SOKO Braunlicht

Seite 4: Der Fall Peggy K.

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Noch eine Spur wurde konsequent nicht verfolgt, und zwar in Richtung Organisiertes Verbrechen. Im Sommer 2016 wurde bekannt, dass an einem Fundort, an dem Knochen der vermissten Peggy K. gefunden, auch Spuren von Uwe Böhnhardt gefunden worden seien. Da ging das große Rätselraten los: Wie kamen dessen Spuren an diesen Fundort?

Mit den Spekulationen kamen auch die Dementi. Der Zusammenhang zwischen den beiden Personen wurde bestritten, es hieß, das zuständige Labor habe nachlässig gearbeitet. Kennen wir das nicht irgendwoher? Das fragliche Labor dementierte das Dementi, das umgehend wieder dementiert wurde. Bis heute ist nicht geklärt, wie Spuren von Böhnhardt an den Fundort gelangt sein können.

Die damals 9jährige verschwand am 7. Mai 2001. Ihre Mutter Susanne hatte es aus Halle an der Saale nach Franken verschlagen. Zu dem Zeitpunkt soll der leibliche Vater aufgetaucht sein, der seine Tochter sechs Jahre nicht mehr gesehen haben soll. In Internetforen wird berichtet, dieser habe umgehend nach Peggys Verschwinden Suchflyer "in der tschechischen Kinderpornoszene" verteilt. Allerdings kursieren in der WeltWeitenWeisheit allerhand Geschichten und Räuberpistolen rund um Peggy, ihre Familie, seltsames Verhalten und mögliche Täterschaften.

Bis zum Sommer 2016 gab es keine Spur des Mädchens. Jedoch wurde in einem Indizienprozess Ende April 2004 Uvli K. wegen des Mordes an dem Mädchen verurteilt. Ihm wird zur Last gelegt, Jahre zuvor einen kleinen Jungen vergewaltigt zu haben. Andere Kinder soll er zu "Doktorspielen" animiert haben, bei denen er in deren Anwesenheit onanierte.

Diese Sexualstraftaten gelten als erwiesen. Peggy - und hier beginnt die Spekulation - soll er vergewaltigt haben. Und zwar wenige Tage vor ihrem Verschwinden. Der Hypothese des Gerichts zufolge soll er das Mädchen am Tag seines Verschwindens abgepasst, verschleppt und ermordet haben. In einem Wiederaufnahmeverfahren wurde er 2014 vom Vorwurf des Mordes freigesprochen, nicht jedoch von den Sexualstraftaten, die die anderen Kinder betreffen.

Inzwischen ist bekannt, dass der Onkel einer Spielkameradin dieser sexuelle Gewalt angetan hatte. Und zwar ebenfalls zu dem fraglichen Zeitpunkt. Auch Peggy kannte diesen Onkel. Im Sommer 2016 stellte sich die große Frage: Was hatte Uwe Böhnhardt mit Peggy K. zu tun?

Zur allseitigen Überraschung wurde bekannt, dass Böhnhardt schon einmal mit einem Kindermord in Zusammenhang gebracht wurde. Und zwar bereits 1994.

Ferner wird bekannt, bzw. die Information rückt in den Mittelpunkt öffentlichen Interesses, bekannt war sie vorher schon, dass der Thüringische "Heimatschützer" Tino B. einen munteren Handel mit Kinderpornos betrieb, Kinder in die Prostitution vermittelte und auch selbst Kinder zu sexuellen Handlungen zwang bis hin zu Vergewaltigungen.

Laut taz hat "die Anklage B. in 156 Fällen eigenen Verkehr mit minderjährigen Jungen gegen Bezahlung oder deren Vermittlung gegen 'Provision' an andere Erwachsene vorgeworfen. Es handelte sich um vier männliche Jugendliche unter 18 Jahren, ein weiteres Opfer war 13 Jahre alt". Verurteilt wurde er im Dezember 2012 wegen 66 solcher Fälle zu 5 ½ Jahren Haft.

Tino B. war einer der führenden Kader in der thüringischen Neonazi-Szene, aber auch darüber hinaus. Besonders "verdient" machte er sich in der Szene u.a. durch seinen Beitrag bei der Organisation des alljährlich in Wunsiedel stattfindenden "Rudolf Hess Gedenkmarsches".

In der Doku "Der NSU Komplex" von Stefan Aust berichtet er, wie ihm der Staatsschutz bei dieser verdienstvollen Aufgabe finanziell unter die Arme griff, z. B. durch großzügige Geldspenden, ohne die er die Organisation nicht hätte stemmen können, z.B., weil er die entstandenen Telefonkosten überhaupt nicht hätte finanzieren können.

Der "Rudolf Hess Gedenkmarsch" war lange Zeit eines der Hauptevents der deutschen Neonaziszene. Wer auf sich hielt, pilgerte nach Wunsiedel. Dieser Kristallisationspunkt, so viel ist nun klar, wurde möglich gemacht durch staatliche Beihilfe.

Schon früher Ermittlungen gegen Beate Zschäpe

Doch zurück zu dem Thema Kinderpornographie, bzw. -prostitution. Nachdem ein möglicher Zusammenhang zwischen der verschwundenen Peggy Knobloch und dem toten Rechtsterroristen Uwe Böhnhardt bekannt wurde, wurde ebenfalls bekannt, dass auf dem oben erwähnten Rechner aus der Zwickauer Wohnung pornographische Aufnahmen von Kindern gefunden wurden.

Dieser Rechner wurde von den beiden Männern, aber auch von Zschäpe benutzt, gegen die schon in der Vergangenheit genau deswegen ermittelt wurde. Und zwar Ende der 1990er Jahre. Zu einem Verfahren kam es nicht, weil sie untertauchte. Die Stuttgarter Nachrichten stellten schon 2015 die Frage: "Finanzierte sich der NSU über Zuhälterei von Kindern?"

Laut Stuttgarter Nachrichten führte "aus dem Umfeld des NSU auch eine Spur nach Baden-Württemberg: Auf einer von Uwe Mundlos angefertigten Liste mutmaßlicher Kontaktpersonen des Trios findet sich auch ein Ludwigsburger. Er ist der Polizei auch wegen Kindesmissbrauchs bestens bekannt."

Zeugen berichteten offenbar auch, Beate Zschäpe und Uwe Böhnhardt seien von Kindern begleitet worden, als sie zwischen 2000 und 2011 Wohnmobile anmieteten.

Auffallend war zudem, dass, wie Thomas Moser schreibt, "im Wohnmobil von Eisenach auch Kindersachen lagen, unter anderem ein Teddybär, eine Puppe, eine Wasserspritzpistole und eine rosa Sandale." Das, so Kollege Moser, hätten Spuren sein können, "die auch in Richtung Kinderhandel, also organisierte Kriminalität (OK), weisen könnten".

Laut Spiegel lebte auch Peggy K. "umgeben von Pädophilen. In einem Gasthaus in der Nachbarschaft der Familie Knobloch traf sich nach Erkenntnissen der Fahnder regelmäßig eine Clique, die Kinderpornografie getauscht haben soll. Gegenüber von Peggys Elternhaus lebte Thorsten E., der wegen sexuellen Missbrauchs kleiner Mädchen zu Haftstrafen verurteilt wurde. Ein Halbbruder des Nachbarn, der häufig zu Besuch war und später als Hauptverdächtiger galt, wurde wegen schweren Missbrauchs seiner kleinen Tochter und eines weiteren Mädchens zu langer Haft verurteilt. Auf dem Computer des Bruders, der in der Wohnung über Peggy lebte, fand sich ebenfalls Kinderpornografie." Das Magazin fragt:

Hatte Böhnhardt Kontakt mit einem Pädophilen aus Lichtenberg? Könnte er auf diese Weise von der hübschen, blonden Peggy erfahren haben, die nach der Schule oft allein durch die Straßen lief, wenn die Eltern bei der Arbeit waren?

Spiegel

In besagtem Spiegel-Artikel taucht auch das bekannte Argument der Labor-Schlamperei wieder auf. Und zwar in Zusammenhang mit zwei Morden, einem davon an einem Kind:

In München wurde in der Wohnung des Mordopfers Charlotte B., einer reichen Unternehmerin, auf einem Glas in der Spülmaschine die DNA eines Mannes gefunden, der seine Spuren bereits auf der Holzkiste hinterlassen hatte, in der 1981 die damals zehnjährige Ursula H. qualvoll erstickte. Er wurde nie ausfindig gemacht. Man hielt die Spur schließlich für die Folge von Schlamperei im Labor.

Spiegel

In Sachen Kinderpornographie wurde nach November 2011 nicht mehr gegen Beate Zschäpe ermittelt. Weil die Mittäterschaft bei den zehn Morden, die ihr zur Last gelegt wird, schwerer wirkt, als der Besitz und auch der Handel von kinderpornographischem Material.

Zudem galten die Aufnahmen weitestgehend als harmlos. Im Zusammenhang mit dem Fall Sebastian Edathy werden wir später noch sehen, dass "harmlos" in keinem Fall harmlos ist für die betroffenen Kinder.

Offenbar enge Verknüpfungen zwischen der rechten Szene und der Organisierten Kriminalität

Der Zusammenhang zur Organisierten Kriminalität fiel nicht nur Thomas Moser auf, sondern auch dem Blog Abolition 2014 - für eine Welt ohne Prostitution. Sehr schnell drängt sich alleine bei der Person Beate Zschäpe der Zusammenhang mit der Organisierten Kriminalität, insbesondere im Bereich Drogen und Pädokriminalität, auf.

Laut Angaben eines Informanten des Verfassungsschutzes war Zschäpe wegen ihrer Drogensucht als V-Frau nicht infrage gekommen. Laut Informationen des Tagesspiegels hatten die Thüringer Behörden später den Verdacht, im Umfeld des abgetauchten Trios werde Kokain konsumiert und mit der Droge gehandelt. Allein das weist schon auf derartige Verbindungen hin.

"Abolition 2014 - für eine Welt ohne Prostitution" untersuchte auch die "Schnittmengen der Neonaziszene zum Rotlichtmilieu". Das Ergebnis ist beachtlich. Demzufolge wurde "bereits im Jahr 1994 (...) in Brandenburg eine antifaschistische Broschüre mit dem Titel 'Hinter den Kulissen #1' herausgegeben, in der die Autorinnen sich unter anderem unter dem Titel 'Rotlichtmilieu in Zusammenarbeit mit faschistischen Schlägern' mit den Verquickungen von Neonazis und Rockermilieu auseinandersetzten".

Erwähnt wird auch: "Sven R., ein guter Freund des späteren NSU-Trios, war schon Ende der 1990er Jahre ins sogenannte Rotlichtmilieu gegangen und gehörte einem kriminellen Netzwerk an, über das die Ceska und andere Waffen zum NSU gelangt sein sollen".

Auch er verdiente (und verdient ggf. immer noch) mit Prostitution sein Geld und saß interessanterweise 1993 mit Böhnhardt zusammen in einer Zelle in der JVA Hohenleuben". Außerdem gibt es auch hier eine Spur nach Baden-Württemberg: "R. machte auch Waffengeschäfte mit Jug P. , der ebenfalls aus dem Thüringer Heimatschutz stammt, und sich heute als Zuhälter in Baden-Württemberg finanziert."

Die Liste ließe sich fortführen. Außerdem werden in dem Blog auch entsprechende Verbindungen zwischen Neonazis und der Rockerszene geschildert. Wir erinnern uns: In dem Verfahren wegen möglicher Weitergabe von polizeiinternen Daten an die rechte Szene musste die ehemalige Lebensgefährtin von Kiesewetters Onkel, Anja W., Facebook-Kontakte zu Personen aus der rechten Szene und zum rechten Rockermilieu einräumen.

Die Berührungspunkte sind also vielfältig, diesen Spuren wurde nur nie nachgegangen. Bekannt ist zudem, dass Michèle Kiesewetter als "nicht offen ermittelnde Beamtin" (NoeB) im Einsatz war. In dem Rahmen war sie u.a. in der Diskothek "Luna" in Kornwestheim im Einsatz. Diese galt als "Russendisco", der Einsatz war Teil des Kampfes gegen die Organisierte Kriminalität, in diesem Falle die russische Mafia.

Der kürzlich verstorbene Schriftsteller Jürgen Roth hat aufgedeckt, dass diese in Baden-Württemberg, insbesondere im Raum Baden-Baden sehr aktiv ist. Der Stern berichtete, Michèle Kiesewetter habe "bei verdeckten Ermittlungen gegen eine russische Drogenbande als Lockvogel" gearbeitet. "Dazu könnte passen, dass sich in Tatortnähe offenbar mehrere Personen aufhielten, die mit der osteuropäischen Mafia zu tun haben. Laut LKA-internen Vermerken erbrachte ein Abgleich der Daten der Europol-Stelle für Organisierte Kriminalität aus Osteuropa mit Handydaten aus Heilbronn einige Treffer".

Außerdem war sie als NoeB in der Drogenszene eingesetzt. Wie bereits erwähnt sind auch islamische Fundamentalisten häufig in dem Milieu zu finden. Auch Mevlüt K., der mittlerweile in der Türkei untergetaucht ist, werden Kontakte zu "osteuropäischen Kriminellen" nachgesagt.