Prisoner of West
Das Image der USA in den muslimischen Ländern ist "schockierend", ein Beraterstab von Bush fordert mehr Geld für Propaganda, während radikale Muslims beispielsweise die rechtlich willkürliche Behandlung der muslimischen Gefangenen für ihre Kreuzzugspropaganda im Internet nutzen können
Die Behandlung der muslimischen Gefangenen, die von der US-Regierung im "Krieg gegen den Terrorismus" in Afghanistan sowie in anderen Ländern festgenommen und willkürlich auch ohne begründeten Verdacht beliebig festgehalten werden, verstößt gegen elementare Menschenrechte und internationales Recht. Diese Willkürjustiz gegenüber den zu rechtlosen "feindlichen Kämpfern" erklärten Menschen, von Amnesty als "Paralleljustiz" kritisiert, schürt Ressentiments nicht nur gegen die USA, sondern insgesamt gegen den Westen, und fördert die Solidarität mit extremistischen Gruppen. Lösen lässt sich dieses "Image-Problem" wohl nicht durch mehr Propaganda, sondern nur durch anderes Verhalten.
Die von US-Präsident Bush beauftragte "United States Advisory Group on Public Diplomacy for the Arab and Muslim World" hat nach Informationen der New York Times einen vernichtenden Bericht vorgelegt, was das Bild der USA bei den 1,5 Milliarden Muslims auf der Welt betrifft. Die Feindseligkeit habe "schockierende Ausmaße" angenommen. Der Krieg im Irak und die verfahrene Situation im Nahen Osten habe die Lage noch dramatisch verschlechtert. Die Ursache, die auf falschem oder fehlendem Wissen beruht, wird jedoch weniger in der Politik, sondern in einer ungenügenden Informationsvermittlung gesehen, die zudem mit zu wenig Geld ausgestattet sei. "Spin" würde aber nicht mehr reichen, so die leise Kritik.
Offenbar glauben die "Experten" in Sachen öffentlicher Diplomatie gemäß dem Titel ihres Berichts "Changing Minds, Winning Peace" daran, dass die Menschen nur die richtigen "Informationen" erhalten müssen, um die USA jenseits der konkreten Politik so einzuschätzen, wie es die US-Regierung gerne haben möchte. Oder die Experten bleiben nur in ihrem Bereich, um nicht über die Diskussion von politischen Fragen ins Fettnäpfchen zu treten, wenn sie schreiben:
Ein Prozess der unilateralen Abrüstung bei den Waffen der Selbstdarstellung (advocacy) während des letzten Jahrzehnts hat zur weit verbreiteten Feindseligkeit gegenüber den Amerikanern beigetragen und uns tödlichen Bedrohungen für unsere Interessen und unsere Sicherheit ausgesetzt.
Man müsse, auch wenn möglicherweise die Politik der Grund des Problems sei, nicht diese ändern, sondern dringend die Mittel aufstocken, die Werbekampagnen verbessern und - natürlich - die Bürokratie vergrößern, indem im Weißen Haus ein Koordinator für die Propagandamaßnahmen im Ausland eingestellt werden soll. Doch möglicherweise fehlt den Bemühungen zur Image-Verbesserung der USA auch ein Einblick in die veränderte Öffentlichkeit der arabischen Länder (USA vs. Demokratie "Arab Style").
Die Gefangenen: Demonstration der Willkürjustiz
Ein Beispiel für eine Politik, die mit Propaganda alleine wohl nicht mehr in den Augen vieler Muslime gut geredet werden kann, ist die Behandlung der Gefangenen im "Krieg gegen den internationalen Terrorismus". Wie viele Menschen von der US-Regierung insgesamt gefangen gehalten werden, ist unbekannt. Nach wiederholten Aussagen von US-Präsident Bush würden mehr als 3.000 al-Qaida-Mitglieder und Verbündete in 100 Ländern" in Haft sitzen. Neben Guantanamo gibt es beispielsweise noch Gefangenenlager im Luftwaffenstützpunkt Bagram in Afghanistan oder auf der Insel Diego Garcia im Indischen Ozean. Amnesty wirft der US-Regierung vor, "systemstisch internationale Standards" zu unterlaufen, die Gefangenen "menschenunwürdigen Haftbedingungen" auszusetzen und Verhörmethoden einzusetzen, "die mit Folter gleichzusetzen sind".
Bis heute hat sich zudem das US-Justizministerium geweigert, Einzelheiten über die Hunderten von Menschen bekannt zu geben, die unmittelbar nach dem 11.9.2001 im Rahmen der Untersuchung über die Anschläge in den USA festgenommen und ihrer Rechte beraubt wurden. Amerikanische Bürger- und Menschenrechtsorganisationen sind nun vor das Oberste Gericht gezogen, um die Offenlegung der Informationen zu erreichen und überprüfen zu können, ob das Justizministerium dabei die missbräuchlich vorgegangen ist. Die Gefangenen wurden vielfach ohne Anklageerhebung monatelang unter harten Haftbedingungen festgehalten. Keiner der Festgenommen wurde wegen der Terroranschläge angeklagt.
Im Namen der Freiheit und der Verteidigung der Zivilisation willkürlich muslimische Menschen zu töten und festzunehmen, sie auf unbestimmte Zeit festzuhalten und ihnen jede Möglichkeit zu verweigern, rechtliche Unterstützung zu erhalten, sofern sie nicht in einer Art Schauprozess vor ein Militärgericht kommen, verstärkt den Nährboden für Extremisten und Terroristen und das Szenario eines blutigen Kampfes zwischen dem "Westen" und der islamischen Welt, das auch durch das Vorgehen der Amerikaner im Irak verstärkt wird.
Die Übergriffe der Amerikaner und deren Behandlung der Gefangenen sind zum Standardrepertoire bei muslimischen Gruppen geworden, die damit auch den Kampf gegen die USA rechtfertigen. Aber auch bei auf den ersten Blick nur die Menschenrechtsverletzungen anprangernden Organisationen geht diese Klage schnell über in die Behauptung, der Westen führe einen Kampf gegen den Islam. Bush hatte diese Interpretation kurz nach dem 11.9. selbst nahegelegt, als er von einem Kreuzzug gesprochen hatte.
Die Gefangenen des Westens
Eine Website, die von britischen Muslimen den muslimischen Gefangenen gewidmet ist, kann diesen Trend veranschaulichen, vor dem Kritiker schon lange gewarnt haben. Die Website wendet sich an die globale Öffentlichkeit und trägt bereits einen geschickt gefundenen Namen: P.O.W, also die englische Abkürzung für Kriegsgefangene, was allerdings hier gleichzeitig heißen soll: Prisoners of the West. Es handele sich, so die Betreiber, um eine neue Kampagne und Unterstützergruppe, die keiner Organisation angehöre, sondern aus einzelnen Muslimen bestehe.
Ziel der Gruppe ist es, "das Elend aller muslimischen Gefangenen hervorzuheben, die im Kreuzzug des Westens gegen den Islam festgenommen wurden". Das wolle man unabhängig von Nationalität, Rasse, Zugehörigkeit zu einer Richtung oder einer politischen Ansicht machen. Man will dafür sorgen, dass sie im Rahmen "zivilisierter Rechtsnormen" behandelt werden, die Gefangenen und ihre Familien sollen unterstützt werden, aber man will auch dafür sorgen, dass sie nicht vergessen werden. Zudem will man den Kreuzzug gegen den Islam und die Rolle der Gefangenen dabei besser verstehen sowie auf Prozesse und Folter aufmerksam machen.
Bislang gibt es darauf allerdings wenig Hinweise. Die Website bietet einige Links auf News und einige Artikel an, wohl zum Aufrütteln werden die bekannten Bilder der Häftlinge in Guantanamo gezeigt, aber auch ein Foto vom Sicherheitszaun in Israel mit dem suggestiven Titel: "Gefangenenlager Palästina". Besonders demütigend scheint zu sein, wenn eine amerikanische Soldatin Gefangene in Guantanamo bewacht, zumindest findet sich dieses Bild auf der Homepage. Ansonsten wird empfohlen, Briefe an Politiker zu schicken oder an einem Boykott von US-Waren teilzunehmen.
Gestern wurde die Website von al-Dschasira vorgestellt. Neutral, aber ohne jede Kritik wird davon gesprochen, dass sie von "Menschenrechtlern" betrieben werde. Nach Yamin Zakaria, der die Domain der Website auch registriert hat, gebe es insgesamt 6.000 muslimische Gefangene, die "ohne Anklage im Westen" in Haft sitzen: "Seit dem Ereignis vom 11. September 2001 haben die USA Schmerz, Leid und Tod an Tausende von unschuldigen Menschen im Namen eines ungerechtfertigten Kriegs gegen den Terror exportiert." Weder hier noch bei al-Dschasira findet man einen Hinweis darauf, wie diese Zahl zustande gekommen ist.
Zwar würden viele Menschen über die "Menschenrechtsverletzungen" in Guantanamo und im Bagram-Gefangenenlager Bescheid wissen, "aber Tausende sitzen in den USA und in Europa ohne Anklage in Haft". Das sei auch so in Großbritannien.
Es handelt sich bei der Website ganz offensichtlich nicht nur um den Versuch, Gefangenen zu helfen oder Menschenrechtsverletzungen anzuprangern, sondern wie meist, wenn politische Gegner und/oder Terroristen mit rechtsstaatlich zweifelhaften Mitteln und mit übergroßer Härte verfolgt werden, um eine Mobilisierungsaktion, die für Solidarität mit den Verfolgten eintritt. Mit den Ungerechtigkeiten hausieren zu gehen, fällt um so leichter, weil sie auch tatsächlich von den USA und dem "Westen" begangen werden. Überdies hat sich ein Klima eingestellt, in dem Muslime an sich schon als potenziell Verdächtige angesehen werden, da der Krieg gegen den internationalen Terrorismus primär ein Kampf gegen den muslimischen Terrorismus ist. Auch die daraus sich ergebenden Diskriminierungen treiben mitunter Manche auf die andere Seite.
All das ist ganz üblich in solchen Konflikten, wird aber weltpolitisch dann brisant, wenn die Kontrahenten direkt oder indirekt den "Kampf der Kulturen" beschwören, also dass global zwischen dem christlichen Westen unter der Führung der USA und der weltweit verstreuten muslimischen Bevölkerung ein Krieg ausgetragen wird. Der "Kreuzzug gegen den Islam" führt dann zu einer Verstärkung der transnationalen Umma, also just zu der diffusen, aber hochexplosiven Forderung nach einem globalen islamischen Gottesstaat und nach einem Befreiungskrieg, wie dies auch Bin Laden und al-Qaida vertreten. Die schon länger schwelenden, den Terrorismus fördernden Konflikte im Nahen Osten, in Tschetschenien oder in Kaschmir wurden nun durch die Bush-Regierung noch durch Afghanistan und Irak ergänzt.
Der Menschenrechtler und Hizb ut-Tahrir
Einseitigkeit findet sich auch bei al-Dschasira, da die englischsprachige Website des arabischen Senders die Kampagne nur als Menschenrechtsaktion darstellt. Schon bei dem Betreiber der Website wird aber schnell deutlich, dass es hier um eine politische Bewegung geht, die den Umgang der USA mit den muslimischen Gefangenen auch für andere politische Zwecke nutzen will.
Yamin Zakaria war beispielsweise einst Mitglied bei der "Befreiungspartei" Hizb ut-Tahrir, die für einen Kalifatsstaat eintritt, zum Dschihad gegen die Juden, Amerikaner und alle Ungläubigen aufruft und derzeit vor allem in Kirgisien, Tadschikistan und Usbekistan, aber auch in Russland aktiv ist. Die internationale, 1953 gegründete Organisation wurde zu Anfang dieses Jahres von Bundesinnenminister Schily in Deutschland verboten, weil sie "Gewaltanwendung als Mittel zur Durchsetzung politischer Belange" befürwortet und das Exstenzrecht Israels verneint. Selbstmordanschläge gelten als gerechtfertigt. Die Zentrale der Organisation ist vermutlich in London, dort sind auch ihre Websites registriert. In Großbritannien werden die Muslims von Hizb ut-Tahrir dazu aufgerufen, sich zu entscheiden, ob sie diesem Land oder ihrem Glauben gegenüber loyal sein wollen.
Zakaria hat sich zwar angeblich von dieser Organisation abgelöst, aber seine Ansichten sind noch immer radikal. So hat er kürzlich in einem Interview mit BBC über Hizb ut-Tahrir gesagt, dass sie eine gute Analyse für den schlechten Zustand der muslimischen Welt habe und dass sie nicht rassistisch sei, wenn sie die Tötung von Juden in Israel befürworte. Der "Menschenrechtler" erklärte dies so und benutzte dabei noch die Wir-Form, als würde er der Organisation doch noch angehören:
Wir glauben, erstens, nicht an den Frieden um jeden Preis. Das ist, zweitens, keine Befürwortung der Gewalt, sondern eine Befürwortung der Vergeltung. Das ist ein Unterschied. Gewalt ist nicht provoziert, hat keinen Grund. Das unterstützt die Partei nicht. Was sie sagen, ist, dass wir das Recht auf Vergeltung haben.
Der angebliche Menschenrechtler, der unentwegt im CDLR Islamic Board und anderswo schreibt, betont etwa auch, dass die amerikanischer Besatzer im Irak ganz legitim getötet werden dürfen: "The occupiers have no right! They have no security for their blood, property and honour and they deserve none. Whilst the oppressed and the dispossessed have every right to resist by any means necessary. There is no blame on them for any acts of violence executed in the course of resisting the criminal aggressors." Auch die Behandlung der Gefangenen von Guantanamo wird dazu umgemünzt: "treatment of the illegal captives held in the Guantanamo Bay cages exclude Bush and his cohorts automatically from advocating any moral or ethical arguments. No nation can advocate moral or ethical premise when it behaves like an animal. They exhibit shameless overt hypocrisy by violating all its fundamental principals." Eigentlich verantwortlich aber seien nicht die "unschuldigen Fußsoldaten", die die Angreifer im Krieg opfern und die meist Angehörige von Minderheiten seien, sondern die kriegstreiberischen Politiker, Journalisten und Medienmogule, die den Krieg gegen den Irak mit ermöglicht hätten. Als Lösung empfiehlt Menschenrechtler Zakaria den amerikanischen und britischen Bürgern:
Resignation or impeachment is not good enough. Since innocent blood has been split, they must equally pay with their blood. Hang'em high in the US, send them to the gallows with in the UK. This is the recipe to curb terrorism (retaliation) and build a fairer and a peaceful world.