Portugal muss Banken verstaatlichen
Das Land greift in private Rentenfonds, um das hohe Haushaltsdefizit zu drücken, weil das Rezessionsland seine Versprechen nicht erfüllen kann
Es steht schlecht um Portugal und um seine Banken. Der extreme Verfall der Börsenkurse macht die Großbanken des Landes längst zu Penny-Stocks. So werden die Aktien der drittgrößten Bank zum Beispiel nur noch für 11 Cent gehandelt. Da auch die portugiesischen Banken die neuen EU-Kapitalanforderungen erfüllen müssen, muss die konservative Regierung mit Staatsmilliarden einspringen und die Großbanken verstaatlichen. Der Regierungschef versucht derweil mit Tricks das Haushaltsdefizit für 2011 noch unter das mit der Troika aus EU-Kommission, Europäische Zentralbank (EZB) und Internationale Währungsfonds (IWF) vereinbarte Ziel von 5,9% zu drücken. Das Land wird derweil tief in die Rezession gespart und die sozialen Konflikte nehmen deutlich zu.
Die Börse in Lissabon hatte den Wahlsieg der Konservativen im Juni schon sehr frostig empfangen. Seit dem Wahlsieg von Pedro Passos Coelho ist der Leitindex PSI 20 an der Börse in der Hauptstadt fast in den freien Fall übergegangen und das hat auch damit zu tun, dass die Befürchtungen eintreffen, dass der harte Sparkurs das Land totsparen dürfte. Stand der PSI vor dem Wahlsonntag noch auf 7611 Punkten, hatte er schon in der ersten Woche nach den Wahlen gut 300 Punkte eingebüßt. Sechs Monate später steht der PSI bei gut 5300 Punkten. Im November hatte er den Krisentiefstand aus dem Oktober 2008 mit 5126 Punkten sogar schon unterboten und es geht wieder munter bergab. Börsenhändler erwarten sogar, dass der Leitindex sogar noch deutlich unter 4000 fällt, er also noch einmal fast ein Drittel an Wert verliert. So wird verständlich, warum der Börsenhändler Tiago Ribeiro Pereira aus Porto resümiert: "Die Finanzmarkt ist am Boden zerstört."
Die Bankwerte in Portugal sind besonders vom Verfall der Kurse betroffen. Hatten die Aktien der Großbanken am Dienstag erneut etwa 5% an Wert verloren, stehen sie auch am Mittwoch wieder deutlich im Minus, obwohl der PSI sogar teilweise Gewinne verzeichnen konnte. Seit Monaten sind es vor allem die Banken, die den Leitindex nach unten ziehen. Die Nachrichtenagentur Bloomberg rechnet vor, dass allein im laufenden Jahr die drei größten Banken gemeinsam mit 6,3 Milliarden Euro insgesamt 68 Prozent ihres Börsenwerts verloren haben.
Da nun auch portugiesische Banken die Staatsanleihen, die sie von angeschlagenen EU-Ländern in den Büchern haben, zum realen Marktpreis bewerten und auch sie ihre Kernkapitalquote auf 9% anheben müssen, ist der Kapitalbedarf für die portugiesischen Großbanken enorm. Denn das wurde auf dem EU-Gipfel im Oktober beschlossen. Während die portugiesische Zentralbank im Rahmen des Stresstests gerade den Kapitalbedarf der großen Banken mit etwa sieben Milliarden beziffert hat, dürfte der reale Bedarf bis zum kommenden Sommer noch deutlich höher ausfallen.
Auffällig war schon, dass im Rahmen der Nothilfe von 78 Milliarden Euro im Mai 12 Milliarden Euro zur Stützung von Banken vorgesehen waren. Und Coelho schließt längst nicht mehr aus, dass die Banken das Geld zur Stützung benötigen. Das bedeutet, dass die Großbanken ganz oder teilweise verstaatlicht werden müssen, wie es schon in Irland zu beobachten war. Denn dass private Anleger in die portugiesischen Banken investieren, kann nahezu ausgeschlossen werden. Das zeigen auch die verfallenden Bankwerte. Die Aktien der "Banco Comercial", der zweitgrößten Bank des Landes, wurden am Mittwoch nur noch für 11 Cents gehandelt. Auch die Aktien der größten Bank "Espirito Santo" drohen zum Penny-Stock zu verkommen. Sie verlieren auch am Mittwoch weiter deutlich an Wert und werden nur noch für 1,02 Euro gehandelt. Die Verstaatlichungen werden also immer wahrscheinlicher, wenn die Marktkapitalisierung der größten Bank gerade noch bei 1,65 Milliarden Euro liegt, bei der zweitgrößten Bank sind es nicht einmal mehr 600 Millionen Euro. Ihr Wert lag 2007 noch bei 10 Milliarden Euro. Beide Banken sind gemeinsam gerade noch gut zwei Milliarden Euro wert, doch sie benötigen deutlich mehr Geld, um Ende Juni 2012 die neuen Kapitalanforderungen zu erfüllen.
Portugal wird in die Rezession gespart
Die Aussichten für das Land sind insgesamt schlecht, weil die Konservativen das Land immer tiefer in die Rezession sparen. War für das dritte Quartal erwartet worden, dass die Wirtschaftsleistung wie im Vorquartal um 0,4 Prozent schrumpft, so wurden es real aber 0,6 Prozent. Die Statistikbehörde hat mitgeteilt, dass die Wirtschaft im Jahresvergleich schon um 1,7 Prozent geschrumpft ist. Die Regierung prognostiziert aber für 2011 insgesamt ein Minus von 1,6 Prozent, das real deutlich höher ausfallen dürfte. Schließlich wurde die Konjunktur im Sommer noch von vielen ausländischen Touristen gestützt. Trotz allem schrumpfte die Wirtschaft stärker und der Tourismus-Schub im Sommer fällt im vierten Quartal weg. Die EU-Kommission erwartet ohnehin, dass der rabiate Sparkurs, zu dem Brüssel und Berlin das Land gezwungen haben, dazu führt, dass Portugal 2012 um drei Prozent und damit sogar stärker als Griechenland schrumpfen wird.
Damit brechen Steuereinnahmen weg, auch wenn viele Steuern erhöht wurden. Zudem steigen die Sozialausgaben mit der steigenden Arbeitslosigkeit. Somit wird immer unwahrscheinlicher, dass das Land seine Defizitversprechen einhalten kann. Wenn der Regierungschef etwas anderes weiszumachen versucht, ist das pure Schönfärberei. Tatsächlich wurde er gerade beim Tricksen erwischt. Da hatte er doch gegenüber einer lokalen Zeitung behauptet, Portugal werde wohl schon in diesem Jahr das Defizitziel für 2012 erfüllen. Statt wie geplant das Defizit 2011 auf 5,9 zu drücken, will Coelho es sogar schon auf 4,5% senken.
Was der trickreiche Wirtschaftswissenschaftler gegenüber der Zeitung zu erwähnen vergaß, ist die Tatsache, dass dieser "Erfolg" nicht seinem Sparkurs zu verdanken ist. Der Rückgang ist vor allem einem Griff in die Pensionsfonds privater Banken geschuldet, wie er inzwischen einräumen musste. Daraus werden sechs Milliarden Euro an das Finanzministerium überwiesen, um das Defizit aufzuhübschen. Ohne dieses Geld hätte die Regierung das Defizitversprechen mehr als deutlich gerissen, weil es dann mindestens 8% ausgemacht hätte.
Muss Lissabon wie absehbar auch noch viele Milliarden in seine abstürzenden Banken stecken, könnte das Haushaltsdefizit dann plötzlich 2012 sogar über den Rekordwert von 10,1 Prozent steigen, den Portugal 2009 erreichte. Man muss sich nur anschauen, dass die Verstaatlichung irischer Banken dem Land das Rückgrat gebrochen hat, weil die Bankenrettung das Haushaltsdefizit des Landes 2010 auf über 32% katapultiert. Dass Portugal demnächst wieder an die Kapitalmärkte zurückkehren wird, ist ein frommer Wunsch der Troika und der Regierung. Faktisch pfeifen die Spatzen in Lissabon längst von den Dächern, dass die 78 Milliarden Euro der ersten Nothilfe nicht reichen werden (Trügerische Ruhe in Portugal). Wie für Griechenland wird angesichts des Crash-Kurses der Konservativen auch für Portugal eine Nothilfe 2.0 notwendig werden.
Dass sich auch am Rand der iberischen Halbinsel die sozialen Konflikte zuspitzen, dürfte ebenfalls kaum zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage beitragen. Denn nachdem die Regierung Ende November den Sparhaushalt für 2012 verabschiedete, mobilisiert der größte Gewerkschaftsdachverband seit Montag zur zweiten "Kampfwoche". Die CGTP will mit lokalen Streiks und Protesten den Kampf gegen die "Offensive" der konservativen Regierung fortsetzen. Sie nutzt den Elan aus dem Generalstreik, der am 24. November das Land weitgehend lahmgelegt hat (Kraftvoller Generalstreik in Portugal). Vor allem geht es der kommunistisch dominierten CGTP darum, das gerade beschlossene Gesetz zur Erhöhung der Arbeitszeit um 2,5 auf 42,5 Stunden pro Woche zu kippen.
Es sei eine "Kriegserklärung an die Arbeiter", sagte CGTP-Generalsekretär Manuel Carvalho da Silva. Gerade jetzt würden viele Menschen Zukunftspläne schmieden, die von den Maßnahmen der Regierung zerstört würden. Um bis 2013 angeblich wieder die Stabilitätsgrenze von drei Prozent einhalten zu können, werden auch Renten und Löhne im öffentlichen Dienst gekürzt. Den Beschäftigten im öffentlichen Dienst und den Rentnern, die mehr als 1100 Euro im Monat als Lohn oder Pension erhalten, soll das Urlaubs- und Weihnachtsgeld gestrichen werden. Dazu sollen die Ausgaben für Bildung und Gesundheit gekürzt und der verringerte Mehrwertsteuersatz auf viele Produkte abgeschafft werden, für die nun 23 Prozent gezahlt werden sollen. Da gerade auf allen Autobahnen und Autostraßen eine Maut eingeführt wurde, wird der Bevölkerung viel Kaufkraft entzogen und dazu trägt auch die hohe Inflation von 4% bei.
"Die aktuelle Situation zwingt uns zur Mobilisierung und zu heftigen Interventionen", stellte der CGTP-Chef einen neuen Generalstreik in den Raum. Es gehe um die Verteidigung der Souveränität, der Beschäftigung, der Löhne, der Rechte, der öffentlichen Dienstleistungen und letztlich um die "fundamentalen Freiheiten und Werte der Demokratie". Die Proteste sind nun lokal gestaltet, um mit den Arbeitern und der Bevölkerung in Kontakt zu kommen. Sie sollen von der Notwendigkeit überzeugt werden, für ihre Rechte zu kämpfen.