Prostitutionsgesetz: Abkehr vom richtigen Weg?

Seite 4: Das Fernziel: Prostitution ohne Rotlichtmilieu

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Es kommt also, wenn man wirklich Frauenhandel, menschenunwürdige Umstände, Gewalt und Kriminalität bekämpfen will, darauf an, eine Abtrennung der Prostitution als reine sexuelle Dienstleistung von dem klassischen Rotlichtmilieu zu erreichen, das für das Gros der Missstände verantwortlich ist.

Das Geld muss den Frauen zugute kommen, auch, damit diese Art Arbeit durch einen deutlich höheren Lohn als bei anderen Tätigkeiten angemessen vergütet wird und nicht das Geld durch überteuerte Arbeitsräume, Zusatzservices oder gar Erpressung und dunkle Geschäfte wieder von Milieuakteuren im Hintergrund wegschmarotzt wird. Das können zum einen saubere Bordellbetriebe sein, wo auch Background Checks stattfinden, dass nicht nur Strohmänner von der klassischen Milieuszene vorgeschoben werden.

Oder der Staat übernimmt selbst das Geschäft zu einem Großteil, vom Bordellbetrieb über Einreise ausländischer Dirnen, denen hierfür offizell Visa gewährt werden können, ohne dass sie auf zwielichtige Menschenschmuggler angewiesen sind. Denkbar wäre auch ein kurzer Einführungskurs zum Geschäft, wo auch Anlaufstellen bei Schwierigkeiten genannt werden und somit die von Zuhältern und Menschenhändlern gern verwendete Isolation aufgebrochen wird.

Das Strafrecht müsste bei der organisierten Kriminalität weniger auf Einzelstrafen für einzelne Taten abzielen, als darauf, Täter nach Knastentlassung durch langfristige Auflagen dauerhaft und nachhaltig an Gewalt- und Machtausübung zu hindern.

Mit dem Prostitutionsgesetz 2002 wurde auch der Grundstein gelegt für neue und alternative Formen der Prostitution, wie etwa Sexualtherapie und Surrogatpartnerschaften, die nur noch wenig mit dem "schmierigen" Betrieb der klassischen Bordelle und des Straßenstrichs zu tun haben. Es üben nicht mehr nur die "gefallenen Mädchen" der Unterschicht und der prekären Milieus diesen Beruf aus, sondern auch Studentinnen oder sonst "normale" Frauen.

Arbeitsräume außerhalb der klassischen Rotlichtbezirke sind nötig, um eine Milieukonzentration und Mietwucher aufgrund knappen Angebots zu vermeiden. Es gibt viele Aufgaben, die das Thema für eine Reform des Prostitutionsgesetzes und künftige Sozialarbeit in der Szene mitbringt.

Verabschieden sollte man sich allerdings von plakativer Pseudomoral, die mit einem gekünstelten Plappern von "Menschenverachtung" daher kommt, wo keine ist, sei es das reine Angebot sexueller Dienste gegen Geld, seien es Formen wie "Flatrate-Puffs", die trotz des dratsischen Begriffs nicht grundsätzlich härter sind als andere Bordellbetriebe, von ausbeuterischen Einzelfällen mal abgesehen. Die ist verlogen, nützt den Frauen nicht und zielt letztlich auf Spaßverderben bei allen angenehmen Dingen des Lebens ab.

Wenn man den weiten Weg zu Ende geht und immer wieder nachbessert, ist Prostitution am Ende womöglich ein Beruf wie jeder andere, ohne kriminellen Hintergrund und Druck, wo Puffs wie gewöhnliche Geschäftsbetriebe geleitet werden und man Konflikte über Polizei und Gerichte austrägt, statt über Schläger und Milieupaten.