Portugal: Starker Widerstand gegen Lithium-Minen

Foto: Ralf Streck

Das Land soll weltweit über das sechstgrößte Lithiumvorkommen verfügen, das größte in Europa

Das Serra d'Arga ist ein einzigartiges Gebirge im Norden Portugals, das unter anderem zur malerischen Kleinstadt Caminha gehört. Hier, wo der Grenzfluss Minho in den Atlantik mündet, trennt er gleichzeitig die Region in Portugal von Galicien in Spanien ab.

Hinter Caminha und dem naheliegenden größeren Viana do Castelo türmt sich am Atlantik das Serra-Gebirge gut 800 Meter auf. Es besticht durch viele Seen und Wasserfälle und eine einzigartige Flora, man findet etliche bedrohte Arten. So führt die Route des atlantischen Wolfs durch die Iberische Halbinsel auch in die abgelegene Barroso-Region, die zu einem guten Teil weiter östlich im Landesinneren zum grenzüberschreitenden Biosphärenreservat Gerês-Xurés gehört.

Beide Gebiete vereinen nicht nur die Wege des Wolfs und die eindrucksvolle Naturschönheit, sondern in der Serra d'Arga und in der Barroso-Region soll - nach dem Willen großer Bergbauunternehmen und der Regierung - in großem Stil im besonders umweltschädlichen Tagebau das abgebaut werden, was die sozialistische Regierung in Lissabon schon als das "weiße Gold Portugals" bezeichnet: Lithium.

Das Leichtmetall ist der Stoff, aus dem viele Träume eines "grünen" Kapitalismus gesponnen werden. Es wird für die Batterien Laptops, Tabletts und Smartphones benötigt, aber vor allem für Elektroautos, um die Umstellung des Individualverkehrs auf die angeblich umweltfreundliche Elektromobilität zu schaffen.

"Unter keinen Umständen genehmigen"

Im Norden Portugals regt sich längst großer Widerstand gegen die Pläne, einzigartige Landschaften für den "grünen Kapitalismus" ausgerechnet im Namen des Umweltschutzes zu opfern. Während die regierenden Sozialisten (PS) die Pläne vorantreiben, treffen sie bei den Bewohnern und auch bei den eigenen Parteigängern in den betroffenen Regionen auf großen Widerstand.

"Wir werden alles tun, um den Lithiumabbau im Serra d'Arga zu stoppen", erklärt zum Beispiel der PS-Stadtrat von Viana do Castelo im Interview. Für Luís Nobre handelt sich um das ökologische Erbe der gesamten Region, das nicht durch den Bergbau vernichtet werden dürfe.

Das Thema spielt in der Region am nördlichsten Zipfel des Landes vor den Kommunalwahlen am kommenden Sonntag eine bedeutsame Rolle. Einig ist sich Nobre auch mit seinem Parteikollegen und Bürgermeister von Caminha. "Unsere Mine heißt Biodiversität", erklärt Miguel Alves und spricht von einer "sehr rationalen, keinesfalls emotionalen Position". Auch Alves stemmt sich gegen den Lithium-Abbau in den nahegelegenen Bergen und will keine Bergarbeiter in Naturschutzgebieten sehen.

"Wir werden das Projekt unter keinen Umständen genehmigen", erklärt der Bürgermeister und weiß den Gemeinderat hinter sich, den die PS mit klarer absoluter Mehrheit seit 2017 dominiert. Auch Alves setzt sich seit Jahren dafür ein, dass das Serra d'Arga als Landschaftsschutzgebiet eingestuft wird, um es vor dem Zugriff auf die Bodenschätze abzuschirmen. Einig ist er sich dabei auch mit den Kommunisten (PCP) oder dem marxistischen Linksblock (BE).

Im konservativen Lager ist man in der PSD dagegen eher gespalten, da einige unter den "Sozialdemokraten", wie sich die rechte PSD nennt, in den Minen auch Chancen für die betroffenen Regionen sehen. Allerdings hat der im Januar bestätigte und beliebte Staatschef und PSD-Mitglied Rebelo de Sousa auch gegenüber der sozialistischen Landesregierung unmissverständlich längst seine Position deutlich gemacht: "Ich glaube nicht, dass es jemals eine Mine im Serra-Gebirge geben wird", sagte der Präsident Portugals gegenüber Caminha Radio.

Die Lage sieht also für das Serra d'Arga ziemlich gut aus. Alles hängt von der strategischen Umweltverträglichkeitsprüfung (SUP) ab, mit der alsbald begonnen werden soll. Die Bemühungen, das Gebirge zu einem Landschaftsschutzgebiet zu erklären, sind sehr aussichtsreich. Erwartet wird, dass dies noch im laufenden Jahr geschieht. Anders sieht es dagegen in der Barroso-Region aus. "HELP" wurde dort von der Bevölkerung im Sommer in riesigen Lettern in die Weidelandschaft gemäht.

Britsches Unternehmen

Hier sind die Vorgänge schon deutlich weiter vorangeschritten, Probebohrungen wurden durchgeführt, die Interessen von diversen Bergbaufirmen formuliert. Es handelt sich um ein Lithium-Projekt von vielen, das in Portugal schon am weitesten vorangetrieben wurde. Allen voran sticht in Barroso das britische Unternehmen Savannah Resources hervor, das sich 2017 in das Gebiet eingekauft hat. Es spricht von der "bedeutendsten Spodumen-Lithiumlagerstätte" in Westeuropa.

Tourismus spielt in der Provinz "Trás-os-Montes" (Hinter den Bergen) eine eher untergeordnete Rolle. Staatschef Rebelo do Sousa zweifelt allerdings auch daran, dass es angesichts der komplexen rechtlichen Lage zur Förderung von Lithium weiter östlich im Landesinneren kommen werde, auch wenn das nach dem bisherigen Gesetz "theoretisch" möglich sei, wie er zugibt.

Ein Dekret, das das Kabinett im November zur Neuregelung von derlei Aktivitäten verabschiedet hatte, wurde vom Staatschef nicht abgenickt, sondern zur Neuformulierung an die Regierung zurückgegeben. Darauf hatten unter anderem Bürgerinitiativen und Umweltorganisationen gedrängt.

So hoffen auch die Bewohner im Barroso-Gebiet, die sich wie in Covas de Barroso praktisch alle gegen den Bergbau aussprechen, dass es auch zu keinem Lithium-Abbau in ihrer Region kommt. Allerdings trauen sie den Aussagen des Staatschefs nicht wirklich. Der Vorsitzende der örtlichen Bürgerinitiative zur Verteidigung von Covas do Barroso fragt, wieso Rebelo de Sousa, "der alle und jeden besucht", nicht auch nach Covas de Barroso komme.

"Wir vermissen Erklärungen von ihm und vom Regierungschef", fügt Nelson Gomes an, der selbst Landwirt und Viehzüchter ist. Derzeit finden keine Arbeiten in der Region statt. Die endgültige Genehmigung der Regierung steht aus. Nach einer dreimonatigen öffentlichen Anhörung wartet Savannah Resources auf die Umweltverträglichkeitserklärung der Umweltbehörde, die sich mit 170 Einwendungen beschäftigen muss.

"Mit dem Leben verteidigen"

Denn die Bewohner in der Barroso-Region wollen sich ihre gewohnte Lebensweise hinter den Bergen nicht durch vier Krater zerstören lassen, die eine Fläche von fast 600 Hektar Land beeinträchtigen sollen. Das haben sie eindrücklich dem Vertreter der Regierung sehr deutlich gemacht, als der Energie-Staatssekretär João Galamba in die Region gereist war, um der Bevölkerung das Vorhaben schmackhaft zu machen.

Galamba wurde dabei von zahlreichen aufgebrachten Bürgern mit Transparenten empfangen. "Nein zum Bergwerk. Ja zum Leben", stand darauf. "Es bist nicht du, der hier regiert Galamba. Es ist die Bevölkerung", riefen sie dem Vertreter aus dem fernen Lissabon entgegen.

Sie knüpften an das alte Sprichwort der Region an: "Para cá do Marão mandam os que cá estão" (Auf dieser Seite des Marão-Gebirges haben die das Sagen, die hier leben). Man sei zu allem in der Region bereit, sie auch mit dem eigenen Leben zu verteidigen, erklären erzürnte Bewohner, die für ihre Naturverbundenheit und Gastfreundschaft, aber auch für ihre Dickköpfigkeit bekannt sind.

Man war hier in der dünn besiedelten Region, in der die Winter kalt und die Sommer heiß sind, immer auf sich selbst gestellt. Lissabon habe die wenig entwickelte Region vergessen, weshalb alle Projekte aus der Hauptstadt hier stets auf Misstrauen stoßen.

Um ihre Ablehnung gegen die Lithium-Minen deutlich zu machen, hätten Dutzende Menschen den schweren Dienstwagen von Galamba umringt und mit den Händen auf die Motorhaube und Windschutzscheibe getrommelt, wurde in verschiedenen Medien berichtet. Einen solchen Empfang von seinen eher ruhigen und bedächtigen Landleuten hatte er nicht erwartet.

"Nervöse Polizisten" hätten einem "noch nervöseren Staatssekretär" den Weg freiräumen müssen, da die Situation drohte, außer Kontrolle zu geraten. Galamba musste wieder abreisen. Aus seiner geplanten Rede wurde nichts, um den Leuten zu erklären, welche Chancen das Bergwerk für die Region haben soll, welche Investitionen geplant sind, die angeblich viel Fortschritt hinter die Berge bringen soll.

"Landschaft für immer zerstört" und keine neuen Arbeitsplätze?

Doch einen Fortschritt, der ihre Natur und Lebensweise in wenigen Jahren zerstört, wollen die Menschen in Trás-os-Montes nicht. Tatsächlich zeichnet sich auch dieses Gebiet durch Besonderheiten aus. Deshalb wurde es 2018 von Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) zum ersten landwirtschaftlichen Weltkulturerbe in Portugal erklärt.

Es gehört damit zu den sieben Gebieten in Europa, die als Standort des Global Important Agricultural Heritage Systems (GIAHS) eingestuft wurden. Prämiert werden darüber traditionelle landwirtschaftliche Systeme, "die aufgrund ihrer herausragenden Merkmale - sei es ihre Vielfalt, ihr traditionelles Wissen, ihre biologische Vielfalt, ihre Landschaft, ihr sozioökonomisches Modell oder ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber menschlichen, klimatischen und ökologischen Veränderungen - dazu beitragen können, die Bewirtschaftung moderner landwirtschaftlicher Systeme zu verbessern".

Bezogen hat die FAO dabei auch auf die Viehzucht, denn von hier stammt die Barrosã-Rasse, eine Rinderrasse, die bereits vom Aussterben bedroht war und nach Meinung vieler Portugiesen das beste Fleisch liefert. Besonders sticht die Region aber auch durch die gemeinschaftliche Bewirtschaftung von Agrar- und Weideflächen auf den sogenannten "Baldios" hervor. Kollektiv werden hier auch Wasserressourcen und Wälder bewirtschaftet.

Die Bevölkerung der Region hat Angst, dass genau das alles über eine ohnehin nur kurzfristige Aktivität zerstört wird. Denn nur 16 Jahre lang soll hier nach Lithium gegraben werden. Für den Vorsitzenden der Bürgerinitiative ist es ein Unding, dass riesige Löcher entstehen sollen, "die 150 Meter tief und 600 Meter breit" sind und darüber hinaus riesige und hohe Abraumhalden entstehen.

Damit werde die Landschaft für immer zerstört, meint Gomes. Wie die gesamte Bevölkerung geht auch er davon aus, dass auch das "reinste Wasser Portugals" hoffnungslos verunreinigt werde. Ein ganzer Fluss müsste umgeleitet werden.

Von den üblichen Heilsversprechen, dass hier Arbeitsplätze und Infrastruktur geschaffen wird, hält man in der Region angesichts der Umweltzerstörung durch den Tagebau, bei massiver Staubentwicklung, der befürchten Kontaminierung des Wassers und ständiger Sprengungen nahe der Dörfer wenig. Dass die Bergbaufirma dafür ganze 600.000 Euro im Jahr an Ausgleichszahlungen leisten will, halten die Gegner des Projekts für lächerlich. Im Bergwerk, in das Savannah 150 Millionen Euro investieren will, sollen ohnehin nur 200 direkte Stellen geschaffen werden.

Darüber hinaus würden weitere 600 indirekte Stellen entstehen, erklärte kürzlich der Savannah-Geschäftsführer David Archer im Interview, in dem er sich auch überzeugt gibt, dass die Regierung den "Lithium-Abbau für Europa" genehmigen wird. Denn darüber könne angeblich der Ausstoß von angeblich 100 Millionen Tonnen des Treibhausgases CO2 verhindert werden. Er spricht davon, dass viele Familien in die Region ziehen würde, die auch unter Bevölkerungsschwund leidet. Das jedes Bergwerke aber im Betrieb jeweils fast 1,8 Millionen Tonnen zusätzliches CO2 pro Jahr erzeugen soll, wie Umweltschützer vorgerechnet haben, das sagt Savannah nicht.

Von all den Segnungen, die mit den Bergwerken kommen sollen, halten die Gegner in allen vorgesehenen Gebieten wenig. Unter ihnen gibt es einen Austausch und Solidarität. "Wir lehnen auch jegliche Prospektion an anderen Orten ab, die indirekt zu einer Verschmutzung von Schutzgebieten führen", hat zum Beispiel der Bürgermeister von Caminha erklärt. Die Bergwerks-Gegner in Barroso bekommen inzwischen aber auch internationale Unterstützung, wie ein Protest-Camp im August gezeigt hat.

Dass mit den Bergwerken Reichtum und Arbeitsplätze in der Region geschaffen werden, glauben weder Umweltschützer noch örtliche Autoritäten. Sogar der Savannah-Chef gab im Interview zu, dass es sich vor allem um spezialisierte Stellen handeln soll, schließlich soll der Abbau weitgehend automatisiert über Roboter laufen. Archer spricht deshalb zum Beispiel von "Geologen, Umweltwissenschaftlern, Buchhaltern und IT-Technikern".

Die erhielten zwar tatsächlich Gehälter, die über dem Durchschnitt der Region liegen, aber diese Berufsgruppen sind in der von Landwirtschaft geprägten Region nicht zu finden. Vage bleibt er im Interview auch, was den Schutz des Trinkwassers angeht, man wolle "versuchen, das anfallende Wasser vor Ort zu sammeln und zu recyceln".

Wie der Bürgermeister der größeren Gemeinde Boticas - mit gut 5.000 Einwohnern - gehen deshalb viele hier davon aus, dass die neuen Stellen Leute besetzen werden, die von außen kommen und nicht in der Region leben werden. Sie werden "morgens im Auto kommen und am Ende des Tages in andere Gemeinden zurückkehren", ist Fernando Queiroga überzeugt.

Das schaffe keinen Wohlstand in der Region, meint der konservative Politiker der PSD, bedeute aber "die Zerstörung unserer Region". Wie die Landwirte, Viehzüchter und Umweltschützer geht er davon aus, dass im Rahmen des Projekts in der Region für die Schaffung von Arbeitsplätzen für einige Jahre "andere Arbeitsplätze zerstört werden, die wir im ländlichen Tourismus, in der Gastronomie und in der Landwirtschaft haben."

Wie solle das hochwertige Rindfleisch noch verkauft werden, wenn es mit Lithiumabbau, Staub und kontaminiertem Wasser in Verbindung gebracht wird. Er meint auch, dass man keinen hochwertigen Honig mehr verkaufen könne, wenn der Staub die Bienen töte. Da die Arbeitslosigkeit hier niedrig sei, seien 95 der Bewohner in seiner Gemeinde gegen das Projekt, ist der Bürgermeister überzeugt.

Ausführlich haben sich die Gegner mit den Angaben von Savannah und der Regierung auseinandergesetzt. Den vagen Aussagen, dass hier nicht nur Lithium abgebaut wird, sondern eine gesamte Lithium-Wertschöpfungskette aufgebaut werden könnte, wie eine Lithium-Raffinerie und eine Batteriefabrik glaubt eigentlich niemand. Ohnehin könnte das auch ohne dem Lithium-Abbau in Naturschutzgebieten passieren, schon wegen seiner Lohnstruktur mit niedrigen Löhnen. So verweist auch Pedro Santos von der Umweltorganisation Quercus darauf, dass Portugal sogar über Ölraffinerien verfüge, obwohl im Land kein Öl gefördert würde.

Dass es mit der Unterstützung des Widerstands gegen die Bergwerke durch die traditionellen Umweltorganisationen bisher noch nicht so weit her ist, darauf verweist Catarina Alves von der Bürgerinitiative, die aus Covas de Barroso stammt, aber lange in London gelebt hat. Einige in der Umweltbewegung glauben, wie in der Regierung, dass für eine Energiewende Opfer erbracht werden müssten, schließlich wolle Portugal mit Unterstützung der EU zum "Big Player in Sachen Lithium in Europa zu werden.

Eine klare Unterstützung bekomme die Bewegung von den Grünen Portugals. Dazu auch von der Klimastreik-Bewegung. In Widerstandscamps, wie im Rahmen der Zapatisten-Rundreise kürzlich, sei es geschafft worden, den Widerstand auch international zu verbreitern. Die internationale Solidarität ist für sie von "entscheidender Bedeutung".

Alves streicht ihrerseits aber auch die "grundlegende Rolle der Frauen" im Widerstand gegen die Bergwerke heraus. "Sie waren die ersten, die erkannten, was auf dem Spiel stand, und die langfristig dachten; sie sind die treibende Kraft der Bewegung gegen die Bergwerke". Die dekonstruiert in ihren Stellungnahmen auch den Diskurs, dass Lithium-Autos nachhaltig seien.

Verwiesen wird zum Beispiel auf die kurze Lebensdauer der Batterien (zwischen 4 und 10 Jahren) und die Probleme bei deren Recycling. Zudem sei "der Preis dieser Autos sehr hoch und damit nur für eine kleine Elite zugänglich". Sie verweisen aber vor allem darauf, dass die "Energiewende" und "Elektromobilität" wie sie derzeit geplant ist, weiter auf der Logik des Individualverkehrs beruht, kein Paradigmenwechsel vorangetrieben werde, wie die Schaffung und der Ausbau öffentlicher Verkehrsnetze.