Rettet China die Welt?

Die Energie- und Klimawochenschau: Die Wirtschaftskrise wirkt in der Volksrepublik als Emissionsbremse. Aus der Arktis gibt es hingegen Berichte über Anzeichen für eine neue Treibhausquelle

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Inzwischen besteht kaum noch ein Zweifel, dass die globale Wirtschaftskrise auch die Volksrepublik China erreicht hat. Der Exportnation brechen die Absatzmärkte in Nordamerika weg (siehe Fabrik ohne Welt - China am Scheideweg), und auch in Europa werden die Konsumenten sicherlich bald dem Beispiel der US-Bürger folgen und das Geld mehr zusammenhalten.

Erfreulicher Nebenaspekt: In China geht der Energieverbrauch zurück, und damit auch die Emission von Treibhausgasen, Feinstäuben, Schwefeldioxid, Arsen, Stickoxiden, Quecksilber, Cadmium und was sonst noch so in großen Mengen an Schadstoffen aus den Schornsteinen von Kohlekraftwerken quillt.

Um fast zehn Prozent hat im November die Stromproduktion abgenommen, berichtete letzte Woche das Nationale Büro für Statistik in Peking. Und Strom wird im Land der Mitte zu rund 80 Prozent durch Verbrennen von Steinkohle erzeugt. Nur ein Brennstoff wäre schlimmer für das Klima: Braunkohle, mit der hierzulande knapp ein Viertel der elektrischen Energie bereit gestellt wird, was – nebenbei bemerkt ein Weltrekord ist.

In China wächst unterdessen die Wirtschaft zwar munter weiter. Selbst die Industrieproduktion legte im November noch etwas zu, doch ihr Wachstum hat sich deutlich verlangsamt. Vor allem in einigen energieintensiven Branchen ist der Güterausstoß stark eingebrochen. Eisen und Stahl wurden im November je nach Kategorie elf bis 16 Prozent weniger produziert als noch vor einem Jahr. Auch der Fahrzeugbau verringerte sich um rund 16 Prozent, wobei die Herstellung von PKW um 10,1 Prozent abnahm. Für Chinas chronisch verstopfte Großstädte sind das sicherlich gute Nachrichten, und für die Bürger, die unter der schlechten Luft in den Metropolen leiden, nicht minder.

Die große Frage ist nun, welche langfristigen Auswirkungen die Krise der Exportindustrie für die chinesische Umwelt- und Entwicklungspolitik haben wird. Wird jene Linie gestärkt, die sich in diversen Beschlüssen der letzten Jahre abzeichnete und den Aufbau einer Ressourcen schonenden Wirtschaft forderte, oder führt der Wachstumszwang dazu, dass Umweltauflagen gelockert werden und die alten Schmutzfinken weiter machen könne wie bisher.

Geld für das Netz

Acht Prozent jährliches Wachstum sind nötig, um die Arbeitslosigkeit halbwegs niedrig und die Bevölkerung leidlich bei Laune zu halten. Und nichts fürchtet die Pekinger Führung so sehr wie soziale Unruhe im Lande. Andererseits: Lokale Zusammenstöße hat es in den letzten Jahren nicht nur wegen Entlassungen und nicht gezahlten Löhnen gegeben. Auch die Vertreibung von Bauern für neue Bauten und die Verschmutzung von Feldern und Luft durch industrielle Abgase und Abwässer sind häufig Anlass für Demonstrationen und gewaltsame Konfrontationen mit lokalen Behörden.

Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet von widerstreitenden Einschätzungen chinesischer Fachleute. Immerhin enthält das kürzlich verabschiedete Vier-Billionen-Yuan-Konjunkturprogramm (nach Kurs vom 23.12. sind das etwa 418 Milliarden Euro) auch eine Reihe energiepolitisch sinnvoller Maßnahmen. So soll zum Beispiel das Hochspannungsnetz für 1,2 Billionen Yuan (etwas mehr als 130 Milliarden Euro) ausgebaut werden. Das käme nicht zuletzt der boomenden Windenergie zugute.

Außerdem wurden am Donnerstag vergangener Woche zwar einerseits die Kraftstoffpreise für PKW und LKW gesenkt, die in China immer noch staatlich festgesetzt werden. Gleichzeitig wurde die Verbrauchssteuer auf Benzin und Diesel drastisch erhöht. Damit werden die Preise künftig schneller und kräftiger ansteigen, wenn der Ölpreis auf dem Weltmarkt sich wieder nach oben bewegt. Das wird, so hoffen die Behörden, dämpfend auf den Verbrauch wirken.

Hintergrund dieser Maßnahme ist vermutlich die arge Bedrängnis, in die sie im letzten Sommer mit ihrer starren Preispolitik in geraten waren. Wegen der seinerzeit hohen Inflation trauten sie sich nicht, die Kraftstoffpreise in dem Maße zu erhöhen, wie das Rohöl auf dem Weltmarkt teurer wurde. Für die chinesischen Ölkonzerne brachen dadurch die Gewinne zusammen, weshalb sie die Produktion drosselten. In einigen Städten kam es zeitweilig zu Versorgungsengpässen.

Effizienzziele

Die Schwierigkeiten der energieintensiven Branchen könnten China also helfen, seine energiepolitischen Ziele zu erreichen. Bis 2010 soll der Energieverbrauch pro Wirtschaftsleistung gegenüber dem Niveau von 2005 um 20 Prozent gesenkt werden. Im letzten Jahr wurde ein Minus von 3,66 Prozent erreicht, in den ersten drei Quartalen 2008, das heißt, vor dem November-Einbruch, waren es heuer bereits 3,46 Prozent. Nach dem das Land auf diesem Weg 2006 einen schlechten Start gehabt hatte, könnte es also noch etwas werden, zumal die Windenergie weiter boomt und China inzwischen auch sein erstes Fotovoltaikkraftwerk in Betrieb genommen hat.

Die große Frage, die auch die Ökonomen im Rest der Welt beschäftigt, ist allerdings, wie stark China von der globalen Wirtschaftskrise betroffen sein wird. Kann es mit seinem Binnenmarkt die wegbrechenden Exporte kompensieren und somit mittelfristig vielleicht gar zur Lokomotive der Weltwirtschaft werden?

Die Zeitschrift China Economic Review ist diesbezüglich optimistisch. Autor Andy Rotham zählt einige Punkte auf, die ihn an die chinesische Wirtschaft glauben lassen: Anders als im Westen gibt es aufgrund der staatlichen Kontrolle über die Banken keine Probleme für Unternehmen, Kredit zu erhalten. Die Konsumenten sind in ungebrochener Spendierlaune und verfügen – im Durchschnitt – über ansehnliche Sparguthaben. Die Gewinne der Unternehmen würden wegen fallender Rohstoffpreise tendenziell steigen. Und letztendlich sei der Einbruch bei den Exporten bisher nicht so dramatisch, wie er auf den ersten Blick ausschaut: Betroffen seien vor allem Stahl und Textilien, beides Sektoren mit vergleichsweise geringer Wertschöpfung (China ist bisher nur im unteren Qualitätssegment der Stahlproduktion konkurrenzfähig).

Das Ende der Kohle

Doch was heißt das für Chinas Energie- und Umweltpolitik? Vermutlich, dass der Spielraum der Führung in Beijing groß genug bleiben wird, um die extreme Luft- und Wasserverschmutzung weiter zu bekämpfen und das Land auf den Weg einer Energiewirtschaft zu bringen, die langfristig wesentlich mehr auf erneuerbare Energieträger setzt. Hoffentlich.

Für China stellt sich nämlich auch unabhängig von den Umweltaspekten die Frage, wie lange die Energieversorgung nach hauptsächlich von der Kohle abhängen kann. 230 Millionen Tonnen wurden im November verbraucht, schreiben die Statistiker. Hochgerechnet aufs Jahr sind das 2,76 Millionen Tonnen. Bei diesem Verbrauch wären die chinesischen Kohlelager schon in 30 bis 40 Jahren vollständig erschöpft. Aber nur, wenn der Verbrauch nicht weiter wie bisher wächst. Dazu muss man wissen, dass China eines der Länder mit den weltweit größten Kohlevorkommen ist. Man kann sich also leicht ausmalen, was ungebremster chinesischer Appetit auf den fossilen Energieträger in den nächsten Jahren für den Kohleweltmarktpreis bedeuten wird.

Aus den Fugen

Derweil ist schwer zu sagen, was die Menschheit eher zu spüren bekommt: Die ökonomischen Aspekte der sich abzeichnenden Energiekrise, die durch die Verknappung der fossilen Brennstoffe hervorgerufen wird, oder ein globales Klima, dass aus den Fugen gerät.

Wie Link auf /tp/blogs/2/119438, hat die atmosphärische Methan-Konzentration in den letzten beiden Jahren wieder zugenommen, nachdem sich zuvor annähernd zehn Jahre nichts mehr getan hatte. Das passt zu anderen Ergebnissen, die letzte Woche auf der Herbsttagung der American Geophysical Union vorgestellt wurden.

Oben: Methan Konzentration im Milliardstel Volumenanteilen, unten das jährlich Wachstum der Konzentration. Wie man sieht, hat dieses nach Jahren der Ruhe wieder zugelegt. Eine Erklärung könnte in den Vorgängen vor und in Sibirien liegen, aber für ein abschließendes Urteil ist es noch zu früh. Grafik: WMO Greenhouse Gas Bulletin 2008

Auf einer Messfahrt hatte ein internationales Forscherteam, wie ebenfalls Link auf /tp/blogs/2/120690 vor der sibirischen Küste ungewöhnlich hohe Konzentration von Methan im Wasser und in der Luft festgestellt. In Wolken aus Blasen stieg es vom Meeresgrund auf.

Methan, schreibt die Weltmeteorologieorganisation WMO in ihrem im November erschienen jährlichen Treibhausgasbulltin, trage bisher 18,5 Prozent zum zusätzlichen, von Menschen gemachtem Treibhauseffekt bei. Verglichen mit CO2, dem wichtigsten Treibhausgas hat es nur eine vergleichsweise kurze durchschnittliche Verweilzeit in der Atmosphäre von etwa neun Jahren. Seine Konzentration ergibt sich aus einem komplexen Zusammenspiel von Quellen und Senken, denn Methan wird von OH-Radikalen, das heißt, von chemisch aggressiven Verbindungen aus Sauerstoff und Wasserstoff aus der Atmosphäre entfernt.

Eine mögliche Erklärung für den von der WMO gemeldeten Anstieg der Methankonzentration könnte in verstärkten Emissionen vor den Küsten Sibiriens liegen. Auch von arktischen Seen sowohl in Kanada wie in Sibirien gibt es seit kurzem Berichte über einen Anstieg der dortigen Methan-Emissionen. Wie im Schelfmeer vor der sibirischen Küste steigt das Gas aus den Sedimenten auf.

Eine Gruppe US-amerikanischer und australischer Wissenschaftler hat die atmosphärischen Messergebnisse mit einem Methan-Modell simuliert, in dem auch der Abbau durch OH-Radikale berücksichtigt wird, und kommt zu dem Ergebnis, dass ein Teil des Anstiegs nur mit einer Quelle auf der Nordhalbkugel zu erklären ist, die zeitgleiche Zunahme der Methan-Konzentration auf der Südhalbkugel aber nicht. Die Ergebnisse sind aber mit einer gewissen statistischen Unsicherheit behaftet, und die WMO meint in ihrem Bulletin, dass es für eine abschließende Beurteilung noch zu früh ist.