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Die neuen Konsolen können immer mehr - die neuen Videospiele auch

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Geschichte wiederholt sich. Nicht als Farce, sondern eher in Kreisen. Atari wuchs von einer innovativen Klitsche zu einem trägen Konzern. Dann trat Commodore mit dem C 64 an Ataris Stelle. Nachdem der Markt für Konsolen sich endgültig von dem für Computer getrennt hatte, galten auf beiden Märkte die selben historischen Gesetzmäßigkeiten: Sega brach mit einer neuen, erwachseneren, elaborierteren Produktphilosophie das Monopol des fetten Riesen Nintendo und zeigte, dass Platz genug für zwei Konkurrenten ist. Ironischerweise bewies dann kaum zehn Jahre später das inzwischen satte Unternehmen Sega, dass kaum genug Platz für drei Konkurrenten auf dem Markt für Videospiele ist.

Bereits 1988 hatte Nintendo mit dem Elektronikriesen Sony über ein CD-Rom Zusatzgerät namens "Play Station" für das SNES verhandelt. Sony war damals auf dem Markt für Computer und Konsolen so gut wie gar nicht vertreten und daher sehr an einer Kooperation mit Nintendo interessiert. Am 1. Juni 1991 verkündete Sony bei der "Consumer Electronics Show" (CES) in Chicago die Allianz. Einen Tag später gab Nintendo eine öffentliche Erklärung: Man werde mit Philips statt mit Sony zusammenarbeiten. Sony war offenbar zu ehrgeizig.

Sony Playstation 1

Nintendos CD-Rom Laufwerk ist nie erschienen. Dafür machte das Projekt Sony zur stärksten Kraft auf dem Videospielmarkt. Der für das Nintendo-Projekt verantwortliche Ingenieur Ken Kutaragi schlug Sony-Präsidentem Norio Ohga vor, die "Play Station" zu einer eigenständigen Konsole zu entwickeln: "Wollen sie einfach nur dasitzen und akzeptieren, was Nintendo uns angetan hat?" Ohga schlug mit der Faust auf seinen Schreibtisch und brüllte: "Wenn sie es ernst meinen, beweisen sie mir, dass es möglich ist. Tun sie es!"

Das hat Kutaragi dann gemacht. 1994 kam die Playstation auf den Markt. Mittlerweile sind weit über 80 Millionen Exemplare verkauft worden. Der Erfolg ist nicht nur auf technische Meisterleistungen wie die Darstellung von 350000 gerenderten Polygonen pro Sekunde zurückzuführen. Ähnliches leistete ja auch Segas ebenfalls 1994 gestartete 32-Bit Konsole Saturn. Den Unterschied machte Sonys reichhaltiges Softwareangebot aus. Die Playstation war zum einen wegen ausgezeichneter Entwicklerwerkzeuge einfach zu programmieren, zum anderen war die Lizenzgebühr von 10 Dollar pro CD-Rom sehr moderat.

100 Spielehersteller hatten schon vor dem Start der Playstation in den Vereinigten Staaten einen Lizenzvertrag mit Sony unterzeichnet. 300 Spiele waren da bereits fest geplant. Sony verdiente mit Software so viel, dass der Preis für die Hardware ins Bodenlose gesenkt werden konnte. Das Gilette-Konzept ging auf: Die Rasierer mit Verlust verkaufen, das Geld dann mit den Klingen verdienen. 1995 hatte die Rede des Präsidenten von Sony Entertainment of America Steve Race bei der "Electronic Entertainment Expo" (E3) aus einem einzigen Wort bestanden: "299 Dollar." 1996 trat Executive Vice President Jim Whims auf das E3-Podium und sagte: "199 Dollar". Die Rangfolge auf dem Videospielmarkt hatte sich da längst umgekehrt: Nach Sony kam Nintendo, dann lange nichts und irgendwann Sega.

Mindestens ebenso interessant wie die wirtschaftlichen Details sind die künstlerischen Möglichkeiten, welche die Playstation Spielentwicklern bot. Bezeichnend ist hier der Wechsel des Rollenspielherstellers Square Soft von Nintendos Konsolen zu Sonys Playstation im Jahr 1996. Square Soft produzierte etwas anderes als die sehr verschachtelten, niedlichen und bunten Welten Nintendos. Der Entwickler der Rollenspielreihe "Final Fantasy" Hironobu Sakaguchi beschreibt die Entstehung seiner Spielwelten so:

"Das grundlegende Konzept war ein sehr mythischer Weltentwurf, in dem Feuer und Wasser alles auf der Erde repräsentieren. Ich nahm also diese Idee - das orthodoxe, mythische Konzept von den vier oder fünf Elemente der Welt - und entwickelte darum herum eine Fantasy Geschichte."

Das eigentliche Thema von Sakaguchis Spielen ist nicht nur die Auseinandersetzung des Spielers mit seiner Spielrolle sondern vor allem das Erleben und Leben in einem ästhetisch in sich geschlossenen Weltentwurf.

Screenshot "Final Fantasy VII"

Sakaguchi erklärte 1997 in einem Interview, der Wechsel von Nintendo zu Sony sei vor allem eine ästhetische Entscheidung gewesen. Der für die Playstation veröffentlichte Titel "Final Fantasy VII" hat im Gegensatz zu Sakaguchi Spielen für Nintendos Konsolen einen sehr filmischen Charakter. Sakaguchi setzte immer schon Schnitte als Erzähl- und Stilmittel ein, aber erst auf der Playstation hatte er dabei wirklich gestalterische Freiheit. Während Nintendos Steckkarten gerade mal 8 Megabyte Speicherplatz boten, waren es auf einer Playstation-CD 640. "Final Fantasy VII" war dann auch der erste Titel der Reihe, der sich wie ein Epos anfühlte und spielte.

Spielkonsolen sind längst erwachsen geworden. Das Einstiegsalter schwankt zum Beispiel in Deutschland ja nach Untersuchung zwischen 18 und 21 Jahren - weit entfernt jedenfalls von der einstigen Zielgruppe Nintendos der Acht- bis Vierzehnjährigen. Bei Computern ist mittlerweile der Markt gesättigt. 50 Prozent der US-Haushalte besitzen mittlerweile einen PC, die Hersteller gehen davon aus, dass die Wachstumsraten nun nicht mehr so stark steigen werden wie in den Neunziger Jahren. Während der Absatz von Konsolen in Deutschland von 1999 zu Anfang 2000 um 33 Prozent zunahmen, sank der Verkauf von Computern um 7 Prozent. Das liegt daran, dass jene Haushalte, die bis heute keinen PC gekauft haben, generell sehr schwer von neuer, schwer zu bedienender Technologie zu überzeugen sind. Vor diesem Hintergrund hat Microsoft die eigene Spielkonsole X-Box 2001 auf den Markt gebracht. Die Preise für die neueste Generation der Konsolen liegen höher als je zuvor. Die Playstation 2 startete in Deutschland zu einem Listenpreis von 869 Mark. Diese Geräte sind keine gewöhnlichen Konsolen. Gerade in Japan, wo DVD-Player nicht so weit verbreitet waren wie in den Vereinigten Staaten, wurde die Playstation 2 auch von Leuten gekauft, die vor allem einfach nur DVD-Filme auf ihrem Fernseher sehen wollten.

Mit DVD-Laufwerk, Internetzugang und einer einfachen Bedienung werden Konsolen für Menschen mit einer gewissen Technikangst mehr und mehr die Alternative zum Computer. Die Entwicklung ist nichts neues. Schon die ersten Heimkonsolen in den siebziger Jahren waren mit ihrer Holzvertäfelung die harmlose, für jedermann bezahl- und bedienbare Version eines Computers.

Dass aber die Leistung dieser Maschinen heute nicht allein in Megaherz, sondern auch nach ästhetischen Kriterien bemessen wird, ist dem ersten unabhängigen Dritthersteller von Videospielen zu verdanken: Activision.

Bücher

Reiji Asakura: "Revolutionaries at Sony". New York, 2000. S.149 ff.; 195 ff.
Steven L. Kent: "The First Quarter : A 25-year History of Video Games".Bothel, 2000. S.358ff.; S.385ff.; S.449ff.

Zeitschriften

Kai-Ulrich Deissner: "Auf der Jagd nach dem Hauptgewinn", in: Stern, 14. Dezember 2000
Joe Flower: "The Americanization of Sony", in: Wired, Juni 1994
Bernd Graaf: "Trauer der Vollendung - Die Welt und ihr Double: Sonys "Play Station 2" ist die perfekte Emotionsmaschine", in: Süddeutsche Zeitung, 19. Dezember 2000
Matthias Hochstätter: "Nur zwei überleben", in: Werben & Verkaufen, 18. Februar 2000
Jürgen Homeyer: "Neue Dimension", in: Wirtschaftswoche, 16.04.1998
Michael Kroker: "Flotte Kisten", in: Wirtschaftswoche, 23.11.2000
André Kunz: "Massiver Gewinneinbruch bei Sony". in: Süddeutsche Zeitung, 26. Januar 2001
Jim Lynch: "Who will save Sonic the Hedgehog?" in: Salon, 3. November 2000
Katharine Mieszkowski: The few, the proud, the Play Station fans, in: Salon, 26. Oktober 2000
Myrte Müller: "Nintendo landet Erfolg mit neuer Konsole". in: Welt, 22. 04. 1997
Scott Taves: Meet Your New Playmate, in: Wired, September 1995
David Sheff: Sony Smackage, in: Wired, Nov 1999
"Sony macht sich in Deutschland mit elektronischen Spielen breit". in: Süddeutsche Zeitung, 4. Februar 1999
Jochen Wegner: "Toaster für Polygone", in: Focus, 20. November 2000