Puigdemont "sprengt" bei Rückkehr nach Katalonien Perpignan
200.000 Menschen empfingen ihren "Präsidenten" im französischen Teil Kataloniens, wo Verhandlungen kritisiert und ein Aufruf zur Vorbereitung auf den "Entscheidungskampf" ausgegeben wurden
Perpignan wurde am Samstag von Anhängern der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung geflutet, die die 25 Kilometer über die Grenze in den französischen Teil Kataloniens geströmt waren, um ihren Exil-Präsidenten nach mehr als zwei Jahren erstmals wieder auf katalanischem Boden zu empfangen. Öffentlich-rechtliche französische Medien sprechen von einer "riesigen Veranstaltung" seines "Republikrats". Auch nach Angaben der französischen Polizei waren allein in Perpignan 110.000 Menschen versammelt.
Die Veranstalter setzen die Zahl auf 150.000 herauf, wozu allerdings die zahllosen Menschen gerechnet werden müssen, die in einem kolossalen Verkehrschaos stecken blieben, das die spanische Polizei mit massiven Kontrollen an der Grenze zu verantworten hatte. Allein 100 Autobusse mussten die Rückreise antreten, ohne nach Perpinyà gelangt zu sein. Klar ist, dass mehr Menschen in die Stadt geströmt sind, als sie Einwohner hat.
Schon am Freitag war Puigdemont im französischen Teil Kataloniens auf Einladung des Bürgermeisters von Perpignan eingetroffen. Jean-Marc Pujol verteidigte dessen Redefreiheit gegen massiven Druck aus Paris und Madrid. Er sprach davon, dass seine Stadt schon immer ein Ort für Exilanten war. Seine Vertreterin Annabelle Brunet bestätigte, dass es auch aus Paris massiven Druck gab, den Auftritt von Puigdemont und zwei weiteren gewählten Europarlamentariern zu verhindern. Da man aber in Perpignan nicht eingeknickt ist, habe die französische Regierung "brutale" Sicherheitsmaßnahmen verordnet.
Wie üblich hat die Repression auch in diesem Fall nur dafür gesorgt, dass noch mehr Menschen nach Nord-Katalonien geströmt sind, um Puigdemont und die ehemaligen Minister der katalanischen Regierung Clara Ponsatí und Toni Comín in der Heimat zu empfangen. Eigentlich hatten die Veranstalter zunächst mit 70.000 Teilnehmern gerechnet. Als ein Verbot der Veranstaltung in der Luft hing, explodierten die Einschreibungen zur Teilnahme, um Perpignan auch ohne Genehmigung einzunehmen.
Frankreich hat sich letztlich nicht auf das Niveau von Spanien begeben und die Veranstaltung verhindert. Hinter der Grenze droht den drei gewählten Parlamentariern weiter die Verhaftung, obwohl sie auch dort Immunität genießen. Puigdemont und seine beiden ehemaligen Minister werden weiter von der spanischen Justiz über einen internationalen Haftbefehl wegen angeblichem "Aufruhr" gesucht.
Zu erinnern ist, dass Spanien den Chef der Republikanischen Linken Kataloniens (ERC) weiter in Haft hält, obwohl der Europäische Gerichtshof (EuGH) unzweifelhaft festgestellt hat, dass auch er Immunität genießt. Er müsste also im Straßburger Parlament sitzen und nicht im Gefängnis. Junqueras ist in Spanien in einem Schauprozess wie andere Mitglieder der Puigdemont-Regierung zu 13 Jahren Haft verurteilt worden. Und für das Europaparlament war es wahrlich kein Ruhmesblatt gewesen, dass es erst ein EuGH-Urteil brauchte, um Puigdemont, Ponsatí und Comín auf ihre Abgeordnetensessel zu heben.
"Permanente Mobilisierung"
"Bereiten wir uns vor, es gibt viel zu tun, denn wir müssen den entscheidenden Kampf vorbereiten", erklärte Puigdemont vor der Masse auf dem Messegelände. Er forderte eine "permanente Mobilisierung". "Puigdemont, unser Präsident", gab die Menge zurück. Dass es mit der Unabhängigkeit nicht einfach werde, habe man immer gewusst, erklärt er. "Die Unterdrückung, die Generationen und Generationen von Katalanen durchlebt haben, ist uns auf die Haut geschrieben", fügte er an und bedankte sich ausdrücklich bei dem Wikileaks-Gründer Julian Assange, der "viel für Katalonien getan hat". Er forderte, seine Auslieferung zu verhindern.
Da Katalonien frei sei wolle, habe sich die Bevölkerung in Bewegung gesetzt. "Wir wissen es und sie wissen es", sagte er mit Blick auf Spanien, "dass wir nicht aufhören werden und sie uns nicht aufhalten werden." Auf bessere Zeiten müsse man nicht warten. "Das Ziel der katalanischen Republik hat eine Mehrheit innerhalb der katalanischen Gesellschaft", fügte Puigdemont vor allem mit Blick auf die ERC hinzu. "Die katalanische Republik ist die einzige Garantie, um das ungerechte Monarchie-Regime, Erbe des Franquismus, zu beenden", sagte er auch mit Blick auf progressive Kräfte in Spanien.
Er stellte sich dazu in einen Gegensatz zur ERC, die weiter davon spricht, man müsse die "Basis verbreitern". An deren Verhalten, den Nachfolger von Puigdemont Quim Torra gegen einen spanischen Wahlrat zu verteidigen, der einen "juristischen Krieg" gegen Katalanen wie Puigdemont führt, ist die Regierungskoalition und die Einheit der Bewegung zerbrochen. Dass gerade enthüllt wurde, dass das Wahlratsmitglied Andrés Betancor auf der Lohnliste der rechten Ciudadanos-Partei stand und im Wahlrat über Anträge entschieden hat, die er für die Partei verfasst hat, bringt die ERC in eine noch schwierigere Position.
Der Auftritt in Perpignan kann getrost als Vorwahlkampf bezeichnet werden, denn sobald der Haushalt steht, wird Torra das Parlament auflösen und Neuwahlen ansetzen. Ob Puigdemont dabei als Kandidat antritt, ist unklar. Als Kandidatin wird auch Laura Borràs gehandelt. (https://www.heise.de/tp/features/Inzwischen-ist-das-Vorgehen-Spaniens-schon-Vorbild-fuer-die-Tuerkei-in-Repressionsfragen-4656280.html) Puigdemont hielt sich in der Bewertung der Verhandlungen zurück. Gerade vergangene Woche hatten sich Torra und seinen Delegation in Madrid mit dem spanischen Regierungschef und Vertretern seiner Regierung zusammengesetzt. Dort wurde vereinbart, sich nun monatlich zu treffen. Auf die Forderungen, ein abgestimmtes Referendum nach Vorbild Schottlands durchzuführen, nach einer Amnestie für die politischen Gefangenen und einem Stopp der Repression erhielten die Katalanen in Madrid aber keine Antwort.
"Betrug" nannte deshalb Ponsatí vor der Masse in Perpignan die Verhandlungen. "Lassen wir uns nicht von Fotos von Verhandlungstischen betrügen, denn sie haben nur das Ziel, Zeit für Pedro Sánchez zu gewinnen." Solange es die Unabhängigkeitsbewegung gibt, werde es Repression, Exil und Knast geben, sagte sie unter stürmischem Beifall. "Das war immer so und deshalb ist es ein Trugschluss, den Dialog der Unabhängigkeit gegenüber zu stellen." Dass Spanien sich in der Frage der Gefangenen nicht bewegt, nicht einmal den ERC-Chef freilässt und einen friedlichen demokratischen Akt wie in Perpignan massiv zu behindern versucht, stärkt sicher die Einschätzung von Ponsatí.