Souveränität Portugals ist Geschichte
Das Wahlergebnis in Portugal soll von den Beschlüssen zur Nothilfe schon im Vorfeld ausgehebelt werden
Es war nicht anders zu erwarten. Weitgehend hat sich alles um Portugal so entwickelt, wie es sich in den letzten Wochen schon herauskristallisiert hatte. Die EU-Finanzminister haben in Brüssel bei dem Treffen nun einstimmig die Nothilfe für Portugal verabschiedet, das nun 78 Milliarden Euro erhält. Das Geld wird von der EU und dem Internationalen Währungsfonds aber nur für hohe Zinsen vergeben. Für die 56 Milliarden Euro, die direkt aus Europa kommen, soll der Zinssatz zwischen 5,5% und 6% liegen. Für die übrigen 26 Milliarden vom IWF soll der Zinssatz etwas günstiger sein.
Damit wird der große Teil des Geldes für einen Zinssatz gewährt, der noch deutlich über dem Satz liegt, den Griechenland ursprünglich (5,2%) zahlen musste. Er liegt damit im Bereich des Zinses, den auch Irland bezahlen muss. Damit wurde nichts aus der Wahlwerbung vor den vorgezogenen Neuwahlen am 6. Juni. Denn der geschäftsführende sozialdemokratische Ministerpräsident Jose Socrates hatte von einem guten Abkommen gesprochen und einen deutlich niedrigeren Zins angekündigt.
Bei diesem hohen Zinssatz darf man davon ausgehen, dass nun auch Portugal ein geringfügig längeres Seil gegeben wurde, an dem sich das Land eigenhändig aufhängen soll, wie in Dublin gerne geätzt wird. Deshalb beginnt man jetzt in Irland damit, auch private Anleger an den Kosten für die Bankenrettung zu beteiligen.
Mit derlei hohen Zinsen, gepaart mit der üblichen Rosskur des IWF, wird nun wohl auch Portugal in der Rezession versenkt. Das Land dürfte damit Griechenland folgen und wird ebenfalls in ein Fass ohne Boden verwandelt. Es ist erstaunlich, wie lernresistent man in Brüssel, Berlin, Paris … ist. Schließlich ist man mit dem übertriebenen Sparprogramm in Griechenland schon krachend an die Wand gefahren, obwohl der Zinssatz sogar niedriger war. Das Land braucht nun erneut etwa 60 Milliarden Euro, um den notwendigen Schuldenschnitt zu verschieben (Wenn "Verrückte" in Europa regieren).
Dabei hatte man den Zinssatz für Athen inzwischen sogar auf 4,2% gesenkt und derzeit verhandeln die EU-Finanzminister über eine weitere Absenkung. Warum man sich aber mit einer Zinssenkung auch für Irland so schwer tut und Portugal derlei hohe Zinslasten aufdrückt, muss das Geheimnis der selbsternannten Retter in Brüssel bleiben.
Kürzung des Arbeitslosengeldes, Einfrieren der Staatslöhne und Privatisierung
Portugal hat nun ein Problem, denn das Land hat sich für die Nothilfe in den nächsten drei Jahren auf ein umfassendes Sanierungs- und Reformprogramm verpflichtet. Das geht sogar noch über das Sparpaket hinaus, über das die sozialistische Regierung - real Sozialdemokraten - gestürzt ist (Mit dem Absturz Portugals drängt die Euro-Krise auf Tagesordnung des EU-Gipfels). Nun sollen, neben weiteren Maßnahmen, das Arbeitslosengeld gekürzt, Überstundenzuschläge gekappt, Löhne im öffentlichen Dienst und Renten eingefroren, der Verwaltungsapparat verkleinert, die Mehrwertsteuer weiter erhöht und die Privatisierung der Staatskonzerne vorangetrieben und Investitionen und Sozialleistungen zusammengestrichen werden. Insgesamt wird es zu vielen Entlassungen im öffentlichen Dienst kommen, wogegen es kürzlich schon einen Generalstreik gab.
Der Souverän, das Volk, wird über das Abkommen schon im Vorfeld ausgeschaltet, weil es die Maßnahmen auch ablehnen könnte. In Brüssel will man deshalb schon vor den Neuwahlen Nägel mit Köpfen machen und die erste Tranche der Hilfsgelder soll offenbar schon vor den Wahlen am 6. Juni ausgezahlt werden. Das Abkommen soll unabhängig davon gelten, wer aus den Wahlen als Sieger hervorgeht.
Sachzwänge schaffen
Man bedient sich des Tricks, dass man die Oppositionsparteien in die Ausarbeitung des Notprogramms ja eingebunden habe. Dabei hatte sich die linke Opposition, die etwa 20% der Wähler vertritt, den Gesprächen verweigert. Man will Sachzwänge schaffen, falls eine neue Regierung die Maßnahmen ablehnen könnte. Dass dieses Vorgehen mit der Verfassung in Einklang zu bringen ist, wurde stets bezweifelt.
Angesichts der Tatsache, dass die Sozialdemokraten (PSD) - real sind es Christdemokraten - nun diesem Paket zugestimmt haben, macht eines klar: Bei der Ablehnung des dritten Sparpakets ging es ihnen nicht um die Ablehnung der Sparpläne, sondern sie sahen den Zeitpunkt gekommen, um über die Neuwahlen an die Regierung zu kommen. Man darf gespannt sein, ob die Portugiesen der Strategie nicht doch noch einen Strich durch die Rechnung machen und der PSD den Weg zurück an die Regierung verweigern, nachdem auch sie das Land vom Regen in die Traufe schicken will.
Griechenland: "sanfte" Umschuldung und Schuldenschnitt
In Brüssel hat derweil der Eurogruppen-Präsident das U-Wort schon einmal offen in den Mund genommen. Eine "sanfte" Umschuldung Griechenlands werde nicht mehr ausgeschlossen, sagte Jean-Claude Juncker in Brüssel. Er nannte das aber etwas verschleiernd eine "Art Reprofiling". Gemeint sind nach "Maßnahmen", wie die Verstärkung des Privatisierungsprozesses, auch eine freiwillige Verlängerung der Kreditlaufzeiten oder neue Absenkungen der Zinsen. Ausdrücklich wurden die privaten Investoren dabei nicht ausgeschlossen.
Allerdings tut Junckers so, als stehe die Umstrukturierung an letzter Stelle. "Es geht um Maßnahmen, Maßnahmen, Maßnahmen und dann vielleicht Reprofiling." Athen soll also zuvor noch mehr sparen und über den Verkauf von Staatseigentum versuchen, seine enorme Verschuldung zu senken.
Über einen Schuldenschnitt, bei dem auch private Gläubiger auf ihre Forderungen verzichten müssen, sei nicht debattiert worden, behauptete Juncker, obwohl die Planungen dazu nach deutlichen Hinweisen schon laufen. Sagen würde man das offen aber ohnehin nicht, bevor der Schnitt an einem Wochenende bekannt gegeben würde. Es geht Juncker offenbar darum, die Öffentlichkeit langsam auf das Unumgängliche vorzubereiten. Er erkannte die schwierige Situation in Griechenland an. Ein neues Hilfsprogramm sei deshalb "nicht ausgeschlossen, aber wir haben noch nichts entschieden", betonte Juncker.
Die Finanzminister wollen sich Mitte Juni erneut mit dem Thema befassen. Tatsächlich könnte man aber versuchen, über die "freiwillige Umschuldung" Zeit zu gewinnen, um den eigentlich unabwendbaren Schuldenschnitt, über dessen Höhe ebenfalls längst debattiert wird, zu verhindern oder zu verschieben. Dass es nur um Zeitgewinn, eventuell bis 2013, geht, wenn der zeitlich befristete Krisenfonds EFSF (European Financial Stability Facility) zum dauerhaften European Stability Mechanism (ESM) mutiert, wird immer deutlicher.
Zeit für "böse private Gläubiger"?
So lehnte Bundeskanzlerin Angela Merkel einen Schuldenschnitt nur vor 2013 ab. Denn über den ESM sind dann auch Staatspleiten vorgesehen und auch private Gläubiger wie Banken könnten mit einem Forderungsverzicht teilweise an den Kosten beteiligt werden. "Wenn wir mitten in der Laufzeit der ersten Programme einfach die Regeln verändern, dann würde dies unglaubliche Zweifel an unserer Glaubwürdigkeit hervorrufen", sagte die Kanzlerin.
Bei der Milliardenrettung der Hypo Real Estate (HRE) und deren Verstaatlichung sah das mit den Regeländerungen während des Spiels allerdings anders aus. Wer hier erneut gerettet werden soll, machte Merkel auch deutlich, als sie vor einer angeblich populistischen Diskussion warnte. Denn es werde über "böse private Gläubiger" gesprochen, wobei es sich um oft eben auch um Lebensversicherungen oder Banken handele, die das Geld ihrer Kunden anlegten, betonte Merkel. Die sollen offenbar noch genug Zeit erhalten, um sich vor dem Schnitt aus Griechenland zurückzuziehen.
Weitere Schulden Griechenlands sollen also bis 2013 auf über die Nothilfe und durch Ankauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank (EZB) auf die Steuerzahler in Europa abgewälzt werden. Man hat es wohl erneut mit einer getarnten Bankenrettung zu tun, damit der Forderungsverzicht der Finanzinstitute ab 2013 in sehr engen Grenzen gehalten werden kann. Dafür spricht auch, dass der temporäre Rettungsschirm ausgeweitet werden soll. Das hatte Merkel bisher ebenfalls stets abgelehnt.
Und Spanien?
Doch aus Brüssel verlautet, dass künftig die volle Summe von 440 Milliarden Euro verleihbar sein solle. Damit müssen aber vor allem die Länder mit dem besten Kreditwürdigkeit (AAA), also Deutschland, Frankreich, Österreich, Luxemburg, Finnland und die Niederlande ihre Beteiligung erhöhen.
Zwar liegt der EU-Anteil am Gesamtvolumen von 750 Milliarden schon jetzt bei 440 Milliarden Euro, doch davon können nur gut 250 Milliarden an die Absturzkandidaten weitergereicht werden. Sonst verliert der EFSF die höchste Bonitätsnote. Nur die enorme Überdeckung sorgt dafür, dass der EFSF sich Geld für niedrige Zinsen an den Finanzmärkten besorgen kann. Damit sind aber auch eine Art Euro-Bonds längst durch die Hintertür eingeführt worden, auch wenn das Berlin nicht eingesteht, weil man auch dagegen stets gewettert hatte.
Diese Ausweitung weist aber auch darauf hin, dass man sich in Brüssel längst auch auf den Absturz von Spanien vorbereitet, den Experten mit guten Argumenten prognostizieren Mit dem abstürzenden Spanien spitzt sich die Euro-Krise zu). Denn mit den Zahlungen an Irland und Portugal ist man noch weit davon entfernt, die bisher verfügbaren 250 Milliarden Euro auszuschöpfen. Für Griechenland wurde ohnehin eine Extrawurst mit zunächst 110 Milliarden Euro gebraten (Die hektische Eile nach der langen Weile).