Reisgenom sequenziert

Der weltgrößte Agrokonzern hat sich wertvolles geistiges Eigentum gesichert

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Weniger spektakulär als die Sequenzierung des menschlichen Genoms ist die der anderen Organismen, die Zug um Zug erfolgt. Allerdings werden sie weitaus schneller zu Ergebnissen führen, als dies beim Menschen möglich ist. Daher ist die erste vollständige Sequenzierung des Genoms einer Nutzpflanze ein Erfolg, der viele Folgen haben kann, zumal diese vom weltweit größten Agrobusiness-Konzern Syngenta ausgeführt wurde, der erst letztes Jahr durch die Zusammenführung der entsprechenden Bereiche der Firmen AstraZeneca und Novartis gegründet wurde.

Syngenta ist weltweit führend bei der Herstellung von agrochemischen Produkten wie Herbiziden oder Fungiziden, steht auf Platz zwei bei der Behandlung von Saatgut und auf dem dritten Platz, was die Lieferung von Saatgut angeht. Der Konzern hat einen Jahresumsatz von 8 Milliarden Dollar und entsprechend Möglichkeiten, auf dem Gebiet der Genforschung sich künftig wertvolles geistiges Eigentum zu sichern.

Syngenta hat jedenfalls zusammen mit Myriad Genetics den Konkurrenzkonzern Monsanto, der letztes Jahr bekannt gab, eine Arbeitsversion des Reisgenoms erstellt zu haben (Reisgenom sequenziert), und das mit öffentlichen Mitteln finanzierte International Rice Sequencing Project überholt und ein halbes Jahr vor dem geplanten Termin die Sequenzierung des Reisgenoms fertiggestellt. Das Genom der Reissorte Nippon-Bare besteht aus etwa 430 Millionen Basenpaaren und weist 50000 Gene auf, die auf 12 Chromosomen verteilt sind. Damit ist es das zweitgrößte sequenzierte Genom. Das erste vollständig sequenzierte Pflanzengenom war das der Ackerschmalwinde (Arabidopsis thaliana) mit etwa 26000 Genen.

In der Pressemitteilung wird der bioinformatische Erfolg, aber auch die kommerzielle Bedeutung herausgestrichen: "Myriad und Syngenta haben das Reisgenom mit einem hohen Grad an Genauigkeit in weniger als eineinhalb Jahren nach der Ankündigung des Projekts vollendet. Die Reisgenom-Sequenz ist das genaueste und umfassendste Genom mit direkt kommerziellem Wert, das bislang sequenziert wurde. Die Reisgenomkarte ist zu mehr als 99,5 Prozent vollständig, während die Karte des menschlichen Genoms noch eine ganze Reihe großer Lücken aufweist und nur schätzungsweise zu 90 bis 95 Prozent vollständig ist." Myriad sei in der Lage, täglich 12 Millionen Basenpaare mit seinem Maschinenpark zu sequenzieren, so dass man für die Entzifferung des menschlichen Genoms gerade einmal ein Jahr bräuchte. Aber das haben ja schon andere gemacht.

Symbolisch -aber auch ganz praktisch - mag die angeblich nahezu vollständige Sequenzierung einer weit verbreiteten Nutzpflanze sein, denn sie könnte zur Grundlage neuer genveränderter Pflanzensorten im großen Stil werden. Auch wenn die Wissenschaftler noch die Funktion der meisten Gene nicht näher kennen, so ist die vollständige Sequenzierung ein wichtiger Ausgangspunkt. Viele der Gene hat der Reis auch mit anderen wichtigen Nutzpflanzen gemeinsam, beispielsweise mit dem Weizen oder dem Mais. Gene, deren Funktionen man kennt, können dann auch bei anderen Pflanzen verändert oder zwischen den Arten ausgetauscht werden. Steve Brigs, der Forschungsleiter eines Syngenta-Instituts, spricht denn auch davon, dass dies eine Startrampe sei: "Die Rakete beginnt nun abzuheben."

Syngenta setzt vor allem auch darauf, dass mit genveränderten Reissorten, die einen höheren Ernährungswert haben oder unter ungünstigen Bedingungen wachsen können, die in Verruf gekommene Gentechnik aufpolieren zu können. Im Bereich der Nutzpflanzen wurde bislang vorwiegend auf Resistenz gegenüber Herbiziden gesetzt. Viel Kritik hat auch die Entwicklung der sogenannten Terminatortechnik und der GURT-Technologie (Genetic Use Restriction Technology) hervorgerufen, gewissermaßen der biologische Kopierschutz, wie er auch von der Copyrightindustrie auf digitale Weise eingeführt werden soll. Terminatortechnik verhindert entweder, dass angebaute Pflanzen wieder zur Aussaat verwendbare Samen hervorbringen, oder lässt einen Wiederanbau nur zu, wenn entsprechende Zusätze gekauft und auf die Felder gestreut werden. Syngenta hat in diesem Bereich 40 Prozent aller bekannten Patente. Mit sich verschlechternden Anbaubedingungen in der Welt und einer wachsenden Bevölkerung könnten genveränderte Pflanzen, die eine größere Ernte und einen größeren Ernährungswert anbieten, aber auch auf trockeneren Böden oder unter anderen klimatischen Bedingungen gedeihen können, tatsächlich überlebensnotwendig werden.

Um gleich schon einmal vorneweg zu versuchen, Kritiker zu beruhigen, versprach Syngenta, einigen Forschungsinstitutionen unter bestimmten Bedingungen freien Zugang zu den Daten zu gewähren, damit die Vorteile von genveränderten Reissorten auch den armen Bauern zugute kommen. Durch Genmanipulation wurde bereits der sogenannte "Goldene Reis" entwickelt, der letzte Woche dem International Rice Research Institute (IRRI) übergeben wurde (Werbegag oder Entwicklungshilfe?). Er enthält einen hohen Anteil an Betakarotin und soll den in manchen Ländern der Dritten Welt weitverbreiteten Vitamin A Mangel lindern helfen, an dem weltweit jährlich ein bis zwei Millionen Menschen sterben sollen.

Der "Goldene Reis", der von den Wissenschaftlern im Zuge einer Aktion zur Imageverbesserung der Gentechnologie armen Ländern kostenlos zur Verfügung gestellt werden soll, zeigt aber schon, was in Zukunft problematisch werden kann: die komplizierten Eigentumsverhältnisse der genetischen Grundlagen. Damit der "Goldene Reis" für die Forschung und schließlich den Verbreitung der Reissorte in armen Ländern angeboten werden kann, mussten erst einige Unternehmen Lizenzen "stiften", darunter auch Syngenta, aber auch Monsanto oder Bayer. Das wird freilich nicht immer der Fall sein - und Eigentumsrechte können verhindern, dass bessere Reis- oder anderen Pflanzensorten für arme Bauern entwickelt werden.

In Asien bildet Reis die Nahrungsgrundlage des Großteils der Bevölkerung. Man geht davon aus, dass die Nachfrage nach Reis mit der wachsenden Bevölkerung in den nächsten 30 Jahren noch um 70 Prozent zunehmen wird.