Patienten zweiter Klasse? Lauterbachs überraschende Wahlkampf-Wende
Im Wahlkampf setzt die SPD auf eine solidarische Bürgerversicherung. Wer sie sonst noch fordert und wer dagegen ist.
Karl Lauterbach (SPD) ist seit drei Jahren Bundesminister für Gesundheit. Im vorgezogenen Bundestagswahlkampf soll es seiner Meinung nach auch um soziale Themen gehen. Zum Beispiel um die Benachteiligung von Kassenpatienten bei der Vergabe von Arztterminen.
Lauterbach benennt Benachteiligung von Kassenpatienten
"Die fortlaufende Diskriminierung von gesetzlich Versicherten als Patienten zweiter Klasse gehört dazu", schrieb er am zweiten Weihnachtsfeiertag auf der Plattform X. "Das Tabuthema Zweiklassenmedizin müssen wir endlich anpacken."
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Dem Tagesspiegel sagte der Noch-Gesundheitsminister in dieser Woche: "Längere Wartezeiten für Kassenpatienten in Praxen und Krankenhäusern sind nicht weiter tragbar. Diese Diskriminierung muss schnellstmöglich enden."
Die Linke-Chefin Ines Schwerdtner kommentierte Lauterbachs aktuelles Engagement in dieser Frage auf X mit den Worten: "Erzählen Sie das mal dem Gesundheitsminister."
Gesundheitspolitik der SPD laut Wahlprogramm
Auch die Idee einer "Bürgerversicherung" für alle hat die Kanzlerpartei SPD in diesem Wahlkampf wiederentdeckt. Hier würden auch Beamte und Selbständige einzahlen sowie alle Einkommensarten berücksichtigt werden. "Wir setzen auf ein solidarisches System, das allen Menschen gleichen Zugang zu Gesundheitsleistungen in gleicher Qualität ermöglicht", heißt es in ihrem Wahlprogramm.
Ein solidarisches Finanzierungssystem schafft Vertrauen und nimmt den Bürgerinnen und Bürgern die Sorge vor finanziellen Belastungen. Versicherte dürften nicht durch ihre Wahl der Krankenkasse benachteiligt werden.
Aus "Mehr für Dich. Besser für Deutschland" / Entwurf eines Regierungsprogramms der SPD zur Bundestagswahl 2025
Umsetzbar wäre dies theoretisch mit den Grünen, der Partei Die Linke und dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), die ebenfalls eine "Bürgerversicherung" beziehungsweise eine "solidarische Gesundheitsversicherung für alle" fordern, aber in anderen Punkten zum Teil inkompatibel sind.
Für duales Krankenversicherungssystem: CDU/CSU, FDP und AfD
In der Praxis sind die Unionsparteien stärkste Kraft in den Umfragen. CDU und CSU wollen das duale System aus gesetzlicher und privater Krankenversicherung beibehalten. Auch die FDP und die AfD sprechen sich dafür aus.
Die SPD erreichte in den letzten Wochen in Umfragen verschiedener Institute zwischen 15 und 18 Prozent, während die Unionsparteien auf 30 bis 36 Prozent kamen.
Die AfD erreichte 17 bis 19,5 Prozent – eine Zusammenarbeit mit ihr haben aber alle anderen bisher im Bundestag vertretenen Parteien ausgeschlossen.
Der Wiedereinzug der FDP ist ähnlich unsicher wie der Partei Die Linke: Beide Parteien lagen in den meisten Umfragen der letzten Wochen nur bei drei bis vier Prozent. Das BSW lag zwar in den meisten Umfragen darüber und erreichte in einer Insa-Umfrage am 23. Dezember sogar acht Prozent, bei Forsa am selben Tag allerdings nur vier Prozent.
Fraglich ist, ob die SPD als möglicher Juniorpartner der Unionsparteien ernsthaft versuchen wird, Forderungen durchzusetzen, die sie nicht einmal gegen den Juniorpartner FDP durchgesetzt hat, als sie selbst den Kanzler stellte.