liefert, wird selbstverständlich ebenfalls von den Verantwortlichen ignoriert.

Nach dem Schlagabtausch: Pakistan und Indien

Immerhin hat Premierminister Imran Khan bei seiner Antrittsrede im Juli letzten Jahres die Wasserkrise beim Namen genannt. Aber auch beim Thema Wasser kann Khan aktuell nicht, wie er möchte, und der Grund ist Indien. Nach dem letzten gefährlichen "Schlagabtausch" der ungleichen Geschwister lobten selbst indische Medien die taktischen Winkelzüge des ehemaligen Kricketstars, als Khan einen gefangen genommenen indischen Piloten ohne Bedingungen frei ließ.

Narendra Modi stand dann noch entblößter da, denn auch heimische Medien zweifelten zum Teil mit heftigsten Sarkasmus an, dass beim sogenannten surgical strike am 25. Februar auf ein Terrorcamp im pakistanischen Balakot (Indischer Luftangriff auf Terrorcamp in Pakistan) auch nur ein Terrorist getötet wurde:

"Jeder wusste doch, dass die indische Armee schon pakistanische Zivilisten hätte töten müssen, um Opfer vorzeigen zu können, weil klar war, dass die pakistanischen Extremisten in den Grenzgebieten ihre Lager sofort nach dem Anschlag in Pulwama geräumt haben, ohne auf die indische Armee zu warten", sagt der indische Journalist S. Dhar gegenüber Telepolis, dessen Ansicht von nahezu jedem Indien-Pakistan Experten, der keine Propaganda machen muss, geteilt wird.

Das überharte Vorgehen der Modi-Regierung gegen die muslimische Bevölkerung im von Indien verwalteten Teil von Kaschmir vergiftet die Stimmung zusätzlich. Ebenso Modis Hasstiraden gegen die Muslime im Rest von Indien.

Auch das Gerichtsurteil im Fall des Anschlags im Jahr 2007 auf den Samjhota Express (unter den 68 Opfern waren 44 Pakistaner), bei dem die Beschuldigten, alles bekannte Hindufanatiker, freigesprochen wurden, zerstört Vertrauen.

Terroristen

Doch im Fall des pakistanischen Terroristen Masood Azhar hat die indische Regierung recht, wenn sie seine Auslieferung verlangt. Masood ist der Gründer der Jaish-e-Mohammed (JeM) die sich zum Anschlag in Pulwama bekannt hat, bei dem 44 indische Paramilitärs getötet wurden.

Der Fall Masood erinnert an Hafiz Muhammad Saeed, den Führer der Lashkar-e-Taiba, die hinter den Anschlägen 2008 in Bombay steckt, bei denen ein Offizier des pakistanischen Geheimdienstes ISI die ganze Zeit über mit den Terroristen in Verbindung gestanden hatte.

Zwar wird Hafiz ab und zu unter Hausarrest gestellt, wenn die Pakistanische Armee mal wieder vorgibt, gegen Terroristen vorzugehen, ansonsten kann er ungestört als Prediger seinen Hass auf Indien und Andersdenkende verbreiten.

Nur wenn Hafiz und Masood ausgeliefert werden, oder ihnen in Pakistan der Prozess gemacht wird, wäre das ein glaubwürdiges Zeichen, dass die pakistanische Armee ihre Zusammenarbeit mit Terroristen einstellt.

Indien: Politik mit dem Wassernotstand in Pakistan

So dreht die Regierung von Narendra Modi schon jetzt an der Wasserschraube und kündigte an, Wasser drei östlicher Flüsse, das es Pakistan bisher geschenkt habe, künftig für sich zu behalten. Imran Khan erklärte darauf patriotisch, dass dies kein Problem für sein Land sei - was nicht stimmt: In sieben Jahren wird Pakistan mit großer Wahrscheinlichkeit den Wassernotstand erreichen - gerade in der heißen Jahreszeit brauch es jeden Tropfen.

So forciert Imran Khan weiter den Bau von Staudämmen. Die sollen durch Spenden von Auslands-Pakistaner bezahlt werden, doch viele Zweifeln, ob das Geld auf diesem Weg zusammen kommt.

Dabei weisen Wasserexperten wie der Amerikaner Michael Kugelmann regelmäßig daraufhin, dass große Staudämme nicht die Lösung sind. Da Kugelmann seiner eigenen Regierung vorwirft, in Pakistan lieber die Waffenkultur gefördert zu haben, anstatt bei der Problemlösung zu helfen, gilt er nicht nur wegen seiner Studien zum Thema Wasser, als glaubwürdiger "Mahner".

Dass Pakistan das Land auf der Erde mit dem höchsten Wasserverbrauch im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt des Landes ist, zeigt ebenfalls auf, wo die wirklichen Gründe für die Wasserprobleme des Landes liegen: Schlamperei und Verschwendung.

Das Bevölkerungswachstum - von 30 Million im Jahr 1947 auf 208 Millionen (ohne Kaschmir) im Jahr 2017 (letzte Volkszählung) - das Wasserproblem verschärft, ist unbestritten - seitdem sind weitere acht Millionen Einwohner dazu gekommen.

Auch in Pakistan ist ein Hauptgrund für das Bevölkerungswachstum mangelnde Bildung, weil Korruption und der staatsgefährdende hohe Haushalt der Armee die Mittel auffressen.

Dass die pakistanische Armee dann auch noch terroristische Gruppen im Land fördert, um sie für ihre Zwecke in Kaschmir und Afghanistan zu benutzen, stärkt zudem die islamischen Hardliner im Land. Ebenfalls macht das Saudi-Arabien, das mit Millionen von Dollars seine intolerante Islamauslegung des Wahhabismus in Pakistan verbreitet.

Dass, wie am 19. März geschehen, ein Schüler seinen Direktor erstochen hat, weil er dem Schulleiter Blasphemie (Gotteslästerung) vorwarf,, sind Folgeerscheinungen in einem Land, in dem korrupte Politiker und die Armee die Bevölkerung mit Hilfe der Religion in einer Feenwelt halten.

Pakistan in die Moderne führen

Imran Khans Situation erinnert an eine vielfache Zwickmühle: Ohne dass er die Gründe für die Rückständigkeit offen beim Namen nennen kann, möchte er Pakistan in die Moderne führen.

Auch China macht es Khan nicht einfach: Er ordnete für die Pakistaner, die sich unter den Opfern des Terroranschlags auf eine Moschee in Neuseeland befanden, einen Tag der Staatstrauer an, aber es war ihm offensichtlich nicht möglich, sich auch nur mit einem Wort zur Behauptung Chinas zu äußern, dass sie seit 2014 13.000 islamische Terroristen verhaftet haben.

In Pakistan wird jedoch wahrgenommen, wie in China mit Muslimen umgegangen wird, da braucht man kein Prophet zu sein, um weitere Anschläge auf chinesische Staatsbürger voraus zu sagen, die sich wegen des Baus der Neuen Seidenstraße in Pakistan aufhalten.

Was Peking beiträgt, um Pakistans Wasserprobleme zu lösen sind vor allem Kohlekraftwerke. Mit Hilfe von China hofft Pakistan mittelfristig 50 Prozent der Energie aus heimischer Kohle herzustellen. Doch die Kohle aus der Wüste Thar, die Pakistan im Auge hat, ist besonders energieineffizient und stößt mehr CO2 aus als andere Kohle, dabei haben Pakistans Großstädte schon jetzt schwere Probleme mit Luftverschmutzung.

Zudem kann Pakistan so viel Kraftwerke aufstellen wie es will - solange die morsche Infrastruktur nicht erneuert wird, wird es Stromausfälle geben.

Dass Imran Khan bei den Intellektuellen des Landes jegliche Unterstützung verloren hat, ist einfach erklärbar: Sie befürchten, dass das kleine Pflänzchen Demokratie zertrampelt wird und in eine vom Militär und Religion beherrschten Diktatur zurückfällt - obwohl Pakistan das seit den Zeiten von General Zia-ul-Haq (1977) mal mehr, mal weniger ist.

Auch die Intellektuellen zweifeln nicht daran, dass die Oppositionsführer Nawaz Sharif und Asif A. Zardari korrupt sind.

Aber das nicht nur Nawaz Sharif und seine Tochter im Gefängnis gelandet sind, sondern die halbe Sharif Familie der Prozess gemacht wird, dazu bald auch Zardari und seinen Sohn Bilawal, sehen sie als Versuch die politische Opposition dem Erdboden gleichzumachen.

Doch dass niemand im islamisch geprägten Pakistan Premierminister wird, der den Islam außen vorlässt, scheinen die Intellektuellen zu ignorieren. Genauso, dass Imran Khan mit der Pflanzung von Millionen von Bäumen etwas gegen die katastrophalen Umweltschäden Pakistans tut.

Dass Khan endlich kostenlose Bildung für alle möchte und dass er bei Wohnungen nicht nur an Smart Citys für die Reichen denkt, wie seine Vorgänger, sondern auch fünf Millionen bezahlbare Wohnungen für seine einfachen Landsleute plant.

Pakistan wird nicht nur in dieser Region zum Beispiel werden, ob innerhalb wie außerhalb des Landes endlich gelernt wird, zusammen zu arbeiten und die zahlreichen Probleme zu lösen. Der Nachbar Indien hat selbst staatsbedrohende Wasserprobleme.

China könnte dabei eine wichtige Rolle spielen, aber dazu müsste es auch in Peking ein Umdenken geben - nur an das eigene Wachstum zu denken und andere Länder mit Krediten in die Schuldenfalle zu locken, um ihnen dann Kohlekraftwerke anzudrehen, oder wie in Sri Lanka Land und Boden abzujagen, wird die Region nicht voranbringen.

Pakistan und Indien wird es dagegen nicht weiterhelfen, für die Wasserprobleme allein den Klimawandel verantwortlich zu machen, genauso wenig, ihn zu leugnen. Dass aus der guten Nachricht am Anfang dieses Artikels im August eine schlechte Nachricht wird, hat weniger mit dem Klimawandel zu tun - dass es mal mehr schneit und regnet, ist in diesem Teil der Erde kein neues Phänomen.

Dass die zu erwartenden Fluten durch die Schmelzwasser in Verbindung mit dem Monsun dieses Jahr starke Schäden in Pakistan anrichten werden, hat mit pakistanischer Schlamperei zu tun: Seit den schweren Überschwemmungen 2010/11, die bis zu 13 Millionen Menschen aus ihren Häusern vertrieben haben, sind in Pakistan so gut wie keine Maßnahmen gegen Hochwasser getroffen worden.