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Seite 3: Krise als schöpferische Zerstörung?

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Wenn es sich im Gefolge des Lockdowns also um keinen Zusammenbruch, sondern um eine Neuaufstellung des Kapitalismus handelt, eignet sich Joseph Schumpeter als spiritus rector. Der Wirtschaftswissenschaftler, der sich nach einem Intermezzo als Finanzminister im Nachkriegskabinett Karl Renner der Republik Österreich 1919 an der Harvard-Universität einen Namen machte, wird von Liberalen aller Couleurs als Erfinder der "schöpferischen Zerstörung" gepriesen.

Auch Schumpeter sah den Kapitalismus als eine Abfolge von - in Aufschwung, Rezession, Depression und Erholung gegliederten - Zyklen, die nach ihm "Schumpeter-Zyklen" genannt wurden. Die Rezession erschien darin als Katastrophe für jene Unternehmen, die ihr zum Opfer fielen, bedeutete allerdings gleichzeitig eine Bereinigung der Unternehmenslandschaft von jenen Betrieben, die für die Anpassung an den Aufschwung, der der Depression folgen würde, nicht gewappnet waren.

Um zu überleben, war neben Kapitalkraft und Durchhaltevermögen vor allem Innovation notwendig, daher auch der beschönigende Begriff des Schöpferischen, der - wenn die soziale Dimension der Krise, die von Konkurs und bis Arbeitslosigkeit reicht, mitbedacht wird - zynisch wirkt. Trotzdem wäre es falsch, Schumpeters Szenario abzutun, wiesen seine Beobachtungen doch ein hohes Ausmaß an Realitätsgehalt auf. Krisen im Kapitalismus sind ihm ein reinigendes Gewitter, die Konkurrenz eine heilsame Prüfung, und nur wer in der Lage ist, im neuen Aufschwung Produkt und Prozess, Unternehmens- und Arbeitsorganisation neu aufzustellen, kann an diesem partizipieren.

Im Krisenmodus befand sich die Weltwirtschaft bereits seit dem Crash von 2007/08. Zwar erweckte die Wiederkehr des Wachstums in vielen Teilen der Welt, insbesondere in den Schwellenländern des globalen Südens, den Eindruck, die Talsohle sei überwunden. Tatsächlich scheiterte die Strukturanpassung, für die Banken und Konzerne Regierungen in die Pflicht nahmen, an mannigfaltigen Widerständen. Vor allem in den entwickelten Industriestaaten, denen die industrielle Massenproduktion aufgrund der Verlagerungen in Newly Industrializing Countries im globalen Süden zunehmend abhanden kam, ließ sich die Strukturanpassung aufgrund der zögerlichen Haltung von Unternehmerverbänden und Gewerkschaften, die Klein- und Mittelbetriebe bzw. die sozialen Rechte der Lohnabhängigen schützen wollten, nicht ohne weiteres durchsetzen.

Vor diesem Hintergrund erweist sich der Covid 19 Virus als ungeahnte Gelegenheit, ja geradezu als willkommener Anlass, business as usual ebenso wie die selbstverständlich gewordenen Grund- und Freiheitsrechte außer Kraft zu setzen. Das Herunterfahren des öffentlichen Lebens und des allergrößten Teils der Wirtschaft schufen ein bisher ungekanntes Ausmaß an Zerstörung. Im Ausnahmezustand ist es nicht opportun, dies zugegeben, weshalb Liberale, wie etwa der Präsident der Österreichischen Nationalbank Robert Holzmann, der sich in gewohnter Manier der Schumpeterschen Terminologie befleißigte, als Zyniker abgekanzelt werden. Der Bruch ist gleichwohl viel größer, als Schumpeter es voraussehen hätte können.

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