Quantenmusik

Wenn Physiker von sich hören lassen

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Was machen zwei Brüder zusammen, wenn der eine theoretischer Physiker und der andere Musiker ist? Ein Projekt, in dem Naturwissenschaft und Kunst sich vereinen: Musik, die unter anderem die Dualität der Quantenwelt hörbar macht.

Ein alter Spruch lautet, dass Musik hörbare Mathematik sei und tatsächlich haben sich nicht nur die Barockmusiker mit der berechenbaren Harmonie beschäftigt (Barockmusik). Physik ermöglicht das Wahrnehmen der Musik, denn ohne Schall herrscht pure Stille – die Naturwissenschaften sind im Grund in der Musik allgegenwärtig. So wundert es nicht, dass sich die Wissenschaft schon lange intensiv mit der Musik und ihren Formen beschäftigt (Beispiel: Die Abhängigkeit von Tempo und Raumakustik in der Orgelmusik).

"Die schrecklichen Cernettes" sind gar nicht so schrecklich und singen im Stil der 50er, doch mit etwas anderen Texten (Bild: CERN)

Akustik und Strömungslehre sind nur zwei der Schwerpunkte mit denen sich selbst Schüler auseinander setzen müssen, wenn es um Physik und Musik geht (Altes Thema und moderne Computer). Längst ermöglichen es Computerprogramme, das zuvor Unhörbare wie die Bewegungsprinzipien von Insektenschwärmen in Klänge umzusetzen (Wenn Wissenschaftler von Musik schwärmen). Die NASA ließ in Töne umgewandelte Plasmawellen aus unserem Sonnensystem in einer Komposition verarbeiten und vom legendären Kronos Quartet live aufführen (Sonnenringe).

Physiker machen Musik

"Die meiste Lebensfreude kommt aus meiner Geige", meinte Albert Einstein und strich möglichst oft die Saiten seines Instruments. Max Planck, Edward Teller und Werner Heisenberg spielten leidenschaftlich gerne Klavier.

Das Europäische Laboratoriums für Teilchenphysik CERN in Genf glänzt mit verschiedenen hauseigenen Combos, von denen die "High Energy Rock Band" namens "Les Horrible Cernettes" mit (übrigens als MP3 frei downloadbaren) Songs wie "Strong Interaction" das Publikum begeistert:

You quark me up
You quark me down
You quark me top
You quark me bottom

You quark me up (yeah yeah, I feel your charme)
You quark me down (tau tau, I feel so strange)
You quark me top (go go on hypercharge)
You quark me bottom (shoot shoot on isospin)

You spin me 'round 'round 'round 'round yeah
You spin me 'round 'round 'round 'round yeah
You spin me 'round 'round 'round 'round yeah
You spin me 'round 'round 'round 'round yeah

I feel your attraction
It's a strong interaction.

Da ist offensichtlich Musik in der Physik und Physik in der Musik.

Die Gebrüder Coleman

In der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature werden jetzt die Gebrüder Coleman und ihre "Music of the Quantum” vorgestellt, die anlässlich der General Conference of the Condensed Matter Division der European Physical Society in Prag aufgeführt wurde. Piers Coleman ist theoretischer Physiker an der Rutgers University, sein Bruder Jaz ist der Frontman der experimentellen Post-Punk-Rock-Gruppe "Killing Joke", aber zugleich auch klassischer Komponist. Jaz Coleman liebt Grenzüberschreitungen, ob er nun für das Auckland Philharmonic Orchestra komponiert, mit Vanessa Mae zusammen arbeitet oder an einem Disney-Filmtrack mitstrickt.

Die Gebrüder Coleman bei der Aufführung der "Music of the Quantum” in Prag (Bild: General Conference of the Condensed Matter Division)

Natürlich haben sich die beiden so extrem verschiedenen Brüder oft über ihre Sicht der Welt und ihre berufliche Realität unterhalten. "Ich versuche seit jeher meinen Bruder und seine Arbeit zu verstehen", erklärt Jaz, "Ich bin Musiker und Komponist, also liebe ich Zahlen." Mit ihrem interdisziplinären Werk Music of the Quantum wollen die beiden die Welt auf die Schönheit der Quantenphysik hinweisen und gleichzeitig die Physiker inspirieren, über die Grenzen ihrer Wissenschaft hinaus zu schauen. Die drei Teile des konzertalen Musikwerkes beschäftigen sich mit Emergenz und gebrochener Symmetrie, Phasentransformation und Kritizität sowie der Dualität der Quantenwelt.

Bisher wurde die Quantenmusik aber erst zweimal aufgeführt, einmal vergangenes Jahr in New York, hauptsächlich vor Wissenschaftlern an der Columbia University, und nun in Prag vor einem reinen Physiker-Publikum. Dennoch sind sie zuversichtlich, bald eine größere Öffentlichkeit zu erreichen. Geplant sind eine CD und das Einrichten einer Website mit Soundclips und Filmausschnitten von dem Konzert, in Verbindung mit interaktiven Quantenexperimenten. Piers meint:

Wenn man große Wissenschaft oder große Kunst schaffen will, muss man einen Traum vom Möglichen haben