SOKO Braunlicht

Seite 6: Die deutsche Charmeoffensive

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Im Jahr 2001 verdingte sich der damals 23jährige Karatelehrer Markus Rudolph R. in Rumänien als Verwaltungsangestellter bei einer deutschen Möbelfirma. Der Job reichte ihm offenbar nicht, in doppelter Hinsicht: finanziell - und er kam seiner Neigung nicht entgegen. Was damals in Rumänien niemand ahnte: R. hatte sich aus Deutschland abgesetzt, nachdem er eine Haftstrafe wegen "sexuellen Missbrauchs" einer seiner Karateschüler abgesessen hatte.

Also kam er auf die Idee, seine Karatekenntnisse zu nutzen, und sich so wieder Zugang zu männlichen Kindern und Jugendlichen zu verschaffen. Ohne dass irgendjemand daran Anstoß nehmen könnte. R. bestach die Kinder und Jugendlichen mit großzügigen Aufmerksamkeiten, z.B. Eis, und hatte bald 200 Schüler.

Im Gegenzug ließen diese sich bereitwillig filmen. U.a. auch ganz offen auf Familienfeiern. Dabei fiel Erwachsenen später auf, dass alles Film- und Fotomaterial, auf dem R. selbst zu sehen war, verschwand. Außerdem lehnte er es grundsätzlich ab, mit den Kindern oder deren Angehörigen auf Zusammenkünften fotografiert zu werden.

Dem "Toronto Star" gegenüber gab er an, er habe 2007 begonnen, Videos seiner Karateschüler auf ein Internetportal namens "funfightkids.com" zu stellen. Daraufhin sei er von "Azov Films" kontaktiert worden. Zuerst habe er die Jungs in Unterwäsche gefilmt, aber schließlich bekam er ein verlockendes Angebot für Nacktaufnahmen.

Diese Verlockung gab er an die Jungen so weiter: 6 US-$ für Aufnahmen in Unterwäsche, das Doppelte ohne. Die Jungen wussten allerdings nicht, dass R. die Aufnahmen an "Azov Films" verscherbelte.

Ein Schäfer kam im Herbst 2009 zufällig dahinter, dass R. an abgeschiedenen Orten Filmaufnahmen mit den Jungen machte. Später fanden die Familien heraus, dass die Aufnahmen ihrer Söhne an Konsumenten in mehr als 90 Ländern verkauft wurden. Die Ermittlungen ergaben, dass sie von "Azov Films" vertrieben wurden. R. wurde zu zwei Jahren Haft verurteilt, und im August 2012 entlassen. Für R. hat sich der Fall damit erledigt. Er lebt unter dem Namen "Florian B." an einem unbekannten Ort.

Für die meisten der betroffenen Jungen hatte das nachhaltige Konsequenzen. Nachdem klar war, dass "Azov Films"die Aufnahmen weltweit vertrieb, wurden sie z. T. stigmatisiert, und wurden aus ihren Cliquen ausgeschlossen. Sie trauten sich nicht mehr in die Schule, kapselten sich von Gleichaltrigen ab. Mehrere Eltern erzählten, ihre Söhne hätten eine komplette Wandlung vollzogen.

Die Mutter des Jungen, den R. anderen Eltern als seinen Sohn vorstellte, verließ mit ihrem Sohn den Wohnort. Der Junge wurde als "schwul" bezeichnet, in einer Gegend, in der Homophobie weit verbreitet ist. Außerdem wurden sie von anderen Eltern dafür verantwortlich gemacht, dass deren Söhne ebenfalls Opfer von R. wurden. Also blieb ihr nichts anderes übrig, als die Koffer zu packen, und umzuziehen. Von Irgendwo nach Nirgendwo ... .

Das so entstandenen Film- und Fotomaterial gilt größtenteils als "harmlos", laut der derzeitigen bundesdeutschen Gesetzgebung würde deren Erwerb und Besitz als nicht illegal eingestuft. Doch die Geschichte hinter diesen als harmlos geltenden Fotos zeigt, dass sie für die Betroffenen alles andere als harmlos sind.

Der Fall Edathy weist zudem darauf hin, wo die Kunden der Pornoringe und die Freier von prostituierten Kindern und Jugendlichen auch zu finden sind: in den obersten Etagen von Politik, Justiz, Polizei und Wirtschaft.

Wir reden im Zusammenhang mit den Porno-Aktivitäten des NSU über eine Zeit, in der noch nicht jeder einen eigenen Rechner zuhause stehen und somit unkompliziert und unbegrenzt Zugang auch zu den dunklen Seiten der WeltWeitenWeisheit hatte. Die Kinder, die von Tino B. prostituiert wurden, wurden nicht an der nächsten Ecke für 5 Mark verhökert.

Wer also das Geflecht zwischen Rechter Szene, Organisierter Kriminalität und Staat entwirren will, muss nach den Hintermännern fragen - und nach den Kunden und Freiern aus dem Rotlichtmilieu. Die Antworten dürften allerdings die Grundfeste unserer Demokratie nachhaltig erschüttern.