Roubini fordert drastische Schritte von der EZB

Deutschland müsse, so fordert der "Star-Ökonom", aus Eigeninteresse mehr "grenzüberschreitende Lasten" tragen und ein weiteres Konjunkturpaket auflegen

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Der US-Präsident Barack Obama und seine Regierung setzt weiter auf Psychologie (Und noch ein Hilfspaket für die USA), um die Krise zu bekämpfen und die Konsumlaune zu heben. Obama hofft, die Talsohle durchschritten zu haben und die Wirtschaft nun auf den richtigen Weg zu bringen. Skeptischer ist dagegen der prominente Ökonomie-Professor Nouriel Roubini, aber auch er macht "Licht am Ende des Tunnels" aus und fordert drastische Maßnahmen von der Europäischen Zentralbank (EZB). Deutschland verhindere, die Leitzinsen wie in den USA und Großbritannien rasch nahe Null zu senken, zudem sollten die Deutschen auch größere Lasten tragen. Dazu sei ein weiteres Konjunkturprogramm notwendig.

US-Präsident Obama setzt auf Optimismus. Beim Bürger kämen Steuersenkungen und Teile des fast 800-Milliarden-Dollar-Konjunkturpakets an. Er kündigte an, in den nächsten Wochen würden weitere Initiativen gestartet: "Wir können Fortschritte erkennen und wenn wir dran bleiben, wenn wir nicht zurückweichen angesichts der Schwierigkeiten, dann bin ich absolut überzeugt, dass wir unsere Wirtschaft wieder zurück auf den richtigen Weg bringen", versucht der US-Präsident die Laune zu heben.

Ähnlich äußert sich auch Roubini, der die Krisenmaßnahmen der US-Regierung begrüßt. Der bekannte, auch Mr. Doom genannte US-Nationalökonom von der New York University glaubt, dass wohl das Schlimmste der Krise in den USA überstanden sei. Die Rezession sei aber noch längst nicht vorüber. Über das Gesamtjahr gesehen werde die US-Wirtschaft schrumpfen und erst im nächsten Jahr könne es ein leichtes Wachstum geben. Er hatte auf dem Schweizer Außenhandelsforum in Zürich erneut eindringlich von dem Risiko einer "globalen Stag-Deflation" gewarnt.

Es handelt sich dabei um seine eigene Begriffsschöpfung, die das sehr gefährliche Phänomen einer weltweit schrumpfenden Wirtschaftsleistung bei gleichzeitig fallenden Preisen beschreibt. In einigen Ländern, wie in Japan oder Spanien, ist sie schon zu beobachten. Deutschland nähert sich in der Rezession mit einer Inflationsrate von 0,5 % im März der gefährlichen Deflation ebenfalls an. "Es werden zu viel Häuser, zu viele Rohstoffe, zu viele Autos und zu viel Arbeitsleistung angeboten", sagte Roubini, weshalb die Preise fallen müssen.

In Europa und Japan werde die Wirtschaftsleistung allerdings auch 2010 wieder nahe Null liegen. Allgemein werde es aber weiterhin eine gefühlte Rezession die großen Volkswirtschaften bestimmen, selbst wenn sie diese wie die USA 2010 mit einem leichten Wachstum hinter sich lassen könnten. Verantwortlich sei dafür die stark steigende Arbeitslosigkeit, die auch in Deutschland bald auf eine offizielle Quote von "mindestens 10 %" anschwellen werde. Roubini sieht aber "Licht am Ende des Tunnels". Verantwortlich machte er dafür auch Lerneffekte aus der Lehmann-Pleite: "Die Regierungen haben den Ernst der Lage erkannt und die richtigen Maßnahmen eingeleitet." Gemeint sind die damit die Verstaatlichungen von Banken, um sie nach der Sanierung wieder zu privatisieren, die massiven Leitzinssenkungen zur Verbilligung von Krediten und die "quantitative Lockerung", wie auch in Großbritannien (Großbritannien: "It's finished!"), also den massiven Rückkauf von Staatsanleihen durch den Staat, um die Reserven in den Bilanzen der Banken zu erhöhen.

Genau dieses Vorgehen will Roubini zur Krisenbekämpfung auf ganz Europa ausgeweitet wissen, wie er in einem Interview mit der Financial Times Deutschland (FTD) nun erklärte. Dabei ist er sich des grandiosen Widerspruchs bewusst, dass die Krise ausgerechnet mit den Mitteln bekämpft werden soll, die sie verursacht haben. "Es gibt keine Alternative", meinte er. Wichtig sei nur, dass die überschüssige Liquidität rechtzeitig wieder vom Markt abgesogen würde.

In dem FTD-Interview schießt er sich ganz besonders auf die deutsche Regierung ein, weil sie auch massive Zinssenkungen der EZB bremse. "Natürlich ist die EZB unabhängig, aber der Einfluss der Bundesbank und deren Sorge vor Inflation trugen entscheidend dazu bei, dass der Leitzins derzeit noch bei 1,25 Prozent liegt, obwohl er eigentlich näher an null sein sollte". Doch genau wegen solch widersprüchlichen Ratschlägen zweifeln einige inzwischen am Geisteszustand des "Star-Ökonomen" (Dampfplauderer Roubini).

Er empfiehlt der EZB auch die umstrittene quantitative Lockerung und prophezeit, dass auch die EZB alsbald die Geldmenge über diesen Weg weiter erhöhen werde. Die Mutigeren würden sich durchsetzen, glaubt er. Denen gibt er zudem als Ratschlag, dass man auch gleich die Staatsanleihen von Irland, Griechenland und anderen Ländern aufkaufen müsse, die einem Angriff von Spekulanten und Hegde-Fonds ausgesetzt seien. Die würden nun auf den Zinsunterschied (Spread) wetten, der sich schon jetzt weit zwischen den zehnjährigen Staatsanleihen im Vergleich zu den deutschen Anleihen aufgetan hat, um ihre Gewinne zu steigern. Ihr Druck könne sich zu einer selbst erfüllenden Prophezeiung ausweiten, wenn nicht die EZB oder die EU einschritten.

"Deutschland tut sich mit Hilfsprogrammen selbst einen Gefallen"

Als größte europäische Volkswirtschaft müsse Deutschland mehr "grenzüberschreitende Lasten" auf sich nehmen, sonst werde sich die Krise in Europa ausweiten. Damit meint er auch, dass Deutschland höhere Kosten für die Finanzierung der hohen Neuverschuldung über einen gemeinsam Euro-Bond, wie ihn die EU-Kommission schon einmal in die Diskussion gebracht, in Kauf nehmen müsse. Bisher lehnte die Bundesregierung dies wegen der enormen Kosten ab.

Doch es kann auch hier beobachtet werden, wie der deutscher Widerstand gegen eine solche gemeinsame Anleihe bröckelt. Da die Bundesrepublik noch immer als eines der sichersten Länder in der Euro-Zone gilt, würde die gemeinsame Anleihe mit Staaten, die eine niedrigere Kreditwürdigkeit aufweisen, zu einer deutlich höheren Zinslast für Berlin führen. Dafür würden sich die Kosten für Staaten wie Irland, Griechenland oder Spanien verringern, deren Haushalte zum Teil völlig aus dem Ruder laufen.

Roubini setzt aber auch auf weitere Konjunkturprogramme. Anders als das kürzlich beschlossene EU-Paketchen werden massive Programme gerade in Japan und Russland auf den Weg gebracht. Tokio pumpt erneut 74 Milliarden Euro in die Wirtschaft und auch Moskau stellt weitere 68 Milliarden Euro bereit, um die Wirtschaft zu stützen. Doch bisher wehrt man sich in Berlin noch scheinbar beharrlich gegen neue Konjunkturpakete, wie sie London, Washington und Tokio von der Bundesregierung fordern.

In das Trommelfeuer stimmt nun auch Roubini ein: "Deutschland tut sich mit Hilfsprogrammen selbst einen Gefallen." Er erwartet, dass die Bundesregierung noch vor den Wahlen im Herbst dem Druck nachgeben wird und ein weiteres Konjunkturpaket auflegt. Dass die Kanzlerin nun in der kommenden Woche erneut zum Wirtschaftsgipfel ins Kanzleramt einlädt, um mit Vertretern von Unternehmen, Banken, Verbänden, Gewerkschaften und der Wissenschaft eine aktuelle Einschätzung der Krise zu erarbeiten und eine Bestandsaufnahme der bisherigen zwei Konjunkturprogramme zu machen, weist in diese Richtung. Da hilft es nichts, wenn es aus der Regierung tönt, es gehe ausdrücklich nicht um ein drittes Konjunkturpaket. Die Halbwertszeit ihrer Aussagen ist in der Krise bisweilen sogar auf Stunden geschrumpft.

Angesichts neuester Horrorzahlen, wonach der Umsatz in der deutschen Industrie im Februar extrem eingebrochen ist, wird man versucht sein, die Binnennachfrage angesichts des ausfallenden Exports zu stärken. Der Umsatz ging im Verhältnis zum Vorjahresmonat um 23,3 % zurück, teilte das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mit. Besonders betroffen war die Autoindustrie, wo die Umsätze um fast 40 % eingebrochen sind. Mit der Abwrackprämie wird für diese gerade ein Strohfeuer abgebrannt, das andere Bereiche, die ebenfalls stark betroffen sind, nicht erreichen wird. Deshalb steht zu erwarten, dass hier nachgebessert werden wird.