Sanktionen gegen Iran: Anlass für eine souveräne Außenpolitik der EU

Seite 3: Reaktionen in der EU

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Die besondere politische Tragweite der Kündigung des JCPOA bzw. der Wiedereinsetzung der Sanktionen gegen den Iran und gegen europäische Firmen besteht darin, dass dieses Vorgehen bisher einhellig von allen EU-Staaten und allen wichtigen Parteien verurteilt wird. Zuletzt hatten 500 Abgeordnete aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien in einem schriftlichen Appell gewarnt, das Atomabkommen mit Iran aufzukündigen, darunter auch zahlreiche Abgeordnete der Fraktion Die LINKE.

Die Bundesregierung bildete vergangene Woche einen eigenen Stab mit Mitarbeitern von Außen-, Wirtschafts- und Finanzministerium, um die Folgen der Sanktionen für die deutsche Wirtschaft zu prüfen. Zumindest der neue Außenminister Heiko Maaß und der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses Norbert Röttgen betonten öffentlich, dass es für deutsche und europäische Firmen keinerlei Möglichkeit gebe, sie vor US-Maßnahmen zu schützen. Auch Kanzleramtsminister Altmaier fährt bisher diese Linie:

Wir haben juristisch keine Möglichkeit, deutsche Unternehmen gegen Entscheidungen der amerikanischen Regierung zu schützen oder sie davon auszunehmen.

Peter Altmaier

Andererseits bestehen auf EU-Ebene konkrete Planungen, wie europäische Firmen insbesondere eine gesicherte Finanzierung des Iran-Geschäfts gewährleisten können, ohne dass sie ihr US-Geschäft bzw. die Abwicklung ihrer Geschäfte über Dollar riskieren. Als einer der ersten Politiker forderte Dietmar Bartsch, der Fraktionschef der Linken im Bundestag:

Da muss Europa dagegenhalten - nicht nur mit Worten, sondern durch ganz konkrete Schritte. Die Bundesregierung könnte einen EU-Fonds auf den Weg bringen, der solchen europäischen Unternehmen hilft, die Geschäfte mit dem Iran betreiben und von den US-Sanktionen geschädigt werden.

Dietmar Bartsch, Die Linke

Inzwischen brachte die Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht sogar die Möglichkeit ins Spiel, dass die EU selbst Gegensanktionen gegen die USA verhängt. Sie sprach im ARD-Morgenmagazin von einem "Wirtschaftskrieg" gegen Europa. Trotzdem warnte sie davor, Milliarden in die Hand zu nehmen, um Konzernen wie Siemens die Ausfälle zu zahlen.

Ich finde Europa muss deutlich machen: Wenn die USA Sanktionen verhängen, oder mit Sanktionen drohen, kann Europa das theoretisch auch. Gestern haben Tusk und andere ja entsprechend reagiert", verwies sie auf den informellen EU-Gipfel in Sofia. "Wir müssen mit Gegenmaßnahmen antworten, und nicht indem wir Zugeständnisse machen und teures amerikanisches Flüssiggas kaufen.

Sahra Wagenknecht

Damit befindet sich Wagenknecht auf einer ähnlichen Linie wie die französische Regierung. Deren Finanzminister Bruno Le Maire hatte bereits gewarnt, dass Unterordnung der EU-Außenpolitik unter Trump zu einem "heftigen Rückschlag von EU-Unternehmen und der EU-Politik" führen würde, insbesondere "einer stärkeren unabhängigen europäischen Außenpolitik".

Wir müssen in Europa zusammenarbeiten, um unsere europäische Wirtschaftssouveränität zu verteidigen. Europa muss die gleichen Instrumente wie die USA nutzen können, um seine Interessen zu verteidigen.

Bruno Le Maire

Konkret verwies Le Maire außerdem auf ein mögliches EU-weites "Sperrstatut" ähnlich einer 1996 verabschiedeten EU-Verordnung zur Aufhebung etwaiger US-Sanktionen gegen EU-Unternehmen. Das Statut erlaubte es europäischen Unternehmen, die US-Sanktionen zu ignorieren, und besagte, dass Entscheidungen ausländischer Gerichte, die auf diesen Sanktionen beruhen, in Europa nicht aufrechterhalten würden.

Die betreffende Verordnung der EU vom November 1996 bezog sich auf die Anwendung der US-amerikanischen Blockadegesetze gegen Kuba, den Iran und Libyen. Auf EU-Ebene bestehen außerdem offensichtlich Überlegungen, dass Unternehmen aus der EU zukünftig ihr Geschäft über öffentliche Mittel finanzieren können. Im Gespräch sind dafür die Europäische Zentralbank (EZB), die Europäische Investitionsbank (EIB) und die Europäische Bank für Wiederaufbau (EBRD).

Michael Tockuss vom Verein Deutsch-Iranische Handelskammer verlangt schließlich, dass die EU-Regierenden dafür Sorge tragen, dass das Swift-System nicht für Sanktionen gegen europäische Unternehmen genutzt werden kann:

Swift ist ein privates belgisches Unternehmen, das sich in seinen Geschäftsbedingungen streng zur Neutralität verpflichtet. Hier sollte also die EU dem europäischen Unternehmen Swift deutlich machen, dass sie sich nur an geltendes europäisches Recht halten müssen und nicht an amerikanisches.

Michael Tockuss, Deutsch-Iranische Handelskammer

Am vergangenen Dienstag trafen sich die Außenminister von Deutschland, Frankreich und Großbritannien mit ihrem iranischen Amtskollegen in Brüssel. Der Iran hat von der EU eine Zusicherung innerhalb von 60 Tagen erbeten, dass die Umsetzung des Atomabkommens auch nach dem Ausstieg der USA garantieren ist. Iranischen Medien zufolge hat das EU-Trio Deutschland, Frankreich und Großbritannien eine Frist von 90 Tagen verlangt.

In den nächsten Wochen wird der Konflikt auf dem Rat für Auswärtige Angelegenheiten der Europäischen Union in Brüssel am 28. Mai 2018 thematisiert. Absehbar ist bereits, dass die Bundesregierung innerhalb der EU eine eher zurückhaltende Position einnimmt, zumal auch andere Handels- und Wirtschaftskonflikte mit dem USA ungeklärt sind, und die deutschen Exporte in die USA durch die Konstellation erheblich gefährdet sind.