"Schlecht, dass wir vergleichen wollten"

Das Recht auf Anzeige: Streit um Google-Ad-Keywords

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“Abmahnwahn“ ist langsam ein Begriff, der wie „Kindergarten“ und „German Angst“ international bekannt wird. Spektakulär sind Fälle wie "Musikindustrie macht Schüler für Verkauf einer alten Computerbild platt“, für die das Rechtsinstrument „Abmahnung“ nie gedacht war. Doch selbst im ihr zugedachten Bereich „Streit unter Geschäftsleuten“ werden die per Abmahnung angezettelten und dann dennoch sofort vor Gericht geschleppten Streits immer absurder.

Die neueste Abmahnwelle geht von einem Versicherungsbroker – ja, das sind diese Leute, die immer die nervige Rundfunkwerbung schalten – gegen andere freiberufliche Versicherungsmakler. Es geht um private Krankenversicherungen und welche davon am günstigsten ist. Nicht die netteste Branche, da schon historisch bedingt solche Leute auch öfters am Telefon hängen, unsereins von der Arbeit abhalten und einem erzählen, sie hätten aber doch letzte Woche schon etwas mit der Post geschickt, das man wohl weggeworfen habe und deshalb dürften sie nun auch anrufen.

Auf den ersten Blick mag ein Vertreter, der mehrere Versicherungen vergleicht, auch irgendwie seriöser und fairer erscheinen als der, der eben nur das anbieten kann, was sein Unternehmen bietet. Auf den zweiten Blick ist hier eher die Frage, wie man sich lieber übers Ohr hauen lassen will, denn jeder Versicherungsvertreter lebt von der Provision und wird daher für den Kunden zwar vielleicht zwischen Sodom und Gomorrha wählen, aber bestimmt nicht die günstigste Versicherung anschleppen, die dann nämlich auch die geringste oder – bei Direktversicherern – gar keine Provision an den Vermittler zahlt. Dagegen gibt es auch nur eine Marke vertretende Makler, die aber den Kunden durchaus sagen, wo ihr Haus gut ist und wo weniger oder versuchen, ihm zumindest das kleinste (also billigste) Übel aus dem Sortiment zu verkaufen.

"Ist Ihr Faxgerät auch immer so voller Werbemüll?" Privater Krankenversicherungsvergleich ist eine ausufernde Branche (Bild: W.D.Roth)

Immerhin: Im Gegensatz zu Lotterielosverkäufern wird man diese Spezies von Anrufern schnell los, wenn man nach „Tarifen für Arbeitslose“ fragt (Günther Jauch und sein unartiges Studiopersonal). Und es gibt darunter auch welche, die einen weder per Telefon noch Radio akustisch belästigen oder einem das Faxpapier verheizen, sondern ihre Dienste online anbieten. Da die Provisionen verlockend sind, gibt es davon sogar jede Menge. So viele, dass eine Google-Suche nach „Private Krankenversicherung online vergleichen“ nur noch Suchmaschinenoptimiererschrott ausspuckt und die einzigen brauchbaren Resultate die bezahlten Werbeeinträge rechts und oben liefern. So gefragt sind die Google-Ads für diese Begriffe, dass die Tarife pro Klick bei 10 Euro und höher lagen, so Versicherungsmakler Hellmuth Hofer zu Telepolis. Ein gutes Geschäft für Google also.

Gefragte Suchbegriffe

Doch diese Zeiten sind nun vorbei. Eine der mit diesen Begriffen bei Google werbenden Firmen ärgert sich nämlich über die die Preise in die Höhe treibenden Konkurrenten und überprüft deren Websites. Gibt es dort keinen Online-Live-Preisvergleich, dann gibt es Saures: Erst die Abmahnung mit Fristen von einigen Tagen und einem Streitwert über 20.000 Euro und anschließend sofort die einstweilige Verfügung.

Dabei gehen die Ansichten auseinander, was „Online vergleichen“ nun genau bedeutet. Für den abgemahnten Versicherungsmakler Hellmuth Hofer war es, die Daten des Interessenten in ein Online-Formular aufzunehmen, das per E-Mail weitergeleitet wird. Der potentielle Kunde erhält dann nach Wunsch telefonisch oder ebenfalls per Mail eine Antwort. Hofer ist der Ansicht, dass sich ohnehin nur auf diese Art ein faires Angebot machen lasse, da sich nicht alles in einem Formular abfragen lasse und „billig“ halt nicht immer auch „günstig“ sei. Der Abmahner ist dagegen der Ansicht, ein Online-Formular und E-Mail seien nicht, was man unter „Online vergleichen“ verstehe und es werde hier nur dazu verlockt, seine Daten einzugeben. Vielmehr sei sofort ein Ergebnis live anzuzeigen.

Beide Meinungen haben durchaus ihre Berechtigung. Wobei auch der Abmahner trickst: Man kann auch bei ihm nicht online abschließen – ohne Gesundheitsprüfung und Unterschrift ist das auch gar nicht möglich – und auch hier ruft ein Außendienstmitarbeiter zurück und vergleicht noch einmal völlig neu. Mit dem ursprünglichen "Online-Vergleich" hat das Ergebnis dann nicht mehr viel zu tun.

Wer darf bei Google Geld ausgeben?

Das Ungewöhnliche an diesem Fall ist aber, dass der Streit ursprünglich nicht um das eigentliche Online-Angebot ging, sondern um die ja nicht einmal offen sichtbaren Schlüsselworte für die Google-Werbung, und auch hier nicht um geschützte Markenbegriffe, sondern Allgemeinbegriffe. Man sollte sich also die Suchbegriffe auch bei einer Google-Anzeigenschaltung sehr gut überlegen, da die Werbekampagne andernfalls deutlich teurer werden kann als erwartet. Mancher Hobby-Webmaster dürfte in diesem Bereich schnell überfordert sein.

Eine Auswirkung soll die Serie von Abmahnungen übrigens bereits haben: Der Google-Anzeigenpreis für die genannten Begriffe ist deutlich gefallen.