Russland: Zwischen Auslandseinfluss und Souveränität
Seite 4: Die von der US-Regierung finanzierten Programme und Aktivitäten
- Russland: Zwischen Auslandseinfluss und Souveränität
- Teil 1: Investitionen der US-Regierung in die Entwicklung politischer Strukturen in Russland
- Politische Zwecksetzung und politischer Budgetanteil der von 1993 - 2000 aufgelegten Pauschalprogramme USAID Grants, Freedom Support Act, Peace Corps
- Die von der US-Regierung finanzierten Programme und Aktivitäten
- Selbstbeschreibungen einiger NGOs und Unternehmen
- Thematische Schwerpunkte der Programme und Aktivitäten mit politischem impact
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Insgesamt wurden 108 Aktivitätsfelder und -programme der US-Regierung identifiziert, die durch politischen impact charakterisiert sind. Diese wurden teilweise nur in einem bestimmten Jahr oder aber über mehrere Jahre finanziell bedient, im letzten Fall wurden Salden gebildet. Um das Ganze noch übersichtlich zu halten, wurden nachfolgend die 108 Aktivitätsfelder auf 42 Themenblöcke eingekürzt, um einen Gesamtüberblick zu liefern.
Erläuterung drei spezieller, in der Tabelle gelisteter Programme: Eurasia Foundation, Open World Program, Public Diplomacy
Public Diplomacy: Von 1993-2003 fungierte bereits das "Peace Corps" in Russland als Public-Diplomacy-Agentur der USA. Im Zuge von dessen Ablösung wurden ab 2001/2002 zwei spezielle und weitaus größer dimensionierte Programme mit dem direkten Titel "Public Diplomacy" aufgelegt. Für Public Diplomacy in Russland hat die US-Regierung im Zeitraum 2001-2010 Haushaltsmittel von insgesamt 260 Mio. Dollar bereitgestellt. Neben der herkömmlichen Diplomatie auf unmittelbar zwischenstaatlicher Ebene wird in verstärktem Maße von vielen Staaten auch diese sog.
Public Diplomacy oder auch People's Diplomacy wird als Mittel der politischen Einflussnahme praktiziert (instruktiv dazu Routledge Handbook of Public Diplomacy). Public Diplomacy bezieht sich auf staatlich geförderte Programme von Regierungen, die zur Information und Beeinflussung der öffentlichen Meinung in anderen Ländern vorgesehen sind; damit sollen letztlich Politik und Maßnahmen anderer Regierungen beeinflusst werden. Während es gilt, die Zustände im eigenen Land der ausländischen Bevölkerung als optimistisch, fortschrittlich, modern, wirtschaftlich erfolgreich, demokratisch usw. darzustellen, sind die Verhältnisse des betreffenden Auslands je nach Freund-Gegner-Feind-Qualifizierung mit umgekehrten Vorzeichen darzustellen.
- Die Mittel dazu sind zum einen öffentliche Kommunikationsmedien wie Internet, Publikationen, Filme, Radio und Fernsehen (international broadcasting); Austauschprogramme für Studenten/Alumni/Politiker; Visaerleichterungen (siehe aktuell Ukraine, Georgien) etc., aber auch Kulturaustausch (cultural diplomacy; siehe Vorgänge zum letzten European Song Contest) sowie Ereignisse rund um den Sport (Dopingskandal in Russland, Olympiade Sotchi). Zur Bedeutung von Austauschprogrammen und Visaerleichterungen schreibt aktuell sehr instruktiv W. Ischinger auf Spiegel-Online "Abschreckung und Dialog: Das Russland-Paradox" (03.07.2016): "Das stärkste Signal andauernder Verbundenheit an die russische Bevölkerung wäre die Aufhebung der Visumspflicht für "normale" Russen… Je mehr Russen sich bei uns umschauen können, desto dümmlicher wird ihnen die antideutsche und antiwestliche Propaganda in russischen Medien erscheinen." Dagegen sei "die außenpolitische Position Russlands ohne jeden Ansatz von soft power".
- Zum anderen wird für Public Diplomacy eine Vielzahl diverser nichtstaatlicher Organisationen genutzt wie politisch, sozial oder kulturell fokussierte NGOs, politische Parteien, Unternehmen, Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften, Bildungseinrichtungen, religiöse Organisationen, ethnische Gruppen und auch bestimmte einflussreiche Personen im betreffenden Ausland.
Dieses Konzept wird mittlerweile erweitert auf den Ansatz der "population-centric foreign affairs" (bevölkerungsorientierte Außenpolitik), in dem ausländische Bevölkerungen nicht nur als ein Mittel betrachtet werden, sondern einen zentralen Gegenstand der Außenpolitik darstellen. Da die Menschen, und nicht nur die Staaten, von globaler Bedeutung sind in einer Welt, in der Technologie und Migration zunehmend jeden konfrontieren, wird eine ganz neue Tür der Politik geöffnet.
Die entsprechenden Public-Diplomacy-Aktivitäten (exchanges & programs) in und für Russland mit einem Gesamtvolumen von 260 Mio. Dollar wurden in Russland von zwei Behörden organisiert. Zum einen war das 1961 gegründete "Bureau of Educational & Cultural Affairs" (ECA) für sog. Public Diplomacy Exchanges involviert, das akademische, kulturelle, sportliche und professionelle Austauschprogramme finanziert und organisiert.
Eine besonders exponierte Karriere eines "Future Leaders", der durch die ECA aufgebaut wurde, soll hier kurz aufgezeigt werden: Ein Austauschteilnehmer war der Georgier Micheil Saakaschwili, der nach einem Rechtsstudium in Kiew zunächst 1992 am "Norwegischen Institut für Menschenrechte" in Oslo und dann beim "Georgischen Menschenrechts-Komitee" in Tiflis arbeitete und sich sodann auf Minderheitenrechte spezialisierte und Konferenzen über Südossetien und Abchasien organisierte. Nachdem er 1993 ein Diplom am "Internationalen Institut für Menschenrechte" in Straßburg erwarb, prädestinierte er sich 1994 als Stipendiat des Edmund S. Muskie Graduate Fellowship Programs, das von der o. g. ECA unterstützt wurde.
Zum anderen wurden vom Bureau of European & Eurasian Affairs in Russland spezielle Public Diplomacy Programs organisiert. Dieses Büro für europäische und eurasische Angelegenheiten, heute unter der Leitung von Assistant Secretary Victoria Nuland, entwickelt und implementiert US-Außenpolitik in Europa und Eurasien. Das Büro fördert(e) die US-Interessen in Russland beispielsweise zum Komplex "Unterstützung für Demokratie, Menschenrechte und Zivilgesellschaft". Dabei ist es Aufgabe der Programme für Public Diplomacy, die Verwirklichung der außenpolitischen Ziele und nationalen Interessen der USA dadurch zu unterstützen, dass die russische Öffentlichkeit entsprechend informiert und beeinflusst wurde. Dazu gehört(e) u. a. die Kommunikation mit dem russischen Publikum, Kulturprogramme sowie Besucherprogramme.
Von 2004-2010 firmierten alle Public-Diplomacy-Aktivitäten unter Public Diplomacy Exchanges & Partnerships. Diese sind mittlerweile weitgehend dem "Under Secretary of State for Public Diplomacy and Public Affairs" (siehe Organigramm) unterstellt, der folgende Ressorts verwaltet:
- Educational and Cultural Affairs/ECA,
- Public Affairs/PA and
- International Information Programs/IIP.
Siehe im Einzelnen auch die Fundstellen zu: Bureau of Educational & Cultural Affairs (ECA); Bureau of Public Affairs (PA), Public Diplomacy; Cultural diplomacy; Exchange Programs.
Zum Büro IIP gehört auch das weiter oben erwähnte Broadcasting Board of Governors/BBG (Voice of America, Radio Liberty/Free Europe etc.). Das IIP organisiert im Übrigen TechCamps (workshops zur Anwendung neuer Technologien für NGOs), ShareAmerica (eine Internet-Plattform für Geschichten und Bilder, die Diskussionen über wichtige Themen wie Demokratie, Meinungsfreiheit und die Rolle der Zivilgesellschaft anregen sollen), American Spaces (diese sollen nach Aussage des IIP einen Kerngrundsatz der Demokratie veranschaulichen, nämlich den freien Zugang zu Informationen, indem im Ausland Räumlichkeiten geschaffen werden, in denen Besucher sich mit den USA in Verbindung setzen (Internet, Videos, CDs, Bücher etc.) und sich über deren Politik, Werte und Kultur informieren können. Und schließlich gestaltet das IIP die Social-Media-Präsenz des State Departments über social media accounts.
Das Bureau of Public Affairs (PA) bedient nationale und internationale Medien, um rechtzeitige und genaue Informationen zu kommunizieren mit dem Ziel, die US-Außenpolitik und nationale Sicherheitsinteressen sowie ein erweitertes Verständnis der amerikanischen Werte zu fördern. Ihm obliegt: Planung der strategischen und taktischen Kommunikation der USA zur Beförderung der außenpolitische Interessen; Nutzung sozialer Medien und anderer moderner Technologien zur Gewinnung der Öffentlichkeit; Aufsicht über die sechs internationalen "Regional Media Hubs [Verteilzentren]" des State Departments, die als Übersee-Plattformen mittels Internet, Rundfunk und Printmedien für die Einbindung/Gewinnung der Öffentlichkeit im Ausland dienen; Herstellung und Koordinierung der audio-visuellen Produkte und Dienstleistungen im Ausland u. a. für die dortige Öffentlichkeit und Presse.
Open World Program: Für das Open World Program (siehe Tabelle oben unter public sector policy) sind in der Periode 2001-2010 Zuwendungen von $ 90,7 Mio. ausgewiesen (für 2005,2007 sind allerdings keine Budgetansätze im foreign aid explorer aufgeführt).
Nachfolgend eine Kurzzusammenfassung der Open World-Homepage: Das Open World-Programm, (in der Startphase 1999 noch: Russian Leadership Program) offiziell gegründet i. J. 2000 und verwaltet durch das Open World Leadership Center, stellt eines der effektivsten US-Austauschprogramme mit den postsowjetischen Ländern dar. Das Zentrum ist die erste und einzige internationale Austausch-Agentur der US-Regierung. Das Open World Program richtet sich an aktuelle und zukünftige (sic) Führungskräfte und vermittelt zwecks Austausch direkte professionelle US-Pendants wie etwa Mitglieder des US-Kongresses, regionale und lokale Gesetzgeber, Bürgermeister, amerikanische Regierungsbeamte, Nicht-Regierungs-Organisationen und deren Führer, Medienprofis, Universitäten und Partnerstädte. Die Delegationen bestehen aus aktuellen und zukünftigen Führern aus Politik und Zivilgesellschaft, die im Rahmen eines vorgeschalteten Prüfungsprozess ausgewählt werden, wobei der Fokus auf möglichst junge "Leader" gelegt wird. (Frei übersetzt: Die USA schulen junge Russen, die mit Hilfe dieser Qualifikationen künftig in Russland Führungspositionen besetzen sollen.)
Der von Open World organisierte Austausch dient der Präsentation der US-Werte und dem nachhaltigen Aufbau demokratischer Institutionen. Auf diese Weise unterstützt Open World nach eigener Aussage die auf Eurasien, hier speziell auf Russland bezogenen Interessen, Projekte und Partnerschaften der Amerikaner. Themen sind solche von besonderem Interesse für den Kongress und solche mit transnationalen Auswirkungen, einschließlich Regierungshandeln sowie Transparenz und Anti-Korruption. Die meisten Open World-Programme untersuchen die Rolle, welche die Gesetzgebungsorgane in diesen Fragen und in Demokratien generell spielen, und bieten Möglichkeiten für die Delegierten, ihr Know-how mit ihren US-Kollegen und Gastgemeinschaften zu teilen.
Die Kandidaten werden anhand der folgenden Kriterien geprüft: demonstrierte Führungsqualitäten und Engagement für den Aufbau einer Zivilgesellschaft; Tätigkeit in einem oder mehreren Themenbereichen des Open World Austauschprogramms; Teilnahme am politischen Prozess, vor allem als legislativer Amtsinhaber, Kandidat oder Personal; gesellschaftliches Engagement oder Freiwilligenarbeit; etablierte US-Bindungen oder das Potential für das Knüpfen solcher Bindungen. Die Delegierten und Moderatoren werden für bis zu 10 Tage zum Austausch eingeladen.
Eurasia Foundation: Mit rund 54 Mio. Dollar an nicht spezifiziertem Zuschuss (Support under Core Grant III) im Zeitraum 2001-2008 ist die Eurasia Foundation einer der größten Zuwendungsempfänger. Generell ist ihr Hauptsponsor die US-Entwicklungsagentur USAID, daneben auch andere Staaten, die Weltbank und private Unternehmen. Seit dem Kollaps der Sowjetunion unterstützt die 1993 gegründete Eurasia Foundation in den Nachfolgestaaten der SU die Entwicklung der Zivilgesellschaft, lokale demokratische Institutionen und private Unternehmen.
Die Stiftung ist sowohl auf Randgruppen als auch insbesondere auf Frauen und Jugendliche sowie wirtschaftlich Benachteiligte fokussiert. Ziel ist organisatorische Nachhaltigkeit durch Stärkung der Infrastruktur von Graswurzel- bzw. Basisorganisationen und die Förderung der Entwicklung deren interner Prozesse und Verfahren. Dazu vergibt sie Fördergelder für einzelne Projekte, setzt aber auch eigene Programme um. In vielen von der Stiftung geförderten Regionen wurden Informationsplattformen im Internet als Alternativen zur Regierungspresse geschaffen. Neben der aufgeführten allgemeinen Unterstützung von $ 54 Mio. ist die Eurasia Foundation auch mit konkreten Projekten von der US-Regierung beauftragt worden, die in den sonstigen Themenbereichen enthalten sind.