Rückkehr nach China statt USA: Chinesische Forscher zweifeln an ihrer Sicherheit
US-Elite-Hochschulen nicht mehr erste Wahl. Wissenschaftler aus China fühlen sich in Vereinigten Staaten nicht sicher. Grund: Groteske Spionagevorwürfe und Generalverdacht.
Die zunehmend feindselige Haltung der US-Regierung gegenüber China hat in den US-Hochschulen schwerwiegende Folgen. Lange waren die USA für Chinas akademische Jugend die erste Wahl, wenn es um ein Auslandsstudium ging.
Im vergangenen Jahrzehnt war die Zahl der an US-Universitäten und Colleges eingeschriebenen Studierenden aus Fernost zunächst stetig, dann aber mit der wachsend feindseligen Stimmung gegenüber China nur noch sehr langsam gestiegen.
Mit gut 370.000 erreichte sie im Wintersemester 2019/20 laut Statista ihren Höhepunkt. Danach brachen die Zahlen, vermutlich aufgrund von Corona, deutlich ein. Im Wintersemester 2021/22 studierten noch 290.000 Chinesinnen und Chinesen in den USA.
Ob sich die Reihen wieder füllen, ist angesichts der zunehmenden Restriktionen für die wissenschaftliche Zusammenarbeit allerdings fraglich. Statt offenem Austausch unter Akademikern scheint sich Misstrauen auszubreiten, und mehr und mehr chinesische Absolventinnen und Absolventen ziehen es vor, nach China zurückzukehren, statt Stellenangebote in den USA anzunehmen.
Das hat sicherlich auch damit zu tun, dass alle, die auch nur so aussehen, als könnten die Eltern aus China stammen, einem Generalverdacht ausgesetzt zu sein scheinen. Eine Umfrage, über die ebenfalls die South China Morning Post berichtet, hat kürzlich ergeben, dass rund die Hälfte der in den USA lebende Forscherinnen und Forscher, mit chinesischem Pass oder Eltern, sich nicht mehr trauen, öffentliche Forschungsgelder zu beantragen.
70 Prozent fühlen sich nicht mehr sicher
Über 70 Prozent der 1.304 der zwischen Dezember 2021 und März 2022 Befragten gaben an, sich als Forscherin oder Forscher chinesischer Herkunft in den USA nicht mehr sicher zu fühlen. 65 Prozent waren besorgt, wenn sie mit chinesischen Institutionen zusammenarbeiten, und 61 Prozent dachten darüber nach, die USA zu verlassen.
Hintergrund dieser verbreiteten Unsicherheit sind Spionageanschuldigungen, durch Behörden geschürtes Misstrauen und gezielte Untersuchungen gegen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.
Die Hongkonger Zeitung zitiert als beispielhaft den Fall des Physikers Xiaoxing Xi, der am 21. Mai 2015 Besuch von FBI-Beamten bekam, die ihn und seine Familie mit vorgehaltener Waffe bedroht und ihn schließlich festnahmen. Der Vorwurf: Er sollte versucht haben, Informationen über einen Taschenwärmer nach China zu schicken.
Die Untersuchungen dauerte vier Monate, in denen er weder seinen Campus besuchen, noch seine Studenten sprechen durfte. Die Anklage wurde schließlich fallen gelassen. Sie hatte auf vier von Xi aus der Universität verschickten Mails beruht, die nichts mit dem Taschenwärmer zu tun hatten. Seinen Posten als Chef des Instituts für Physik an der Temple-Universität, an dem er arbeitet, hat er allerdings bis heute nicht zurück.
2015 saß noch Barack Obama im Weißen Haus, seitdem hat sich die Situation für chinesische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den USA noch deutlich verschlechtert. 2018 hat der seinerzeitige US-Präsident Donald Trump eine sogenannte "China Initiative" gestartet, mit der sämtliche Forschungsprojekte chinesischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den, die Gelder aus Bundesmitteln erhielten, im Namen der "nationalen Sicherheit" durchleuchtet wurden.
In diesem Zusammenhang wurden, so die Zeitung, zahlreiche Karrieren zerstört, 150 öffentliche Untersuchungen durchgeführt und zwei Dutzend Personen angeklagt. Im Februar 2022 sei die Initiative des Justizministeriums eingestellt worden.
Die Stimmung in vielen Forschungseinrichtungen haben sich jedoch nachhaltig geändert. Forschende mit chinesischem Pass oder auch nur mit chinesischen Wurzeln hätten es nun schwerer, Anträge und Gelder bewilligt zu bekommen.