Rechter Kulturkampf gegen die Klimakrise

Von Trump zur AfD: Wie es regressiven Kräften gelingt, Politik gegen die Mehrheit zu machen. Ein Buchauszug

Die Wahl von Donald Trump in den USA 2016 sollte nicht missverstanden werden als grundsätzliche Abkehr der US-Amerikaner vom Klimaschutz. Das Ergebnis sagte wenig aus über das, was die US-Bürger in Bezug auf die Klimakrise und Energiepolitik für richtig erachten.

Zunächst einmal hatten im sogenannten Popular Vote, also rein zahlenmäßig, fast drei Millionen Menschen mehr für Hillary Clinton gestimmt als für Donald Trump. Er profitierte jedoch von der günstigen Verteilung seiner Stimmen auf die Bundesstaaten, die letztlich über den Wahlausgang entscheiden.

Zudem gaben nur rund 60 Prozent der Berechtigten ihre Stimme ab. Die Nichtwählerschaft besteht aber zum größeren Teil aus politisch Frustrierten und Abgehängten, aus Schwarzen, eingewanderten oder gebürtigen Lateinamerikaner:innen sowie Arbeiter:innen der Unterschicht, die eher von progressiven Programm angezogen werden.


Beim vorliegenden Text handelt es sich um einen Auszug aus dem Buch "Kurs Klimakollaps -Das große Versagen der Politik" von David Goeßmann, erschienen beim Verlag Das Neue Berlin. (18,– €, ISBN 978-3-360-01364-4)


Zugleich arbeitete das Establishment der Demokratischen Partei bei den Vorwahlen mit zum Teil intriganten Mitteln daran, den an der Basis populären Bernie Sanders als Gegenkandidaten zu verhindern. Denn Sanders vertrat ein für viele Arbeiter:innen attraktives Sozial- und Umweltprogramm, das zahlreichen einflussreichen Demokraten viel zu weit ging.

Die Parteiführung war erfolgreich, die von ihr unterstützte Favoritin Hillary Clinton, auch mithilfe der sogenannten Superdelegierten, beim Parteitag durchzusetzen. Damit konnten Wall Street, Konzerne und ihre Lobbyisten in Washington beruhigt werden, wie auch die liberalen Leitmedien, die Sanders herablassend behandelten und in einen Topf mit Trump steckten.

Letztlich spielte das den Republikanern in die Hände. So schaffte es die Washington-Insiderin Clinton mit ihrer Nähe zur Wallstreet nicht, Menschen in ausreichender Zahl dazu zu bewegen, gegen Trump an die Urne zu gehen.

Zudem wurde mit Clinton die Möglichkeit eines Green New Deal vom demokratischen Establishment verhindert. Bernie Sanders hatte in seinem Wirtschafts- und Sozialprogramm die Notwendigkeit der Energiewende betont, Clinton nicht.

Als Parteilinker und erfolgreicher Senator besaß Sanders zudem eine hohe Glaubwürdigkeit, seine Versprechen auch gegen Widerstände durchsetzen zu können. So hatte er, unterstützt von Graswurzel-Bewegungen, im Bundesstaat Vermont eine staatlich garantierte, solidarische Krankenversicherung erstritten, wie sie in anderen Industriestaaten Standard ist.

Letztlich entfremdete die Art, wie Sanders ausgebootet wurde, nicht nur die Bewegungen und Umweltschützer rund um seine Kampagne, sie sendete in die Bevölkerung auch das Signal, dass man von den Demokraten unter Clinton in Sachen Klimaschutz und grüne Jobs nicht viel erwarten konnte.

Die Wahl zwischen Trump und Clinton war also keine zwischen "Make America Great Again" (egal, was das für die Zukunft des Planeten bedeutet) und einem Green New Deal (der nachhaltige Arbeitsplätze schafft).

Wie Hillary Clinton den Klimawandel ignorierte

Nach dem Sieg über Sanders sprach Clinton kaum noch vom Klimawandel, wie eine Studie dokumentiert. Selbst bei einer Rede vor Millennials (eine junge Generation, bei der Klima eines der größten Anliegen ist) kam Clinton nicht auf das Thema zu sprechen. Die Kampagne konzentrierte sich auf einen Anti-Trump- und Werte-Wahlkampf. Das war riskant und ging dann auch nicht auf.

Außerdem war das Vertrauen vieler Bürger in die Demokratische Partei nach acht Jahren Obama deutlich gesunken. Viele seiner Versprechen hatte er nicht eingelöst. Von Einzelmaßnahmen wie höheren Effizienzstandards bei Autos abgesehen betrifft das auch den Klimaschutz. Obama steigerte sogar US-Auslandsinvestitionen in fossile Brennstoffe über die US-amerikanische Export-Importbank.

Die versprochene Welle grüner Jobs stellte sich nicht ein. In Mitteilungen des Weißen Hauses brüstete man sich zwar mit Erfolgen, doch handelte es sich dabei meist nur um ein paar saubere Jobs im Busgewerbe, in der Abwasserwirtschaft und der Gasindustrie. Letztere gingen zurück auf den von der Obama-Administration erzeugten Fracking-Boom. Das half aber weder dem Klima noch dem Arbeitsmarkt.

Die Medien sorgten schließlich dafür, dass im Wahlkampf ein Green New Deal keine Rolle spielen konnte. In allen TV-Debatten wurde Klimaschutz von den Journalisten ignoriert. Und das, obwohl Umfragen zeigten, dass die meisten US-Bürger an der Klimakrise interessiert sind, aber beklagten, dass sie nichts davon hören würden.

So antwortete eine große Mehrheit von US-Wählern während des Wahlkampfs 2016 auf die Frage des britischen Guardian, welches ihr Leben beeinflussende Thema sie "gern stärker von den Präsidentschaftskandidaten diskutiert" sähen, mit "Klimawandel".

Sie kritisierten dabei vor allem, dass die Republikaner die globale Erwärmung leugneten, Obamas Versuche diffamierten und die demokratischen Kandidaten ebenfalls zu wenig über das Thema sprechen würden. Doch statt das Klimathema in den Wahlkampf zu holen, warnten die Medien unbeirrt vor Sanders grüner Planwirtschaft, die viele Jobs kosten werde.

Demgegenüber erhielt der Klimawandelleugner Donald Trump über zwei Jahre seiner Kampagne ein enormes Forum in den Massenmedien. Jeder seiner Tweets bei Twitter wurde von den US-Networks zu einer journalistischen Nachricht aufgebauscht. Jede seiner Schlammschlachten diskutierte man ausgiebig. Auch die europäischen Medien machten mit, während sie nicht vergaßen, zugleich die Nase zu rümpften über den dreckigen Wahlkampf.

Der Vorstandsvorsitzende des TV-Networks CBS, Leslie Moonves, prahlte, dass es "vielleicht nicht gut für Amerika" sei, aber "verdammt gut für CBS". Das Geld ströme nur so herein. Es werde ein sehr gutes Jahr für den Sender. Und Moonves fuhr fort: "Es ist schrecklich zu sagen, aber zeig es uns, Donald. Geh voran. Mach weiter so."

Wer mehr Klimaschutz forderte, wurde von der US-Presse ausgebremst. Die Grünen unter Jill Stein kamen in den Mainstreammedien praktisch nicht vor, obwohl sie in einzelnen Bundesstaaten in Umfragen gut abschnitten.

US-Politik: Massiv ungleiche Medienaufmerksamkeit

2015, als die Kandidaten Bernie Sanders und Donald Trump ähnlich hohe Zustimmungswerte in den USA hatten, erhielt Trump auf einem der größten TV-Networks, nämlich ABC, 240 Mal mehr Aufmerksamkeit als Sanders, über den im gesamten Jahr 2015 nur 20 Sekunden lang berichtet wurde. Auch für 2016 war das Verhältnis extrem ungleich: 434 Minuten vs. 26 Minuten.

Die Nachrichten zum Wahlkampf blieben dabei von substanziellen Themen gereinigt. Das gilt auch für die deutschen Medien, die sich fast ausschließlich auf das Horse Race konzentrierten.

Die Folge dieser Election Extravaganza (Noam Chomsky) war schließlich ein rassistischer, sexistischer und egomanischer Milliardär im mächtigsten Amt der Welt, der den Klimawandel für ein Märchen hält und jegliche Gegenmaßnahmen zu verhindern trachtet. Die liberalen Medien vergossen am Ende Tränen über ein Monster, das sie selbst genährt hatten.

Unterstützt von der Republikanischen Partei konnte Trump daran gehen, seine Energiepolitik durchzusetzen: "Wir werden die in Amerika schlummernden Schiefer-, Erdgas-, Öl- sowie für Hunderte Jahre reichenden Kohlevorkommen im Wert von 50 Billionen Dollar fördern und nutzen."

Nach seiner Wahl gingen die Kurse für fossile Energieunternehmen in den USA steil nach oben. Die Botschaft war unmissverständlich: Die Trump-Regierung will den Planeten verbrennen. Eine gute Nachricht für die Profiteure von Exxon, Chevron, General Motors & Co. wie auch die Finanziers der fossilen Brennstoffindustrie wie JP Morgan Chase, Bank of America oder die Deutsche Bank.

Während Medien wie die New York Times sich über die infantilen Lügen des Präsidenten beschwerten, priesen sie auf den Wirtschaftsseiten das Anliegen der Regierung, die USA mit eigenen fossilen Ressourcen unabhängig zu machen.

Auch Obama brüstete sich mit seinen Erfolgen. Im November 2018 verkündete er vor einem texanischen Publikum, dass die USA während seiner Amtszeit Russland und Saudi-Arabien als größter Öl- und Gasproduzent überholt haben. "Das war ich, Leute!"1

Auch in Europa spielte Klimaschutz seit dem Paris-Abkommen weiter keine Rolle in der politischen Öffentlichkeit. Der damalige SPD-Abgeordnete Marco Bülow untersuchte zum Beispiel 204 Sendungen der fünf relevantesten Polit-Talkshows in den Öffentlich-Rechtlichen (Maischberger, Anne Will, Hart aber fair, Jauch und Maybrit Illner) für den Zeitraum von Oktober 2015 bis März 2017:

So wichtig einige Themen sicher waren und sind, niemand kann rechtfertigen, dass in 1,5 Jahren jede vierte Sendung speziell das Thema Flüchtlinge behandelt und sich fast jede zweite Sendung generell mit dem Themenkomplex Flüchtlinge, Islam, Terror/IS, Populismus/Extremismus befasst hat. (…) Klimawandel kam sogar gar nicht vor. Das ist nicht nur bedenklich, sondern prägt die öffentliche Debatte sehr einseitig. Die Themenauswahl spiegelt absolut nicht die tatsächlichen Probleme in unserer Gesellschaft wider und stellt damit ein Zerrbild der Wirklichkeit dar.

Marco Bülow

Auch im Bundestagswahlkampf 2017 war Klimapolitik so gut wie kein Thema. Von den 95 Minuten des TV-Duells zwischen Angela Merkel und Martin Schulz fiel rund die Hälfte auf die Flüchtlings- und Asylsituation. Klimaschutz kam dagegen gar nicht zur Sprache.

Mit der "Flüchtlingskrise" beherrschte ein AfD-Thema die Presse

In der Presse insgesamt wurde das Thema seit 2015 nur 230.000 Mal aufgebracht und damit etwa achtmal weniger als die sogenannte Flüchtlingskrise, auf die man im selben Zeitraum rund 1,8 Millionen Mal verwies.

In den Sommerinterviews von ARD und ZDF 2018 nahm der Komplex Flucht, Asyl und Migration weiter mehr als ein Drittel der Redezeit ein. Die Journalisten stellten keine einzige Frage zum Klimawandel (wie auch viele andere wichtige Themen, etwa Armut, kaum Aufmerksamkeit erhielten).

Die AfD wurde zur großen Gewinnerin des politisch-medialen Spektakels. Sie konnte sich bei der Wahl um rund acht Prozent auf 12,6 steigern, obwohl sie sich Ende 2015 bereits auf dem Sinkflug befunden hatte.

Was den Erfolg ermöglichte, war aber nicht der Flüchtlingszuzug, wie der Jahresbericht 2018 des Mercator Forums Migration und Demokratie feststellt, sondern die anhaltend alarmistische Stimmung, die von Medien und Politik mit Blick auf unsichere Grenzen und Integrationsprobleme erzeugt wurde.

Vor diesem Hintergrund konnte die AfD Wähler mobilisieren und sich dauerhaft in der politischen Landschaft etablieren, während der Zuzug der Flüchtlinge in den Jahren abnahm, Kriminalität weiter sank und alle wirtschaftlichen Indikatoren (Wachstum, Nettoreallöhne, Beschäftigung etc.) nach oben zeigten.

Die AfD benutzte ihren gewachsenen Einfluss auch, um gegen die Klimaschutzpolitik mobil zu machen, Zweifel am anthropogenen Klimawandel zu säen, Halbwahrheiten zu verbreiten und Umweltschützer zu diffamieren. In den USA hatte die Trump-Kampagne vorgemacht, wie man eine reale durch eine Fake-Bedrohung ersetzt.

Trump hetzte gegen Latinos und Muslime, die das Land überschwemmen und Verbrechen sowie Vergewaltigungen einschleppen. Er wusste aufgrund früherer Twitter-Testballons, dass damit Stimmung gemacht und Stimmen gewonnen werden konnten.

Denn die neoliberale Politikwende seit Ronald Reagan in den 1980er-Jahren hatte viel Frust in der Bevölkerung aufgestaut. Berechtigte Wut gegenüber der politisch beschleunigten Ungleichheit, grassierenden Armut und Perspektivlosigkeit wurde jetzt auf Minderheiten und Andersdenkende umgelenkt.

Klimaschutz erhielt das Image einer Marotte elitärer Ökos und linker Gutmenschen, die den einfachen Arbeiter:Innen die Jobs wegnehmen. Der Republikaner Trump entzündete erfolgreich eine Art rechten Kulturkampf, der auch deswegen zu einem Flächenbrand führte, weil die Demokraten ihm nichts entgegensetzen konnten.

Vergleichbare Strategien waren in EU-Staaten bei rechtsradikalen Parteien, Populisten und ihren Wahlerfolgen zu erkennen, von Ungarn, Polen und Österreich über Italien und den Niederlanden bis hin zu Dänemark und Schweden.

Auch dort herrschte sozialer Frust und politische Wut, die nun auf Flüchtlinge, Linke und "Umweltfuzzis" gerichtet wurde. Große Parteien wie Leitmedien akzeptierten nicht nur die Themensetzung der Populisten, sie wirkten aktiv an der politischen Verschiebung mit, um sich gleichzeitig über den Rechtsruck zu beklagen.

Klimaschutz und Energiewende kamen dabei fast vollständig unter die Räder. Die Bürger, die Normalverdiener, die Unterschichten, das Land insgesamt hätten andere, dringendere Probleme, so die Behauptung.