Sabotage gegen Telefon und Internet trifft halb Spanien

Die Motive und Täter sind nicht bekannt, die Regierung nutzt die Sabotage zur Diskreditierung des geplanten Generalstreiks

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Der Telefonverkehr und die Internetdienste hätten sich in Spanien wieder normalisiert, teilte die Telefongesellschaft Telefonica mit, nachdem am Freitag Nachmittag das Kabelnetz an diversen Stellen gleichzeitig durchtrennt worden war. Betroffen von der Sabotageaktion waren mehr als die Hälfte aller Bewohner Spaniens. Besonders stark hat es die Regionen Galizien und Asturien getroffen, aber auch in und um die Hauptstadt Madrid gab es im Bereich Mobilfunk, Festnetztelefon, Kabelfernsehen und ADSL-Internetverbindungen große Probleme. In insgesamt 15 Provinzen brach die Kommunikation teilweise völlig zusammen, im Flugverkehr von Galicien kam es zu großen Verspätungen und Bankautomaten in ganz Spanien spuckten kein Geld mehr aus. Nun soll die Kommunikation wieder restlos hergestellt sein, nachdem am Samstag Nacht die letzten Probleme beseitigt worden seien.

Der ehemalige Staatsmonopolist hatte schon am Freitag die Sabotageaktion bestätigt: "Es handelt sich nicht um einen Schaden, der von einem Bagger oder einer Erntemaschine verursacht worden ist, denn es waren verschiedene Schnitte die gleichzeitig und sauber an unterschiedlichen Orten durchgeführt worden sind." Wahrscheinlich mit Motorsägen machten sich unterschiedliche Gruppen mit besonderer Ortskenntnis in der Nähe der Telefonzentralen von Almenara, Campamento, Madrid, Móstoles und Alcobendas ans Werk und durchtrennten die 20 Glasfaserkabel.

Bisher ist völlig unklar, aus welchen Motiven die Kabel zerschnitten wurden. Doch es gibt etliche Möglichkeiten: Die Telefonica ist wegen ihrer Monopolpolitik, Verkauf, Auslagerung und Schließung von Betriebsteilen in Spanien, Argentinien und anderen Ländern Lateinamerikas immer wieder negativ in die Schlagzeilen geraten. Zudem könnte es sich um eine Aktion des sich radikalisierenden Protest gegen das umstrittene "Gesetz für die Dienste der Informationsgesellschaft und des E-Commerce" (LSSI) handeln, gegen das in Spanien die Internetnutzer seit langem scharf protestieren (Keine 12 Monate Speicherung von Verbindungsdaten).

Die spanische Regierung stellt allerdings einen Zusammenhang zu dem Generalstreik in Spanien her, der zu Beginn des EU-Gipfels in Sevilla am 20. Juni stattfinden wird. Mit Bezug auf die Sabotage vom Freitag erklärte der spanische Außenminister Josep Piqué: "Wenn jemand glaubt mit Sabotage und Nötigung den Streik zum Erfolg bringen zu können, dann irrt er sich."

Da dürfte er sogar recht haben, denn es war die Regierung selbst, die einem wenig aussichtsreichen Streik im Vorfeld zu einem wahrscheinlichen Erfolg verholfen hat. Zunächst hatte die Regierung mit der Reform des Arbeitsmarktes einen Gesetzesentwurf vorgebracht, der kaum die schwachen und gespaltenen Gewerkschaft einheitlich mobilisiert hätte. Über schlechtere Bedingungen für den Bezug von Arbeitslosengeld soll der Zwang zur Arbeitsaufnahme erhöht, der Kündigungsschutz gelockert und der "Plan für ländliche Arbeit" abgeschafft werden. Schon die Weigerung, über die Reform mit den Gewerkschaften zu verhandeln, hat viele in Spanien wütend gemacht. Mit der Anordnung der Reform per Dekret, als Reaktion auf die Vorbereitungen eines Generalstreiks, hat die Regierung ein Letztes getan, um dem Streik den Erfolg zu garantieren. Jetzt richtet sich der Generalstreik nur noch sekundär gegen die Reform, sondern allgemein gegen die Politik der Regierung.

Dass die Aktion gegen Telefonica wahrscheinlich nichts mit dem Generalstreik zu tun hat, sondern von der Regierung nur benutzt wird, um ihn zu diskreditieren, zeigt die Tatsache, dass Sabotagen gegen die Telefonica nichts Neues sind. Zuletzt waren in Nacht vom 8. auf den 9. Juni im Stadtteil Pueblo Nuevo von Barcelona Saboteure in Telefónica-Einrichtungen eingedrungen und hatten etliche Glasfaserkabel durchschnitten. Auch hier musste die Telefonica die Sabotage einräumen. Am 29. April, als vom Generalstreik noch keine Rede war, wurden im Industriepark La Moraleja von Madrid, ebenfalls von Unbekannten, mit einer Motorsäge 64 Glasfaserkabel durchtrennt. Dadurch waren vor allem Spezialkunden wie die Nachrichtenagentur EFE betroffen.

Bisher wurden die Attacken von den jeweils zuständigen Polizei untersucht, aber nun wird die Suche an die Anti-Terrorismusabteilung übergeben. Das selbe sei schon vor Jahren nach ähnlichen Attacken geschehen. Die Zeitung El Pais zitiert Quellen aus der Guardia Civil, wonach es keinerlei Hinweise auf die Täter gäbe, obwohl sich eine der Aktionen in einem Bereich ereignete, die unter besonderer Überwachung der Zivilgarde steht.