Reform der Notfallversorgung: Wie die Digitalisierung Leben retten kann

Rettungskette, Festplatte

Ein Klick kann Leben retten – doch im deutschen Rettungswesen herrscht noch digitales Chaos. Die Bundesregierung plant jetzt eine große Reform der Notfallversorgung.

Eine überregional bessere Notfallversorgung scheint ohne verbesserte Digitalisierung im Gesundheitswesen kaum realisierbar zu sein.

Menschen in medizinischen Notfallsituationen benötigen unverzüglich eine zuverlässige und professionelle Hilfe. Aus diesem Grund soll eine effektive und qualitativ hochwertige Notfallversorgung ein fundamentaler Bestandteil der deutschen Gesundheitsversorgung sein.

Verbesserung der Notfallversorgung durch Einführung einer digitalen Rettungskette

Als Rettungskette beschreibt man die koordinierte Zusammenarbeit im Rettungswesen vom Ersthelfer über den Notruf, den Rettungsdienst bis hin zur Behandlung im Krankenhaus. Leitstellenpersonal, nichtärztliche und ärztliche Mitarbeitende im Rettungsdienst sowie pflegerisches und ärztliches Personal in Notaufnahmen arbeiten gemeinsam, um Notfallpatienten bestmöglich zu versorgen.

Als entscheidend gilt dabei eine gute Kommunikation ohne Informationsverlust, besonders auch in Notfallsituationen. Bislang ist die digitale Datenkommunikation im Rettungswesen entlang dieser Rettungskette häufig eher suboptimal. Mehrfachdokumentationen binden etwa knappe Ressourcen. Und dies geschieht in einem Umfeld, in dem die Arbeitsbelastung höher ist als früher und stetig steigt.

Um eine effektive und qualitativ hochwertige Notfallversorgung in Zukunft sicherstellen zu können, plädiert die Sektion Notfalldokumentation der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) für die Etablierung einer digitalen Rettungskette. Sie kann flächendeckend zum Einsatz kommen und soll auf den interoperablen Datensätzen der DIVI beruhen.

Notfallrettung in Deutschland historisch bedingt heterogen

Während die Rettungsdienste im Norden und Osten der Republik oft in der Hand der kommunalen Feuerwehren liegen und aus deren Etat finanziert werden, verteilen sich die Rettungsdienste im Süden auf die meist als e.V. organisierten regionalen Einheiten vom Rote Kreuz, den Maltesern, den Johannitern, den Arbeiter-Samariter-Bund sowie ungezählte private Ambulanzen.

Das Bayerische Rote Kreuz ist als einziger der 19 Landesverbände des Deutschen Roten Kreuzes nicht als eingetragener Verein, sondern als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisiert, wobei zum BRK-Kreisverband München seit September 2009 auch der Zentrale Omnibusbahnhof München (ZOB) gehört, den die meisten Fernbuslinien anlaufen.

Geplante Reform der Notfallversorgung

Die Ampel strebt eine Neuorganisation der Rettungsdienste in Deutschland an und will dies in das NotfallGesetz (NotfallG) für eine Reform der Notfallversorgung in Kliniken und Praxen aufnehmen.

Danach sollen mit den Rettungsleitstellen vernetzte Akutleitstellen bei den Kassenärztlichen Vereinigungen eingerichtet werden, in denen Ärzte telefonisch oder per Video beraten. "Integrierte Notfallzentren" (INZ) sollen künftig darüber entscheiden, ob Patienten, die in die Notaufnahme kommen, ambulant oder stationär behandelt werden.

Dazu sollen die auf die Notfallversorgung ausgerichteten Krankenhäuser mit den Notdienstpraxen und Notaufnahmen enger zusammenarbeiten und künftig auch mit niedergelassenen Praxen kooperieren. Ziel ist es, eine ambulante Erstversorgung rund um die Uhr gewährleisten zu können.

Dafür will man den Rettungsdienst als eigenständigen Leistungsbereich anlegen und die Vergütung der Kosten nicht mehr auf die Erstattung der Fahrkosten für Durchführung eines Transportes beschränken.

Mit der Aufnahme des Rettungsdienstes ins Sozialgesetzbuch möchte man sicherstellen, dass sinnvolle neue Versorgungsangebote der Rettungsdienste wie der Einsatz von Telenotärzten, Gemeindenotfallsanitätern oder auch die stärkere Kooperation zwischen mehreren Leitstellen künftig angemessen finanziert werden können.

Um bundesweite Mindeststandards abzusichern, soll ein Qualitätsausschuss beim Bundesgesundheitsministerium (BMG) eingerichtet werden. Ihm sollen je vier Mitglieder auf Vorschlag der Länder und der gesetzlichen Krankenkassen angehören. Das weisungsunabhängige Gremium soll einen Katalog mit Empfehlungen zu Strukturen und Prozessen erlassen. Dazu zählt die notwendige Qualifikation des Personals und die Ausstattung von Leitstellen.

Aus Sicht der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, die mehr als 4.500 Mitglieder aus dem Bereich Intensiv- und Notfallmedizin vertritt, sind die Gesetzesvorschläge noch dringend optimierungsbedürftig.

Automatisierte Ortung von Notrufen

Im Rahmen der Reform des Rettungswesens sollen auch Standards zum automatisierten Orten von Notrufen und zu softwaregestützten Abfragesystemen bei Notrufen entwickelt werden.

Zu den Aufgaben des Ausschusses beim BMG soll die Förderung von Erster Hilfe durch Laien und einer Einbindung registrierter Ersthelfer über mobile Alarmierungs-Apps zählen.

Zur besseren Kommunikation soll außerdem die Nutzung einer standardisierten und vernetzten Software in den bundesweit mehr als 240 Leitstellen auch über Landkreis- und Ländergrenzen hinweg zählen.

Bislang fehlen nach Aussage der Deutschen Stiftung Patientenschutz einheitliche Standards und Patienten werden nach einem Herzinfarkt oder Schlaganfall vom Rettungsdienst viel zu oft in ein ungeeignetes Krankenhaus eingeliefert, denn nicht alle Kliniken sind auf solche Notfälle spezialisiert. Solche Fehlentscheidungen von Leitstellen sind bislang nicht gesetzlich konsequent ausgeschlossen.

Ohne eine konsequente standardisierte Digitalisierung der Notfallkommunikation wird sich die Situation der grundsätzlich unter Zeitdruck stehenden Notfallversorgung schwerlich optimieren lassen und im Zweifelsfall sollte die Lebensrettung Vorrang vor dem Datenschutz haben.